Alice im JURAland – Die erfolgreiche Frau in der juristischen Welt ist schon lange kein Märchen mehr

von Diane Manz

Erst vor kurzem habe ich wieder auf einer Karriereseite gelesen „Mit Jura kann man alles machen“. Inwieweit Frauen hier mitgemeint waren? – Lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Dieses Jahr ist es 100 Jahre her, dass es Frauen erlaubt wurde, in juristischen Berufen tätig zu werden (Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen in der Rechtspflege, Reichsgesetzblatt 1922 I, S. 573). Wo stehen wir heute?

Frauen haben es in vielen juristischen Bereichen schwer

Aktuell sind über die Hälfte der AbsolventInnen des Jurastudiums weiblich. Die Gesamtzahl der ausgebildeten JuristInnen sinkt tendenziell in den letzten Jahren. Der Fachkräftemangel steigt. Die Arbeitslosenquote ist zwar durch Corona etwas gestiegen, liegt aber mit 2,4 % (Blickpunkt Arbeitsmarkt: Akademikerinnen und Akademiker | Juli 2021) vergleichsweise niedrig. Eigentlich alles Grund genug, Karrierechancen nicht unbedingt am Geschlecht festzumachen. Dennoch hat Frau es offenbar in vielen Bereichen der juristischen Tätigkeit schwer, Unterstützung in Akzeptanz und Förderung der eigenen Karriere zu bekommen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Konservative Rollenbilder und Vorurteile, strukturelle Altlasten, vermeintlich schwierige Vereinbarkeit, fehlender Austausch von Erwartungen und Zielen. Eine Alice im JURAland – Die erfolgreiche Frau in der juristischen Welt ist schon lange kein Märchen mehr. Weiterer wesentlicher Stolperstein, der aus meiner Sicht häufig unterschätzt wird, ist die immer noch unzureichende Sichtbarkeit von erfolgreichen Frauen, die den Weg trotz aller Hindernisse gegangen sind.

Förderung von Juristinnen in Großkanzleien?

Betrachtet man z.B. Großkanzleien, muss man leider tatsächlich sagen „Da ist noch viel Luft nach oben“. Der Frauenanteil unter den Top 50 Wirtschaftskanzleien bei Beförderungen zu Counsel oder Partnerin betrug im Jahr 2020 noch 29 % (JUVE Rechtsmarkt, Nr. 1, 2022). Im Jahr 2021 stieg er auf 34 %. Die Neuernennungen waren in den Rechtsgebieten Arbeitsrecht und Konfliktlösung mit 47 % und 41 % am höchsten, zwischen 30 % und 40 % fielen auf die Bereiche Technologie und Medien, Steuerrecht und Corporate/M&A, mit rund 20 % waren die Bereiche Immobilien-/Baurecht und Bank- und Finanzrecht eher seltener vertreten. Im Bereich Konzernberatung wurden etwa doppelt so viele Ernennungen ausgesprochen wie im Transaktionsbereich. Zwar werben viele Kanzleien mit zahlreichen interessanten und sicherlich gut gemeinten Angeboten zur Frauenförderung und zur Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, oft wird aber bei genauerem Hinschauen deutlich, dass die entsprechende Haltung, die für den Erfolg solcher Konzepte essentiell ist, bei den Entscheidern fehlt. Schauen wir aber genau hin, finden wir sie auch hier, die erfolgreiche Bank- und Finanzrechtspartnerin in Vollzeit mit zwei Kindern oder die beiden Anwältinnen, die erfolgreich vormachen, wie Jobsharing im Transaktionsbereich funktioniert.

Förderung von Frauen in der Wissenschaft

Auch in Wissenschaft und Lehre sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Nur eine von zehn W3-Professuren an der Universität ist in den Rechtswissenschaften mit einer Frau besetzt und nur 38 % der Promovierenden sind weiblich (https://iurratio.de/journal/frauen-in-der-juristerei/). Aber auch Universitäten haben die Herausforderung erkannt und versuchen hier, Frauen gezielt zu fördern. Um so spannender ist es, Berichte von erfolgreichen Professorinnen zu hören, wie sie den häufig steinigen Weg gemeistert haben.

Aufstiegschancen für Rechtsanwältinnen?

In deutschen Rechtsabteilungen gab es 2017 nur 13 % weibliche General Counsel (https://www.lto.de/recht/kanzleien-unternehmen/k/inhouse-juristinnen-kar...), leider gibt es hier wenig konkretere Zahlen. Auch wenn also einige Rechtsanwältinnen irgendwann die Inhouse- Richtung einschlagen, scheint es hier mit den Aufstiegschancen kaum besser zu sein. Doch gerade in Unternehmen findet man auch sehr außergewöhnliche Karrieren von Frauen mit juristischem Hintergrund.

Ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern im Staatsdienst

Was den Staatsdienst angeht, sehen die Nachrichten vielversprechender aus. Das Ministerium der Justiz und für Migration in Baden-Württemberg gab im letzten Jahr bekannt, dass im höheren Dienst bei den Staatsanwaltschaften und ordentlichen Gerichten zum ersten Mal in deren Geschichte ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern zu verzeichnen war (https://www.justiz-bw.de/,Lde/9049282/?LISTPAGE=6161506). Der Trend scheint auch in anderen Bundesländern in diese Richtung zu gehen. Hier gibt es also schon einige Vorbilder.

1,1 % Gründerinnen

Gründerinnen mit rechtswissenschaftlichem Hintergrund sind auf den ersten Blick so gut wie nicht existent. Der Female Founder Monitor notiert in 2020 lediglich 1,1 % weibliche Gründer. Spannend wird es jedoch, wenn man genauer recherchiert, dann findet man von Frauen gegründete Legal Tech-Unternehmen, Software-Firmen, juristische Personalberatungen, Agenturen für Kanzleimarketing, -management und -kommunikation, um nur einige zu nennen.

Vernetzung öffnet Türen

Alles in allem, ja, der Rechtsmarkt ist hart für das weibliche Geschlecht, immer noch. Aber es gibt sie, die erfolgreichen Frauen, und zwar in allen Bereichen. Ein entscheidender Schritt für eine gelungene und zufriedenstellende Karriere ist es aus meiner Sicht, groß zu denken und sich diese Frauen zum Vorbild zu nehmen. Findet man sie im eigenen Umfeld nicht, kann man sie über Organisationen wie breaking.through (https://www.breakingthrough.de/) oder auch ganz einfach durch eine detaillierte Suche auf LinkedIn entdecken. Generell öffnet die Vernetzung mit anderen JuristInnen – sowohl extern, in speziellen Netzwerken als auch intern an der Universität, im Unternehmen oder in der Kanzlei – und die damit verbundene gesteigerte Sichtbarkeit oft völlig neue Türen, macht neugierig und stärkt das eigene Selbstvertrauen und den Glauben, dass Frau es schaffen kann.

 

 

Über die Autorin:

Diane Manz
Dipl.-Psychologin und
systemischer Business Coach