Durch zunehmende Regulierung, Globalisierung, Wettbewerb und technologischen Fortschritt nehmen Komplexität und Umfang der rechtlichen Fragestellungen für Unternehmen stetig zu. Daher überrascht es nicht, dass viele Unternehmen in letzter Zeit ihre Rechts- und Compliance-Abteilungen weiter ausgebaut haben.
Auch viele Rechtsanwälte – Berufseinsteiger wie erfahrenere Kollegen (hier und nachfolgend stets w/m) – überlegen, ob nicht die Karriere in einem Unternehmen eine Alternative zu derjenigen in einer Kanzlei ist. Insbesondere die Aussicht, oft näher und langfristiger an operativen Prozessen und kaufmännischen Entscheidungen sowie stärker in interdisziplinären Teams zu arbeiten, motiviert viele Anwälte zu einem entsprechenden Wechsel.
Daher stellt sich die Frage, welche strategischen Gesichtspunkte bei dem Wechsel in ein Unternehmen zu beachten sind und worauf es bei der weiteren Karriereplanung ankommt.
I. Berufseinstieg
Generell streben die meisten Absolventen mit Prädikatsexamina den Weg in die großen Wirtschaftskanzleien oder zur Justiz an. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Stellen für Berufseinsteiger in Unternehmen seltener sind, da die meisten Arbeitgeber dort Kandidaten mit erster Berufserfahrung und einer soliden anwaltlichen Ausbildung suchen, die schneller „alleine laufen können.“ Ausnahmen gelten z. B. für größere Rechtsabteilungen etwa der DAX-Unternehmen, die in der Regel über mehr Ressourcen verfügen, um auch den Berufseinsteiger auszubilden.
Für den Berufseinsteiger, den die Tätigkeit in einem Unternehmen reizt, empfiehlt sich daher eine zweigleisige Strategie: Neben gezielten Bewerbungen bei Unternehmen macht es häufig Sinn, auch ausgewählte Kanzlei-Optionen zu verfolgen, um dann nach einigen Jahren in der Regel mehr Möglichkeiten für den Wechsel in ein Unternehmen zu haben. Falls sich jedoch schon der Berufseinstieg im Unternehmen ergibt, spricht selbstverständlich nichts dagegen, ein passendes Angebot auch anzunehmen.
II. Das typische Wechselfenster
Der Einstieg als Volljurist in ein Unternehmen erfolgt dagegen meistens in Teamfunktionen ohne Personalverantwortung auf einer Senioritätsstufe von zwei bis fünf Jahren, weil Unternehmen
- bei mehr Berufserfahrung häufig unterstellen, dass der Kandidat den nächsten Karriereschritt kurzfristiger anstrebt (mit der Folge wechselseitiger Unzufriedenheit und Unruhe) und/oder
- bei mehr Berufserfahrung oft wegen des im Vergleich deutlich höheren Kanzleigehalts und/oder wegen des Verdachts zurückhaltend sind, der Kandidat habe die Partnerschaft nicht erreicht und wolle nur deshalb in-house wechseln (Hier wird oft gefragt, warum das Interesse für ein Unternehmen nicht schon früher bestand) und/oder
- spätere Führungskräfte im Sinne nachhaltiger Personalentwicklung aus den eigenen Reihen rekrutieren bzw. für Führungsaufgaben Kandidaten bevorzugen, die schon in-house und idealiter in einem ähnlichen Branchen- und Unternehmensumfeld tätig sind.
Daher sollte man bei Interesse an einer In-house-Karriere den Wechsel in ein Unternehmen möglichst mit einer Seniorität von maximal fünf Jahren vollziehen (Ausnahmen – dazu siehe den nachfolgenden Punkt – bestätigen die Regel).
III. Der (über-)nächste Schritt
Ab dem sechsten Jahr Berufserfahrung stellt sich für viele Rechtsanwälte oder In-house-Juristen konkreter die Frage nach dem nächsten Karriereschritt – häufig wird dann eine Führungsaufgabe angestrebt wie eine Teamleitung in einem größeren Unternehmen oder die Gesamtleitung (mit oder ohne ein Team) in einer kleineren Einheit. Wen diese Perspektive reizt, der sollte im Idealfall seine Karriereplanung schon früh hierauf ausrichten und auf der fraglichen Senioritätsstufe schon substanzielle einschlägige Erfahrung in einem renommierten Unternehmen mit anerkannter Rechtsabteilung gesammelt haben.
Bei der Besetzung von Führungspositionen legen Unternehmen neben der fachlichen Qualifikation in der Regel Wert auf Branchen- bzw. (erste) Führungserfahrung, Managementfähigkeiten und Kompetenz in interdisziplinärer Zusammenarbeit; in inhaltlicher Hinsicht wird meist Erfahrung bei strategischen (z. B. Corporate/M&A-) und generalistischeren operativen (Commercial-) Themen erwartet. Gerade bei letzterem Themenkreis ist der In-house-Jurist im Vorteil gegenüber dem in der Regel spezialisierteren Großkanzlei-Anwalt; Ausnahmen gelten begrenzt z. B. für spezialisiertere Führungsaufgaben in größeren Rechtsabteilungen wie die eines „Leiter M&A“ oder „Leiter IP“.
Demgegenüber setzt sich bei immer mehr Syndikusanwälten die Erkenntnis durch, dass es nicht unbedingt langfristig eine Führungsposition sein muss – sei es, weil die inhaltliche juristische Arbeit als spannender angesehen wird und/oder man sich einfach nicht in einer Managementrolle mit Personalverantwortung sieht.
Auch insoweit ist die strategische Karriereplanung wichtig: Bei aller erstrebenswerten Spezialisierung sollte man perspektivisch nicht in eine „Sackgasse“ geraten, sondern darauf achten, dass die (neue) Position auch die richtige Plattform für einen möglichen (über-)nächsten Schritt ggf. auch zu einem anderen Arbeitgeber bietet.
IV. Fazit
Die vorstehenden Ausführungen sollen verdeutlichen, dass eine frühzeitige und langfristige Karriereplanung für den Unternehmensjuristen unerlässlich ist und einige wesentliche Besonderheiten des Marktes aufzeigen. Zur genaueren Evaluierung der eigenen beruflichen Situation und der Karriereziele empfiehlt sich zudem ein ausführliches Gespräch mit einem erfahrenen juristischen Personalberater, der unverbindlich die Gegebenheiten des Marktes erläutern und mögliche Alternativen aus seinem Portfolio aufzeigen kann.