Personalentwicklung und Karrieremanagement wird, gerade in kleinen und mittelständischen Kanzleien in Deutschland, vernachlässigt. Zum Teil überschätzen sich die Kanzleien in ihrer Strahlkraft – zum Teil unterschätzen Kanzleien den Mangel an geeigneten Bewerbern.
Der sogenannte »War for Talents«, also der Kampf um die Talente, hat schon längst begonnen und verschärft sich. Was Kanzleien tun können, um das eigenen Karrieremanagement strategisch zu lenken, beleuchtet dieser Artikel.
Gesellschaftliche Trends und Auswirkungen für Kanzleien
Die Anzahl der Erwerbstätigen in Deutschland liegt derzeit bei circa 45 Millionen. Bereits die Prognos-Zukunftsstudie geht davon aus, dass diese Zahl bis 2030 auf 38,7 Millionen Erwerbstätiger schrumpft. Das hat auch Folgen für die deutsche Anwaltschaft.
Zwar wurde prognostiziert, dass die Dynamik der Alterung in der Anwaltschaft nicht so rasch ankommt wie in anderen Branchen, allerdings ist sie signifikant und bereits jetzt spürbar. Kanzleien klagen über Bewerbermangel. In ländlichen Gebieten nimmt die Anwaltsdichte ab – hier tun sich Kanzleien besonders schwer, geeignete Bewerber zu finden.
Strategisches Karrieremanagement in Kanzleien
Das strategische Karrieremanagement in Kanzleien beschreibt die gezielte Förderung und Bindung von Mitarbeitern und die Entwicklung von Partnern.
Derzeit verfügen die wenigsten Kanzleien über ein Karrieremanagement. In kleineren und mittelständischen Kanzleien (löbliche Ausnahme sind regelmäßig Boutiquen), wird die Personalentwicklung ausschließlich in der Eigenverantwortung der Mitarbeiter gesehen. In der Form eine antiquierte innere Haltung. Wer gutes Personal heute nicht mehr halten kann, gefährdet den unternehmerischen Erfolg seiner Kanzlei nachhaltig.
Aber nicht nur in den kleineren Einheiten besteht Nachholbedarf – auch bei vielen Großen ist noch viel Luft nach oben. Insbesondere deshalb, weil regelmäßig die Personalentwicklung von den Partnern weder mitgetragen noch gefördert wird.
Und mit guten Führungspersönlichkeiten und echten Team-Leadern steht und fällt alles. Niemand hat Lust, mit Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten, die zu keiner Wertschätzung fähig sind, sich nicht für die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter interessieren und mit der Haltung durch die Welt gehen, Mitarbeiter sollten in erster Linie dankbar sein. Wer noch in der Kategorie »Lehrjahre sind keine Herrenjahre« denkt, vertreibt junge High Potentials, denn die wissen heute schon sehr früh, was sie wollen und zu welchem Preis.
Innere Haltung und Wertewandel
Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Die Partnerriege verdünnt sich – die ehemaligen Rainmaker werden alt, das Marktwachstum nimmt ab. Die Bewerberzahlen sind gering – vielleicht auch, weil man sich gar nicht wirklich bemüht.
Selbst wenn man einen guten Namen in der Branche hat, ist eventuell der Internet-Auftritt so schlecht, dass schnell der Eindruck entsteht: In die Zukunft denkt hier niemand ernsthaft und »cool« ist es auch nicht, in dieser Kanzlei zu arbeiten. Dann wird vielleicht zusätzlich klar, dass die, die man für geeignet hält, gar nicht Partner werden wollen. Dafür stehen auf einmal andere in der Tür, die man überhaupt nicht für geeignet hält. Ein Dilemma und klares Zeichen dafür, dass Personalentwicklung im Sinne von Strategie noch nicht gelebt wird.
Und hier kommt wieder die innere Haltung ins Spiel: Wer heute noch glaubt, dass die Welt da draußen automatisch erkennen müsse, dass sich eine Bewerbung lohnt, irrt.
Die Zeiten haben sich geändert und insbesondere die sogenannten Ypsiloner (Millennials) reagieren nicht mehr nur auf Gehaltsanreize oder schlechte Stellenanzeigen. Sie haben hohe Erwartungen, wollen das Gefühl von Augenhöhe, Sinnhaftigkeit und Modelle, die Home Office genauso zulassen wie sie hervorragende Weiterbildungsprogramme bieten, die auch Geld kosten. Personal ist heute investitionsintensiver als früher.
Übrigens – bereits im Jahr 2020 werden mehr als 30 Prozent aller arbeitenden Menschen Millennials sein, also solche, die zwischen 1981 und 1998 geboren wurden.
Die Partner haben eine Schlüsselrolle
Ein strategisches Karrieremanagement kann nur erfolgreich sein, wenn Partner und Mitarbeiter zusammenspielen. Die Kanzlei wird in ihrer Organisationsstruktur deutlich gestört und nachhaltig geschwächt, wenn Partner mit mangelnder Führungskompetenz wirken. Diese Störung(en) und vor allen Dingen auch die nachhaltige Wirkung dieser Störungen wird unterschätzt.
Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich »Problem-Partner« in großen wirtschaftsberatenden Einheiten oder kleinen Kanzleien tummeln. Wenn Sie Choleriker am Start haben oder völlig empathielose Berufsträger, verbrennen Sie damit vorhandenes Personal und zukünftiges auch.
Nichts ist so glaubwürdig wie die sachlich formulierte Enttäuschung eines Mitarbeiters, der in Ihrer Kanzlei gekündigt hat. Gerade übrigens auch aus diesem Grund sollte man sich genau überlegen, wen man als Partner in die Kanzlei aufnimmt und wen nicht. Denn ein Partner ist immer auch ein Markenbotschafter und hat damit auch die Möglichkeit, durch sein Verhalten die Kanzlei nachhaltig zu schädigen.
Wege zum erfolgreichen Karrieremanagement in Kanzleien
Zunächst muss die Führungsarbeit der Partner sehr gut sein. Das bedeutet, dass der führende Partner als Mentor oder Karriere-Coach agiert. Er unterstützt bei der eigenen Definition von Zielen und ermöglicht Weiterbildungen.
Der Partner befähigt seinen Associate oder Mitarbeiter. Die Kanzlei als solche unterstützt. Sie kommuniziert klar die Kanzleiziele und die Wertewelt der Kanzlei sowie die potentiellen Partnerkriterien und fördert das persönliche Wachstum des Mitarbeiters.
Der Associate oder Mitarbeiter wird angehalten, seine Karriereziele zu formulieren. Er wird eingeladen, proaktiv zu agieren und kann eigene Produktideen oder Marktzugangsstrategien entwickeln. Hier ist es möglich, ein Budget für Maßnahmen festzulegen, über die der Associate am Ende des Jahres Rechenschaft ablegen muss.
Derzeit ist es so, dass sich Partner in Kanzleien noch sehr stark auf die eigenen und unmittelbaren Ziele konzentrieren, sich wenig »in der Pflicht« sehen und regelmäßig Entwicklungsangebote für die eigene Führungskompetenz belächeln. Mangel an Führung verhindert den Austausch mit High Potentials und blockiert deren Identifikation mit der Kanzlei.
Mit dem Wandel ins Handeln kommen
Was können nun Kanzleien tun, um High Potentials zu interessieren und dann zu entwickeln? Folgende Punkte helfen, bessere Bewerberzahlen zu erzielen und nachhaltig zufriedene und erfolgreiche Mitarbeiter zu gewinnen:
1. Definieren Sie Ihre Arbeitgeber-Marke und kommunizieren Sie diese klar. Wenn Sie das nicht können, lassen Sie sich von Profis in diesem Prozess begleiten.
2. Arbeiten Sie an der professionellen Anmutung Ihrer Kanzlei (zum Beispiel Homepage) und an der sympathischen und professionellen Sichtbarkeit der maßgeblichen Partner (Reputations-Management, Medienarbeit, Soziale Netzwerke).
3. Verbessern Sie das Matching, indem Sie nicht nur Ihre Forderungen formulieren, sondern auch potentielle Wünsche von künftigen Mitarbeitern in Stellenanzeigen aufgreifen (Flexibilität, Home-Office, Agilität).
4. Legen Sie sehr schnell die Entwicklungsmöglichkeiten von Mitarbeitern und Associates in Ihrer Kanzlei offen und formulieren Sie früh, was Sie von einem Partner in Ihrer Kanzlei erwarten (Partnerkriterien).
5. Bieten Sie die Möglichkeit, das eigene Engagement – auch unkonventionell – den Lebensphasen Ihrer Mitarbeiter anzupassen (Vereinbarkeit von Karriere und Familie).
6. Gehen Sie auf die individuellen Ziele Ihrer Mitarbeiter und Associates ein und bleiben Sie jederzeit im Gespräch.
Über die Autorin:
Liane Allmann
Dipl.-Betriebswirtin und Inhaberin
der Spezial-Agentur Kitty&Cie sowie
zertifizierte Competence-Trainerin
der Steinbeis-Hochschule Berlin