Der Wechsel von der Kanzlei- in die Unternehmenswelt ist eine sehr attraktive Option für Rechtsanwälte (m/w/d). Denn der Inhouse-Bereich bietet eine Vielfalt an Möglichkeiten. Die Bandbreite möglicher Einsatzfelder reicht dabei von der klassischen juristischen Tätigkeit über die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Unternehmen bis hin zur Führung und (Mit-)Gestaltung des Unternehmensgeschäfts.
Dieser Beitrag zeigt einen ersten groben Überblick über klassische Wechselfenster und möchte auf die Vorzüge einer realistischen, vorrausschauenden Planung hinweisen. Denn nur wer sich seiner Ausgangslage bewusst ist, kann frühzeitig die richtige Weichenstellung für seine nachhaltige berufliche und persönliche Zukunft treffen.
Für viele Juristen ist die Arbeit für ein Unternehmen aus verschiedenen Gründen reizvoll. Neben der Identifikation mit einer Marke und/oder den spezifischen Produkten bzw. Dienstleistungen, steht oftmals der generelle Wunsch im Vordergrund, sich auf nur einen Mandanten – das Unternehmen – zu konzentrieren und Prozesse von Anfang bis Ende begleiten zu können. Ferner die Auswirkungen der getroffenen Entscheidungen selbst und nicht bloß aus der Distanz, als externer Berater, miterleben zu dürfen. Zu guter Letzt lockt oftmals die langfristige Option nicht dauerhaft bloß „kernjuristisch“ tätig zu sein, sondern sich bei Gelegenheit innerhalb des Unternehmens oder Konzerns weiterentwickeln zu können – etwa langfristig in das operative Management.
Der Zeitpunkt eines Wechsels sollte wohl überlegt sein – ein Plus an Berufserfahrung hilft nicht immer: Wer zu lange mit einem Wechsel wartet und auf die vermeintliche Partnerschaft setzt, begibt sich in Gefahr, nicht die Position zu bekommen, die er ggf. mit ein bis zwei Jahren weniger Berufserfahrung erhalten hätte.
Der Inhouse-Jobmarkt ist dynamisch und sehr punktuell. Es gibt Phasen, in denen händeringend neues Personal gesucht wird – und es gibt regelmäßig Phasen, in denen es kaum interessante passende Slots gibt. Der Markt ist weniger planbar als z. B. die Einstellungspolitik bei Kanzleien.
Sinnvoll ist es daher grundsätzlich immer, über tatsächliche, aktuelle Vakanzen zu sprechen und nicht bloß abzuwarten. Mit steigender Seniorität könnte zudem der unglückliche (und oftmals schlichtweg unzutreffende) Eindruck bei Unternehmen entstehen, dass die Inhouse-Karriere nur der „Plan B“ sei - gerade weil es für die Partnerschaft dann doch nicht reicht.
Das erste klassische Wechselfenster öffnet sich mit „erster Berufserfahrung“, d. h., in der Regel frühestens nach circa zwei Jahren. Ein echtes Plus ist dabei die Ausbildung in einer renommierten Wirtschaftskanzlei mit internationalem Einschlag. Dort wird nicht nur das juristische Handwerk, sondern auch der Umgang mit Mandanten gelernt. Außerdem bekommt man einen ersten Einblick in die Strukturen und rechtlichen Herausforderungen der Mandanten – und dies sind meistens Unternehmen. Aber auch die Arbeit in einer mittelständischen Kanzlei kann – je nach Rechtsgebiet und konkreter Tätigkeit – erhebliche Vorteile mit sich bringen. Für Unternehmen ist eine besondere Praxisnähe regelmäßig entscheidend.
Der Wechsel von der Kanzlei- in die Unternehmenswelt zahlt sich für viele Kandidaten auch insofern aus, als Faktoren wie eine bessere Work-Life-Balance sowie Planbarkeit im Vordergrund stehen. Jedoch: Der Wechsel in ein Unternehmen muss kein zwangsläufiger finanzieller Rückschritt sein. Er kann vielmehr auch ein echter Karriereschritt nach vorne sein.
Dies gilt umso mehr im „zweiten Wechselfenster“, d. h., nach rund fünf bis sieben Jahren Berufserfahrung. Für diese Kandidaten können im Idealfall auch schon „gehobenere“ Positionen (z. B. als senior legal counsel oder solche mit Führungsverantwortung für ein kleine (Unter)Abteilung) in Frage kommen – diese sind natürlich entsprechend gut vergütet.
Eine Karrierestrategie ist absolut empfehlenswert. Zunächst sollten Ziele und Meilensteine definiert werden: Was will man langfristig erreichen? Welche Zwischenschritte sind möglich oder erforderlich? Die Ausgangslage – nicht jeder Associate kann Partner werden – ist auf den Inhouse-Bereich übertragbar: Nicht jeder kann Leiter/in Recht oder General Counsel eines Unternehmens werden.
Empfehlenswert sind vor allem zwei Dinge: Zum einen die Möglichkeit eines Secondment zu nutzen, um so herauszufinden, ob Inhouse grundsätzlich eine Option ist und gefällt. Außerdem kann man somit erste Unternehmenserfahrung vorweisen – die gerade im zweiten Wechselfenster immer unerlässlicher wird. Zum anderen hilft eine objektive Karriereberatung mit einem Gesprächspartner auf Augenhöhe, der über Insider-Infos und persönliche Kontakte verfügt.
Über den Autor:
David Schwab
Gründer und Berater bei clients & candidates,
einer führenden hochspezialisierten,
deutschlandweit tätigen Personalberatung für
Juristen (Legal / Tax / Compliance)
Quelle BECK Stellenmarkt 15/2020