Als Personalberater sieht man sich regelmäßig mit der Situation konfrontiert, dass Bewerber und Vakanz aus unterschiedlichsten Gründen nicht zusammenpassen. Auf eine spezifische Konstellation soll an dieser Stelle näher eingegangen werden, und zwar auf die Gruppe der berufserfahrenen Bewerber mit etwa 7-8 Jahren Berufserfahrung aufwärts, die sich auf Vakanzen in Wirtschaftskanzleien bewerben. Diese sehen sich im Bewerbungsprozess häufig mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert.
Vorliegend zunächst einige Spezifika des Anwaltsmarktes, aus denen diese Schwierigkeiten in Bezug auf berufserfahrene Bewerber resultieren. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es sich bei Anwaltskanzleien um einen Zusammenschluss von Berufsträgern handelt, die in der Regel zugleich Umsatzträger sind. Unabhängig von der konkreten rechtlichen Ausgestaltung des Zusammenschlusses der Kanzlei und des Status der einzelnen Anwälte wird von diesen erwartet, dass sie eigenen Umsatz generieren, auch wenn sie in einem Anstellungsverhältnis stehen.
Nicht nur in großen Wirtschaftskanzleien – wenn auch dort besonders stark ausgeprägt – herrscht eine Struktur, die einen bestimmten Karrierepfad vorsieht, die, bildlich und etwas vereinfachend gesprochen, einer Pyramide ähnelt.
Bestimmte Karriereschritte korrelieren in diesem – oft recht starren – System direkt mit der Berufserfahrung. So bilden die ersten rund drei Berufsjahre als Associate eine Art Lernphase im Sinne eines Training on the Job. Der junge Anwalt wird in dieser Phase an die Berufspraxis herangeführt und hat oft einen Mentor, der ihn begleitet und unterstützt.
Die daran anknüpfendenden Jahre als Senior Associate sehen einen Anwalt vor, der bereits „alleine laufen“ kann, d.h. dieser erledigt einen großen Teil seiner Arbeit eigenständig, die engmaschige Kontrolle durch erfahrenere Anwälte entfällt oder wird zumindest gelockert. Außerdem wird der Anwalt langsam an die Akquise bzw. an die Mandantengewinnung und -bindung herangeführt, um seinen eigenen Business Case bzw. sein eigenes Dezernat aufbauen zu können. Grundsätzlich arbeitet der Anwalt auf dieser Stufe aber noch zu. Wer sich in dieser Phase bewährt, steht dann nach rund 3–5 weiteren Jahren zur Partnerschaft an (wenn eine freie Stelle bzw. ein Partner Slot frei ist), entweder direkt als Equity Partner oder aber zunächst als Salary Partner. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Partnerschaft ist allen Partnern jeder Anwaltskanzlei gemein, dass von ihnen erwartet wird, dass sie durch eigenakquirierte Mandate sich selber und idealerweise ein Team finanziell tragen und hierbei gewinnträchtig sind.
Somit haben wir eine Grundvoraussetzung für berufserfahrene Bewerber herausgearbeitet, die von Kandidaten ab einer gewissen Senioritätsstufe üblicherweise erwartet wird: Das berühmt-berüchtigte transportable Geschäft. Es handelt sich hierbei um die zentrale Frage, der sich Bewerber spätestens ab etwa 8 Jahren Berufserfahrung stellen müssen. Natürlich gibt es auch Vakanzen, die „nur“ Berufserfahrung voraussetzen, aber hierbei handelt es sich dann doch um Ausnahmen. Oftmals geht es dabei um kleinere Kanzleien, die einen Spezialisten als, überspitzt formuliert, erfahrenen „Abarbeiter“ suchen, der eher eine Spezialistenrolle einnimmt.
Die in vielen Kanzleien herrschende Pyramidenstruktur sieht einen internen Verdrängungswettbewerb vor, der nach dem Prinzip „survival of the fittest“ funktioniert. Hier kommt schließlich auch bei manchen Kanzleien das sog. „Up-or-out-Prinzip“ zum Tragen, welches besagt, dass binnen vorgesehener Zeitfenster bestimmte Karriereziele erreicht werden sollten. Das Nichterreichen der definierten Ziele führt dann in der Folge zum Ausscheiden des betreffenden Anwalts. Dieses Prinzip wird in verschiedenen Kanzleien unterschiedlich strikt gelebt. Dieses System wird durch den „Dritten Weg“ mit Counsel-Stellungen und vergleichbaren Hierarchieebenen, die einen Spezialistenstatus beschreiben, teilweise aufgeweicht. Dieser dritte Weg bleibt aber dennoch bisher die Ausnahme. Und genau diesen Umstand sollten Rechtsanwälte in ihrer Karriereplanung im Blick behalten und frühzeitig berücksichtigen. Wer nicht in einer Kanzlei tätig ist, in der das Konstrukt „angestellter Anwalt auf Dauer“ vorgesehen ist, sollte tunlichst darauf bedacht sein, sein eigenes Geschäft aufzubauen, wenn die weitere Karriereplanung eine andauernde Tätigkeit als Rechtsanwalt vorsieht.
Umgekehrt heißt das ebenso, dass, wo erkennbar ist, dass binnen absehbarer Zeit kein eigenes relevantes Geschäft aufgebaut werden kann, als Konsequenz ein Wechsel der Kanzlei ernsthaft in Erwägung gezogen werden sollte. Ziel sollte dann sein, sich einer Einheit anzuschließen, welche entweder die Gelegenheit bietet, einen eigenen Business Case aufzubauen oder aber einen „Dritten Weg“ anbietet. Eine mögliche Alternative könnte die Selbstständigkeit, ggf. als Spin-Off gemeinsam mit weiteren Kollegen, sein. Wer sich zutraut, tatsächlich Geschäft generieren zu können wenn die Rahmenbedingungen stimmen, sollte diese Lösung durchaus in Erwägung ziehen. Ansonsten bliebe lediglich der „Seitenwechsel“ als Option: Der Wechsel auf die Unternehmensseite, wo das transportable Geschäft natürlich überhaupt keine Rolle spielt.
Fazit: Die Schwierigkeiten, mit denen sich einige berufserfahrene Bewerber im Bewerbungsprozess konfrontiert sehen, hängen oft damit zusammen, dass diese Bewerber sich bei solchen Kanzleien bewerben, deren spezifische Anforderungen an das transportable Geschäft sie nicht erfüllen. Die betreffenden Kandidaten sind gut beraten, nach entsprechenden Alternativen Ausschau zu halten. Eine gute Marktkenntnis hilft dabei, sich zielgerichtet umzuorientieren.