
Ob Filme, Serien oder Bücher – crime sells, und es ist hierbei sehr häufig die Rolle der Verteidigerin oder des Verteidigers, die viele Menschen in besonderem Maße fasziniert. Eigene Sachverhaltsermittlungen unter Zuhilfenahme von Privatdetektiven, große Plädoyers, mit denen es – oftmals in letzter Minute – noch gelingt, das Blatt zugunsten des Angeklagten zu wenden. Abspann.
Keine Frage, es gibt diese Verfahren und es sind besondere und im Gedächtnis bleibende Momente, wenn es einem Strafverteidiger gelingt, eine frühe Ermittlungshypothese der Staatsanwaltschaft zu entkräften, alternative Geschehensabläufe aufzuzeigen und im Ergebnis einen Freispruch für den Mandanten zu erreichen. In der Praxis aber liegt der Verteidigungserfolg viel häufiger darin, Farbschattierungen eines Falles im Laufe des Verfahrens deutlich zu machen, einem Schwarz-Weiß-Denken entgegenzutreten und – ganz im Max Alsbergschen Sinne – den oftmals »hochgemuten, voreiligen Griff zur Wahrheit zu hemmen«.
Es gibt keine kleinen Fälle…
Die tägliche Praxis der Strafverteidigung ist geprägt von akribischem und vor allem kritischem Lesen oftmals umfangreicher Ermittlungsakten. Buchstäblich jedes Wort kann entscheidend sein und jeder Satz in einem polizeilichen Ermittlungsbericht oder einer Zeugenaussage ist gedanklich auf den Prüfstand zu stellen. Das Suchen nach einschlägiger Rechtsprechung und das Studieren von juristischen Kommentaren ist hierbei – wie in jedem anderen Rechtsgebiet auch – das Grundhandwerkzeug. Wer sich aber für Strafverteidigung entscheidet, muss auch bereit sein, die »Extrameile zu gehen« und für seinen Mandanten oftmals gegen eine Vielzahl von Widerständen zu kämpfen, im wahrsten Sinne des Wortes – und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen kleinen Ladendiebstahl oder um das große, von Medieninteresse begleitete Wirtschaftsstrafverfahren handelt.
Nicht immer droht am Ende eines Strafprozesses Gefängnis, aber sehr häufig steht im Falle einer Verurteilung eine Eintragung im Führungszeugnis und damit eine »Vorstrafe« im Raum, die dann schnell zum Verlust der beruflichen Existenz führen kann. Nicht immer geht es um einen Betrugsschaden in Millionenhöhe, aber gemeinsam ist vielen Mandaten, dass Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger oftmals die einzigen Fürsprecher ihrer Mandanten sind – gerade dann, wenn sich das soziale und familiäre Umfeld angesichts der im Raum stehenden Vorwürfe abgewandt hat.
Es »menschelt«
Der Beruf der Strafverteidigerin oder des Strafverteidigers ist nach meiner Überzeugung in besonderem Maße für junge Juristinnen und Juristen geeignet, die eine abwechslungsreiche Tätigkeit suchen, neugierig auf Menschen und deren Lebensgeschichten sind und die den Wunsch haben, mit ihrem Beruf wirklich etwas zu bewegen. Es geht eben im Strafrecht nicht nur um in Geld messbare Forderungen oder Ansprüche, sondern zuvorderst um Existenzen. Strafverteidigung bewertet hierbei nicht die Tat, sondern verteidigt den Menschen, für den bis zu einem rechtskräftigen Verfahrensabschluss die Unschuldsvermutung des Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention gilt.
Bereits als junger Strafverteidiger durfte ich sehr schnell lernen, dass es quer durch alle Bevölkerungsschichten oftmals nur weniger konstellierender Faktoren (Stichworte: Alkohol, persönliche Lebenskrise) oder schlicht einer besonders stark ausgeprägten Gier nach materiellem Besitz bedarf, um die Schwelle zur Strafbarkeit zu überschreiten. Die konkreten Erscheinungsformen sind dann bunt und reichen von A wie Arbeitsstrafrecht über M wie Medizinstrafrecht bis Z wie Zollstrafrecht.
Mein persönlicher Weg in die Strafverteidigung
Bereits im Referendariat stand für mich der Berufswunsch »Strafverteidiger« fest. Nach mehreren Jahren der Tätigkeit in renommierten Strafrechtskanzleien, in denen ich von erfahrenen Strafverteidigern lernen durfte und Erfahrungen sammeln konnte, und dem Erwerb des Titels »Fachanwalt für Strafrecht« habe ich gemeinsam mit einem Kollegen 2007 eine eigene Kanzlei gegründet. Heute sind wir bei DMS Rechtsanwälte mit fünf Partnern bundesweit als Strafverteidiger tätig. Während ich selbst in den ersten Jahren meiner Tätigkeit so gut wie jeden Tag bei Gericht war und Mandanten wegen diverser Delikte »quer durch das Strafgesetzbuch« verteidigt habe, bin ich seit mittlerweile mehr als 10 Jahren schwerpunktmäßig im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht tätig. Ich empfinde es heute als Privileg, die großen Prozesse unserer Zeit wie CumEx oder die sog. Dieselaffäre nicht nur aus der Zeitung mitzuverfolgen, sondern als Prozessbeteiligter aktiv miterleben und -gestalten zu können.
Abwechslung garantiert!
Strafverteidigung ist abwechslungsreich. Es lässt sich morgens viel weniger als in anderen juristischen Berufen vorhersehen, wie sich der weitere Tagesablauf gestaltet. Eine naturgemäß vorher nicht angekündigte Durchsuchung eines Unternehmens, eine Festnahme oder der Anruf eines potentiellen neuen Mandanten, der einen schnellen Termin wünscht, können schön strukturierte Tagespläne durcheinanderwirbeln. Strafverteidigung ist auch kein klassischer Schreibtischjob. Sie findet oftmals in Gefängnissen, Gerichtssälen und auf dem Weg von einem Ort zum anderen auch immer wieder »auf der Straße« statt.
Strafverteidigung – der Versuch eines »Stellenprofils«
Ein Strafverteidiger muss selbstverständlich im materiellen Strafrecht ebenso fit sein wie im Strafprozessrecht. Er muss aber gleichzeitig nicht selten auch ein Psychologe sein oder manchmal einfach jemand, der zuhört. Er ist bereit, sich so für seine Mandanten einzusetzen, wie er sich dies für sich selbst wünschen würde, wenn er in einer vergleichbaren Situation wäre. Strafverteidigung braucht die besten Juristen, die nicht in Schubladen denken und nicht vorschnell bewerten. Empathie, Rhetorik und Verhandlungsgeschick sind essenziell, schließlich gilt es Ermittlungsbehörden und Gerichte zu überzeugen und – mit den Worten des deutschen Juristen Adolf Arndts – »auch notfalls das Unerhörte zu Gehör zu bringen«. Auch nach 24 Jahren im Beruf stelle ich jeden Tag fest: Man lernt immer noch dazu und auch das ist es, was den Reiz der Strafverteidigung ausmacht. Es gilt jeden Tag aufs Neue für die Unschuldsvermutung einzustehen, auch wenn diese gerade keine »Konjunktur« hat. Denn aktive Strafverteidigung in ihrem besten Sinne dient nicht nur den Interessen des einzelnen Mandanten, sondern immer auch dem Rechtsstaat selbst!
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Über den Autor:
Markus Meißner - Partner bei DMS Rechtsanwälte
Er ist Fachanwalt für Strafrecht und Compliance Officer (Univ.). Schwerpunktmäßig berät er Unternehmen und verteidigt Individualpersonen in den Bereichen des Wirtschafts - und Steuerstrafrechts.