Die Arbeit als Verwaltungsrichterin

von Dr. Nassim Eslami

Anwältin oder eine Tätigkeit im wissenschaftlichen Bereich? Während des Studiums, meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität und auch noch zu Beginn des Referendariats war ich mir sicher, dass es sich zwischen diesen zwei Berufsfeldern für mich entscheiden wird. In meiner Anwaltsstation im Referendariat habe ich gelernt, dass eine für den Mandanten richtige oder gute Lösung nicht unbedingt die Lösung ist, die ich am Ende einer gutachterlichen Prüfung stehen habe. Die Arbeit machte mir zwar Spaß, aber sie entsprach nicht unbedingt meiner Vorstellung. Spontan fasste ich den Entschluss, meine Wahlstation am Verwaltungsgericht zu absolvieren, um auch das Arbeiten in einer Kammer und im Bereich des öffentlichen Rechts kennenzulernen. Nach ein paar Wochen stand für mich fest: Ich will Richterin am Verwaltungsgericht werden.

»Die Wahlstation im Referendariat ebnete den Weg«

Als ich einem der Professoren erzählte, dass ich die Universität verlassen werde, um einer Tätigkeit am Verwaltungsgericht nachzugehen, guckte dieser mich ganz verständnislos an und fragte mich, ob ich mir das gut überlegt habe: »Da machen Sie doch nur Asyl – das ist doch öde«, sagte er mir ganz entsetzt. Ich muss zugeben, dass ich meine Berufswahl daraufhin nochmal kurz hinterfragte – insbesondere, weil der Schritt in die Justiz sich auch wie eine Einbahnstraße anfühlte, bei der es kein Zurück gibt. Nach drei Jahren am Verwaltungsgericht kann ich sagen: Ich habe die Entscheidung nicht bereut und weiß nunmehr, dass man auch als Richterin – beispielsweise durch die vielfältigen Möglichkeiten einer Abordnung  – mal nach links und rechts abbiegen kann.

»Da machen Sie doch nur Asyl!«

Im Dezember 2017 begann meine Tätigkeit am Verwaltungsgericht Hannover. Der Start in den neuen Beruf wird einem durch die Zugehörigkeit zu einer Kammer leicht gemacht. Man hat direkt zwei bis drei Ansprechpartner für Fragen und trifft die ersten Entscheidungen in der Regel zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen, bevor man sich an seine ersten Einzelrichterentscheidungen herantraut. Die Mischung zwischen eigenverantwortlichem Arbeiten und dem Arbeiten im Team macht für mich nach wie vor den Reiz aus. Insbesondere wenn es um neue oder schwere Rechtsfragen geht, empfinde ich es als Privileg, die Falllösung zusammen mit den Kammerkolleginnen und -kollegen diskutieren und erarbeiten zu können. Aber auch wenn man mal über einer Einzelrichterentscheidung brütet, ist es gewinnbringend, einen allzeitbereiten Sparringspartner im Büro nebenan sitzen zu haben, mit dem man verschiedene Aspekte des Falls nochmal durchgehen kann.

»Alles andere als öde«

Inhaltlich ist die Arbeit vielseitig und abwechslungsreich. Natürlich wird der Arbeitsalltag durch die Vielzahl von Asylfällen, die seit der letzten Flüchtlingskrise an den Verwaltungsgerichten anhängig sind, bestimmt. Aber selbst das ist – anders als von meinem Professor unterstellt – alles andere als öde. Man lernt viel über die Länder dieser Welt, über die verschiedenen Kulturen und erfährt einiges über die Menschen, die es über den einen oder anderen Weg nach Deutschland geführt hat. Neben dem Asylrecht durfte ich mich in meinem noch jungen Berufsleben mit den unterschiedlichsten anderen Rechtsgebieten des Verwaltungsrechts befassen. Beispielhaft seien nur das Gefahrenabwehr-, Versammlungs-, Datenschutz-, Ausländer-, Fahrerlaubnis- und das Glücksspielrecht genannt.

»Eine neue Herausforderung mit dem Amt der Pressesprecherin«

Dass das Verwaltungsrecht über diese Rechtsgebiete hinaus viel mehr zu bieten hat, durfte ich durch mein Amt als Pressesprecherin, das ich vor rund zwei Jahren übernommen habe, erfahren. Als Pressesprecherin ist es mir möglich, einen Einblick in die Verfahren der anderen Kammern zu gewinnen. Man lernt dadurch nicht nur juristisch in den anderen Rechtsgebieten etwas dazu, sondern wird auch im Bereich der sogenannten Soft Skills geschult. Die Kommunikation mit den Journalisten verdeutlicht, welche Aspekte eines Falles für die Öffentlichkeit interessant und wichtig sind. Es ist eine spannende Herausforderung, komplexe und schwere Entscheidungen so aufzubereiten, dass sie auch von einem Nichtjuristen nachvollzogen werden können. Die Bedeutung dieser Aufgabe ist mir während der Covid-19-Pandemie noch deutlicher geworden. Die für das Infektionsschutzrecht zuständigen Kammern treffen Entscheidungen, die von einer breiten Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt und wahrgenommen werden. Auch hier gilt, dass Transparenz und Nachvollziehbarkeit die Akzeptanz fördern.

 

Über die Autorin:

Dr. Nassim Eslami
Richterin am Verwaltungsgericht Hannover