Gehaltsverhandlung für Jurist*innen

von Jennifer Seyderhelm

Jede*r kennt vermutlich Situationen wie diese: Im Vorstellungsgespräch wird ein Gehalt genannt und Sie trauen sich nicht, Ihre eigene höhere Gehaltsvorstellung anzusprechen; nach einer gewissen Zeit in Kanzlei oder Unternehmen würden Sie aufgrund Ihrer guten Leistung gerne etwas mehr verdienen, aber Sie wissen nicht, wie das funktionieren soll. Dabei ist es mit einiger Vorbereitung gar nicht so schwer, souverän eine Gehaltsverhandlung zu führen. Verhandeln Sie am Ende erfolgreich, hat sich die dafür investierte Zeit mehr als (finanziell) gelohnt.

Vorbereitung ist alles

Eine Gehaltsverhandlung stellt für viele Menschen eine Herausforderung dar. Und das ist auch verständlich, denn man ist es in der Regel nicht gewohnt, über sein eigenes Gehalt zu verhandeln. Das Gute daran ist: Eine Gehaltsverhandlung lässt sich vorbereiten.

1. Das richtige Timing

Zwei Zeitpunkte sind für eine Gehaltsverhandlung besonders passend. Zum einen ist das natürlich das Vorstellungsgespräch. Aber auch im laufenden Arbeitsverhältnis können Sie über eine Gehaltsanpassung sprechen: Hierfür bietet sich am besten ein Zeitpunkt an, nachdem Sie etwas »Gutes« im Job geleistet haben. Das kann beispielsweise ein erfolgreiches Projekt oder eine Mandatsakquise sein.

2. Definieren Sie Ihren eigenen beruflichen Mehrwert

»Mehr an Gehalt« ist nur gerechtfertigt, wenn es sich aus Ihren professionellen Fähigkeiten ergibt. Welche besondere Leistung erbringen Sie? Versetzen Sie sich dabei auch in die Perspektive Ihres*r Arbeitgebers*in: Welche in Ihnen verkörperten Skills sind gerade für diesen Job relevant und stellen einen wirklichen Mehrwert dar?

Die Liste an Argumenten kann unterschiedlich und vor allem individuell sein. Als Ausgangspunkt bietet sich die eigene Biographie an. Seit Beginn des Studiums ist Kartellrecht Ihre Leidenschaft und Sie bewerben sich in einer entsprechenden Boutique? Ihre fachliche Kompetenz würde einen deutlichen Mehrwert für die Kanzlei darstellen.

Denken Sie gerne auch über den juristischen Tellerrand hinaus: Sind Sie durch Engagement besonders gut vernetzt? Super, das hilft Ihnen sicher dabei, Mandate aus Ihrem Netzwerk zu generieren. Auch im bestehenden Job lassen sich zahlreiche Argumente sammeln: Durch Ihren Kontakt wurden schon kompetente Kolleg*innen eingestellt? Sie stoßen auch Themen wie Legal Tech, Nachhaltigkeit oder Diversity an? All das kommt Ihrem*r Arbeitgeber*in zugute.

Oft denkt man, was man selbst mit- und einbringt, sei »normal«. Die Perspektive von Freund*innen oder Kolleg* innen kann helfen, eine Relation herstellen.

3. Anker setzen

In der Gehaltsverhandlung selbst können Sie einen psychologischen Effekt nutzen: Werfen Sie gewissermaßen den ersten Wert in den Ring. Das menschliche Gehirn orientiert sich unterbewusst an dieser Zahl und setzt alle weiteren dazu ins Verhältnis. Setzen Sie den Wert etwas höher als Ihr tatsächliches Wunschgehalt an. Im Zweifel werden Sie nämlich wahrscheinlich »runterverhandelt«.

Um Ihr Wunschgehalt zu ermitteln, bringen Sie in Erfahrung, wie viel Kolleg*innen in vergleichbaren Positionen verdienen. Das dient als Orientierung. Beispielsweise bietet azur einen guten Überblick über die Gehälter in Kanzleien. Statt einer genauen Summe wählen Sie lieber eine Gehaltsspanne. Das suggeriert Kompromissbereitschaft. Und die sollten Sie auch mitbringen.

Denn es geht bei einer Gehaltsverhandlung – wie bei den meisten Verhandlungen – nicht darum, als »Sieger*in« vom Platz zu gehen. Machen Sie sich bewusst, dass Sie mit Ihrem Gegenüber täglich zusammenarbeiten. Hören Sie aufmerksam und mit echtem Interesse zu und überzeugen Sie sachlich argumentativ.

4. Flexibel bleiben

Trotz aller Vorbereitung und Überzeugungskraft mag es Situationen geben, in denen der*die Arbeitgeber*in nicht bereit ist mehr zu zahlen. Dann heißt es: flexibel bleiben. Neben Geld können Sie auch andere Konditionen verhandeln. Überlegen Sie sich vor dem Gespräch mögliche Alternativen, wie eine bezahlte Weiterbildung, mehr Urlaubstage oder eine flexiblere Zeiteinteilung.

5. Üben

Und schließlich gilt wie bei allen Dingen: üben. Zum Beispiel in einem Rollenspiel, in dem Sie unter anderem lernen können, souverän mit Gegenargumenten umzugehen. Hilfreich ist es auch, den Satz »Ich halte ein Gehalt von x € für angemessen« nicht zum ersten Mal in der Gehaltsverhandlung laut auszusprechen.

Gehaltsverhandlung im Kontext von Equal Pay

Equal Pay ist in Deutschland (noch) nicht erreicht. Die unbereinigte Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen beträgt 21 %, das bedeutet, dass Frauen im Schnitt 21 % weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Die Gender Pay-Gap ist bei Kanzleien zwar geringer als im deutschen Durchschnitt. Je länger Anwältinnen beruflich tätig sind, desto größer ist allerdings die Lohndifferenz zu ihren männlichen Kollegen.

Nicht nur Jurist*innen dürfte klar sein: Unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit stellt eine Diskriminierung dar. Rechtfertigend können allein leistungsbezogene Unterscheidungskriterien wirken. Was hat das mit dem Thema Gehaltsverhandlung zu tun? Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass Frauen ihr Gehalt seltener verhandeln als Männer, z.B. aufgrund stereotypischer Rollenerwartungen, die Verhandlung als »unweiblich« darstellen.

Doch die relative Zurückhaltung von Frauen bei Gehaltsverhandlungen rechtfertigt noch lange keine Ungleichbehandlung. Eine Gehaltsverhandlung stellt nur einen unter vielen Hebeln – und das nur auf individueller Ebene – dar, die zu gerechter, der Leistung angemessenen Bezahlung führen können. Daneben sind weitere Maßnahmen auf politischer und Arbeitgeber*innenebene notwendig, um die Gender-Pay-Gap zu schließen.

Shout-out an alle Kolleginnen: Erkennen Sie Ihr eigenes Potenzial, machen Sie sich Ihre Leistungen bewusst und treten Sie für eine Anerkennung selbiger ein. Wenn mehr Frauen über ihr Gehalt verhandeln, wird es normaler wahrgenommen, dass sich weibliche Kolleginnen genauso souverän und selbstverständlich zu ihrem eigenen finanziellen Mehrwert bekennen und dafür auch ein angemessenes Gehalt erhalten.

Selbstwert-bewusst

Verhandeln hat nichts damit zu tun, »dick aufzutragen« oder gar unverschämt zu sein. Denn Sie forcieren eine Gehaltsverhandlung nur, wenn Sie für Ihre persönlichen Fähigkeiten und Leistungen ein »Mehr« an Gehalt verdienen. Ob das der Fall ist, ergibt sich aus einer fundierten Vorbereitung. Zudem ist die Sorge, unsympathisch oder gar berechnend zu wirken, unbegründet, wenn Sie die professionelle argumentative Ebene nicht verlassen.

Es kann sogar zu Ihrem Vorteil sein, realistisch über Ihr Gehalt zu verhandeln: Denn welche*r Arbeitgeber*in schätzt es nicht, Mitarbeiter*innen zu haben, die sich ihres eigenen Wertes bewusst sind und das auch argumentativ stark vertreten können? Es kann sich also durchaus um eine doppelte Win-Win-Situation handeln: Wenn es gut läuft, bekommen Sie nicht nur mehr Gehalt, sondern werden auch als authentische*r, souveräne*r Verhandler*in wahrgenommen.

 

Über die Autorin:

Jennifer Seyderhelm
Rechtsanwältin bei Schiedermair Rechtsanwälte und promoviert an der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Sie ist ausgebildete Mediatorin, im Team von Lawyers4Future und Redakteurin und Head of Press bei breaking.through.
Die Autorin dankt Friederike von Gierke und Octavia Zahrt für ihre kritische Durchsicht des Beitrags.