Partnerin in der Großkanzlei und Familienleben: Keine Entweder-oder-Entscheidung

Interview mit Dr. Gesine von der Groeben von Dentons

Wenn es um das Thema „Vereinbarkeit von Beruf/Karriere und Familie“ und Juristinnen geht, hörte man in der Vergangenheit oft, dass es an weiblichen Vorbildern fehlt, an denen sich Nachwuchsjuristinnen orientieren können. Wir haben beeindruckende Frauen getroffen, deren Karrieren beweisen, dass das nicht länger der Fall ist. Eine davon ist Dr. Gesine von der Groeben, Partnerin bei Dentons.

Frau Dr. von der Groeben, warum haben Sie sich nach Ihrer juristischen Ausbildung für den Einstieg in eine Wirtschaftskanzlei entschieden?

Tatsächlich war dies dem Zufall geschuldet, denn ursprünglich war der höhere auswärtige Dienst mein Karriereziel. Zur Überbrückung der wenigen Monate zwischen dem ersten Staatsexamen und dem Beginn des Referendariates habe ich mir über eine Karrieremesse einen Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei einer Frankfurter Wirtschaftsrechtskanzlei besorgt und bin dann dort »hängengeblieben«: zunächst arbeitete ich dort referendariatsbegleitend als wissenschaftliche Mitarbeiterin und dann auch in den Anwaltsstationen. Nach dem zweiten Staatsexamen wurde mir dort ein Job angeboten und wenige Monate später fragte mich ein Partner, ob ich mit ihm und seinem Team zu einer anderen Kanzlei wechseln möchte. Damals war das eine spannende Chance, um eine weitere Kanzlei kennenzulernen, die ich natürlich wahrgenommen habe. Später folgten dann zwei weitere Teamwechsel, bei denen meine persönliche »Due Diligence« der neuen Kanzlei bzw. eine Evaluation meiner Chancen dort dann etwas genauer ausgefallen ist. Während dieser Zeit bin ich mehr und mehr in das Rechtsgebiet M&A /Gesellschaftsrecht hinein- und mit den Mandanten gewachsen; nach ein paar Jahren konnte ich mir keine andere Tätigkeit mehr vorstellen. Später habe ich dann begonnen, mir eigene Mandanten – und mit dem Bereich Venture Capital – ein eigenes Geschäftsfeld aufzubauen.

Sie sind heute als Partnerin im Frankfurter Büro von Dentons tätig. Ihr Arbeitgeber beschreibt sich selbst als polyzentrisch. Was können wir uns darunter vorstellen?

Dentons ist zwar rein von der Anzahl der Anwält*innen die größte Kanzlei der Welt, aber es gibt keinen vorherrschenden Standort, von dem aus die Kanzlei gemanagt oder die Kultur bestimmt wird. Natürlich gibt es eine weltweit einheitliche Steuerung, was Beschaffung, Ressourcennutzung, Konfliktmanagement, Corporate Identity etc. angeht, aber in Sachen Budgetierung, Personalentscheidungen und Kulturfragen sind die einzelnen Regionen und Standorte frei. Dies gibt die erforderliche Flexibilität, regional auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der globalen Exzellenz. Dentons ist also gleichzeitig sowohl eine lokale als auch eine globale Kanzlei.

Die Themen Inclusion & Diversity sind heute quasi omnipräsent – warum sind die Themen Ihrer Einschätzung nach gerade in einer globalen Wirtschaftskanzlei so wichtig?

Bei Dentons arbeiten über 22.000 Anwältinnen und Anwälte aus den unterschiedlichsten Ländern und mit den unterschiedlichsten kulturellen und persönlichen Hintergründen zusammen. Gleichzeitig betreuen wir grenzüberschreitend Mandanten auf der ganzen Welt. Da ist es selbstverständlich, dass keine einseitige Auffassung von Kultur oder Geschlecht vorherrschend sein kann – insbesondere vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen polyzentrischen Aufstellung. Und im Übrigen legen auch die Mandanten immer mehr Wert darauf, dass eine Kanzlei Inklusion und Diversity auch tatsächlich lebt. Ein rein männliches Panel bei einer Veranstaltung und ein rein männliches/nicht diverses Team bei einem Pitch kommt inzwischen nicht nur bei US-Großkonzernen nicht mehr gut an und schmälert so auch Geschäftschancen.

Was können Kanzleien tun, um die Karrieren von Frauen in Führungspositionen besser zu fördern?

Das Entscheidende ist aus meiner Sicht das »Mindset«. Gerade in der traditionellen Rechtsanwaltsbranche sind bei vielen Personen noch unbewusste Vorurteile zu finden. Dies muss den Betroffenen zuerst bewusst gemacht werden und erst dann kann jeder Einzelne sein tägliches Handeln daraufhin überprüfen und hoffentlich auch verändern. Wichtig ist es auch, junge Anwältinnen zu ermutigen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sichtbar zu werden – mit ihren Leistungen, eigenen USPs und ihrer Persönlichkeit. Und natürlich ist es entscheidend, dass mehr Partnerinnen in die höchsten Ebenen der Kanzleien vorstoßen, damit nachfolgende Kolleginnen Vorbilder haben, an denen sie sich orientieren können. Auch sollte eine individuelle Gestaltung der Arbeitszeit möglich sein – denn mit starren Modellen kann man den unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten nicht ausreichend Rechnung tragen.

Die Vereinbarkeit von »Beruf und Familie« ist dabei eine zentrale Herausforderung für Wirtschaftskanzleien, gerade aber für Anwältinnen, die gerne den nächsten Karriereschritt gehen wollen. Inwieweit unterstützt Dentons Mütter und Familien an dieser Stelle?

Durch flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice und in einigen Büros Kooperationen mit lokalen Kita-Trägern und Eltern-Kind-Büros bzw. Kinderzimmer. Im Übrigen ist es sehr teamabhängig, welche individuellen Regelungen getroffen werden; hier haben wir als Partner viele Freiheiten, die es uns ermöglichen auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeitenden einzugehen.

Heute ist die Hälfte der Berufseinsteiger* innen in Wirtschaftskanzleien weiblich – doch nur jede siebte Anwältin schafft es zur teilhabenden Partnerin. Sie sind diesen Weg erfolgreich gegangen, gleichzeitig sind Sie auch Mutter. Worin besteht Ihr Erfolgsgeheimnis?

Eine gute Eigenorganisation und die Fähigkeit, Aufgaben zu priorisieren und zu delegieren sind sicher hilfreich. Spaß an der Arbeit, fachliche Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit und nicht zuletzt die Freude daran, mit Menschen zu interagieren sind ein Muss – und ein wenig Gelassenheit schadet auch nichts. Ein Fünkchen Ehrgeiz darf natürlich auch dabei sein. Wichtig ist es, von Anfang an intern wie extern sichtbar zu sein »Stichwort Markenbildung«, eigene Wünsche und Ansprüche freundlich, aber bestimmt anzumelden und sich ein inhaltliches Alleinstellungsmerkmal zu schaffen und möglichst auch früh eigene Mandanten zu akquirieren und an sich zu binden. Viele Frauen legen gerade am Anfang der Karriere viel Wert darauf, alles perfekt und es allen recht zu machen – aber was am Ende für die Partnerentscheidung zählt, sind natürlich vor allem die Umsätze.

Sie arbeiten als Partnerin in Teilzeit zu 80 %. Inwieweit ist diese Option sehr stark von dem Rechtsgebiet abhängig, in dem man unterwegs ist?

Natürlich ist es möglicherweise leichter, wenn man in einem Rechtsgebiet tätig ist, das weniger Projektgeschäft beinhaltet und eher von längeren Fristläufen bestimmt ist. Und sicherlich hilft es auch, wenn man bereits ein Team hat und Aufgaben delegieren kann. Aber letztendlich ist alles eine Frage der Organisation und natürlich des Mindsets. Wenn mit einem Mandanten beispielsweise ein Besprechungstermin vereinbart werden muss und mehrere Alternativen hierfür im Raum stehen, ist es unerheblich, ob eine dieser Alternativen abgelehnt wird, weil zu diesem Zeitpunkt bereits ein Termin mit einem anderen Mandanten stattfindet, eine wichtige Fortbildung abgehalten wird, ein Notartermin in einer anderen Sache angesetzt ist, ob ein Vortrag gehalten werden muss oder ob gerade der Elternsprechtag in der Schule stattfindet. Andererseits gibt es natürlich auch Termine, um die man sich herumorganisieren muss, wie zum Beispiel das Signing einer Transaktion. Schließlich ist es hilfreich, wenn in der Kanzlei eine Kultur und ein Commitment dahingehend herrscht, dass langatmige interne Besprechungen nicht regelhaft nachmittags um 17:00 Uhr angesetzt werden.

Wenn Sie wählen müssten, für welche Profession würden Sie sich entscheiden und warum?

Ich würde wieder denselben Weg gehen. Es ist unheimlich bereichernd, mit so vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und Branchen in so unterschiedlichen Projekten zusammenarbeiten zu können. Abwechslungsreicher kann es kaum sein.

Was wollen Sie speziell Berufseinsteigerinnen mit auf den Weg geben, die einen Einstieg in der Wirtschaftskanzlei erwägen, aber unsicher sind, ob sich das mit der individuellen Lebens-/ Familienplanung in Einklang bringen lässt?

Sich auf keinen Fall davon abhalten zu lassen und es zu machen. Das ist definitiv keine Entweder-oder-Entscheidung mehr! Es hat sich in den letzten Jahren viel verändert und ich bin sehr zuversichtlich, dass sich gerade jetzt im Hinblick auf Vereinbarkeitsthemen noch einmal eine erhebliche Dynamik entfalten wird. Und jede Anwältin, die beides selbstverständlich und offen lebt, kann ihren Teil dazu beitragen.

Über die Interviewpartnerin:

Dr. Gesine von der Groeben
ist seit März 2021 als Partnerin im Frankfurter Büro von Dentons tätig.
Sie ist Mitglied der Praxisgruppe Corporate/M&A und auf die Bereiche M&A, Venture Capital und Gesellschaftsrecht spezialisiert.
Vor ihrem Wechsel zu Dentons arbeitete sie bei anderen führenden Kanzleien als Partnerin.

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