Themenschwerpunkt Referendariat: Die Station am Verwaltungsgericht

von Michael Marquardsen, Rechtsreferendar am OLG Schleswig sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Zivilprozessrecht der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Stationssuche und Wahlmöglichkeiten

Im Rahmen der zu absolvierenden Verwaltungsstation ist es in Schleswig-Holstein möglich, zwei Monate am Verwaltungsgericht in Schleswig zu verbringen.

Auf den ersten Blick ist diese Station besonders interessant für diejenigen, die sich eine Tätigkeit im Staatsdienst vorstellen können. Sie kann aber auch für jeden anderen eine Bereicherung sein, da sie examensrelevante Praxis bietet.

Zunächst steht man vor der Wahl, sich für eine der verschiedenen Kammern zu entscheiden. Mittlerweile findet sich in jeder Kammer auch eine Zuständigkeit für Asylsachen, aufgeteilt nach den verschiedenen Herkunftsländern der Asylsuchenden. Weitere zuständige Kammern für Rechtsgebiete sind einem bereits aus dem ersten Examen geläufig, wie z.B. Polizei- und Ordnungsrecht, Baurecht und Kommunalrecht, aber man trifft auch auf Rechtsgebiete mit denen man sich bislang wohl eher am Rande beschäftigt hat, wie z.B. die Natur-, Umwelt- und Tierschutzsachen, das Kirchen- und Beamtenrecht. Die bereits bekannten Rechtsgebiete sind für das Assessorexamen relevant. Hier kann man also auf Altbewährtes setzen oder man entscheidet sich für eher unbekannte Rechtsgebiete und erhält so in manchen Bereichen einen interdisziplinären Einblick.

Meine Wahl fiel auf die Kammer für Umwelt-, Natur- und Tierschutz, sowie Kirchenrecht. Bei der Entscheidung hierzu sollte einem bewusst sein, dass gerade der Bereich Umwelt-, Natur- und Tierschutz die Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichen Thematiken erfordert. Dies kostet zwar mehr Zeit bei der Einarbeitung, erweitert aber auch den eigenen Horizont.

Besonderheiten bei der Arbeit am Verwaltungsgericht

Wie bereits beim Wechsel von der Staatsanwaltschaft in die Station am Zivilgericht, muss man sich bei der Arbeit am Verwaltungsgericht an ein paar Besonderheiten gewöhnen. So gilt hier, wie auch im Strafverfahren, der Amtsermittlungsgrundsatz, es gibt zudem kein Versäumnisurteil und die Richter tragen, zumindest in Schleswig-Holstein, blau.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist ebenfalls die Frage, nach welcher Rechtslage der jeweilige Fall zu entscheiden ist. Kommt es z.B. auf das geltende Recht zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, so erfordert dies eine eingehende Recherche von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien, die zum Teil bereits außer Kraft gesetzt wurden.

Abhängig vom jeweiligen Ausbilder besteht auch hier die Möglichkeit, ähnlich wie am Zivilgericht, dass man eigenverantwortlich eine mündliche Verhandlung leitet. Je nach Sachlage und Rechtsgebiet liegt hierbei der Schwerpunkt im Wesentlichen in der Erörterung der Rechtslage und weniger in der Vernehmung von Zeugen.

Für diejenigen Referendare, die ihre Gerichtsstation an einem Amtsgericht und nicht am Landgericht absolviert haben, dürfte die Teilnahme an einer Kammersitzung eine neue Erfahrung sein. Hier bekommt man einen interessanten und vor allem praxisnahen Einblick in die Arbeit und den Beitrag des einzelnen Richters im Zusammenwirken mit seinen Kollegen der eigenen Kammer, sowie den Ehrenamtlichen Richtern. Zudem weisen die Fälle, die durch die Kammer entschieden werden, zumeist eine besondere Wichtigkeit und eine erhöhte rechtliche Schwierigkeit auf – was für einen Referendar durchaus anspruchsvoll und eine wirkliche Herausforderung sein kann. Denn es erfordert ein nicht unerhebliches Maß an fachlicher und menschlicher Kompetenz, den ehrenamtlichen und oftmals juristisch unbelasteten Richtern, die Sachlage und die entsprechende Rechtslage verständlich zu machen, ohne hierbei deren Meinungsbildung zu beeinflussen.

Abhängig von der gewählten Kammer und dem zugeteilten Ausbilder ist es nicht ungewöhnlich, als Referendar an Ortsterminen teilzunehmen. So kann eine mündliche Verhandlung schon einmal mitten in Schleswig-Holstein auf einem Feld stattfinden, wenn es die Situation erfordert. Aber auch an solchen Orten müssen stets die erforderlichen Formalien gewahrt werden, weshalb man unter Umständen schon mal erfinderisch werden muss.

Arbeitsalltag in der Verwaltungsstation

Im Übrigen ergeben sich für einen Referendar am Verwaltungsgericht jedoch die gleichen Aufgaben wie bereits am Zivilgericht. In erster Linie hat man sein Können unter Beweis zu stellen, indem man eigenständig Urteils- und Beschlussentwürfe fertigt, sich im persönlichen Gespräch mit seinem Ausbilder der sachlichen Erörterung der aktuellen Fälle widmet und Aktenvorträge hält, falls dies gewünscht ist.

Das zu bewältigende Arbeitspensum kann auch hier nicht pauschal angegeben werden, sondern richtet sich nach dem jeweiligen Ausbilder. Man sollte mit mindestens einer Teilnahme an einer Sitzung pro Woche rechnen, oftmals sind es jedoch mehr. Dies sollten insbesondere diejenigen Referendare bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, die nicht im unmittelbaren Umkreis Schleswigs wohnen und dennoch das Verwaltungsgericht als Station in Betracht ziehen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich auch eine weitere Anfahrt definitiv lohnt.

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Quelle BECK Stellenmarkt 22/2017