Venture Capital – Beratung an der Schnittstelle zwischen M&A, Gesellschaftsrecht und Finanzierung

von Dr. Tobias Kahnert, M.Jur. (Oxford), LL.B., Senior Associate am Münchener Standort der international tätigen Kanzlei Hogan Lovells.

Scheinbar mühelos schaffen Start-ups den Sprung von einer abstrakten Idee hin zu erfolgreichen – zum Teil weltweit agierenden – Unternehmen. Gründer bzw. Investoren bei dieser Entwicklung und einer sich ggf. anschließenden Exit-Transaktion zu begleiten, ist eine herausfordernde und spannende Aufgabe. Gerade für Berufseinsteiger, die eine anwaltliche Tätigkeit in einem dynamischen Bereich an der Schnittstelle zwischen allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Beratung, klassischem M&A-Geschäft und dem Finanzierungbereich anstreben, ist der Venture Capital-Bereich daher besonders reizvoll.

Etablierung des Venture Capital-Bereiches als eigenständiges Beratungsfeld

Venture Capital-Finanzierungen haben sich herausgebildet, da Gründer oftmals mit nicht mehr als einer (kapitalintensiven) Idee an den Start gehen und nicht über ausreichende Eigenmittel verfügen, um ihre Idee umzusetzen. Ebenso stehen in der Gründungs- und Entwicklungsphase traditionelle Finanzierungsmittel (wie z. B. Bankdarlehen) regelmäßig nicht zur Verfügung. Wenngleich einige Start-ups bereits nach kurzer Zeit eine – zum Teil mehrstellige – Millionenbewertung für sich reklamieren können, gestaltet sich die anfängliche Kapitalaufbringung daher oftmals schwierig. Mittel der Wahl ist dann die Finanzierung durch Wagniskapital privater Geldgeber, das im Rahmen von Finanzierungsrunden eingesammelt wird. Als Geldgeber kommen dabei neben Privatpersonen (Crowd Funding bzw. Business Angels) regelmäßig Venture Capital-Fonds/Gesellschaften oder etablierte Unternehmen in Betracht. Während bei Fonds die Renditemaximierung sowie die Risikominimierung durch breit gestreute Investitionen im Vordergrund stehen, investieren etablierte Unternehmen regelmäßig aus strategischen Gründen in Start-ups, um z. B. in neue Geschäftsfelder vorzudringen bzw. neue technologische Entwicklungen für sich nutzbar zu machen.

Im Jahr 2016 erhielten in Deutschland ca. 455 Start-ups Risikokapital. Das geschätzte Gesamtvolumen der Finanzierungsrunden belief sich auf rund EUR 2,2 Milliarden. Nicht zuletzt aufgrund der wachsenden gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Start-ups und der zum Teil erheblichen Volumina von Finanzierungsrunden und Exit-Transaktionen hat sich der Venture Capital-Bereich in den letzten Jahren als eigenständiges Beratungsfeld neben dem klassischen M&A- und Private Equity-Geschäft etabliert. Die Grenzen sind dabei freilich fließend.

Dynamisches Marktumfeld, vielfältige Beratungsaufgaben

Aus Beratersicht übt der Venture Capital-Bereich gerade deshalb eine besondere Faszination aus, da das Marktumfeld äußerst dynamisch ist, und die Beratungsfelder so unterschiedlich sind wie die potentiellen Mandanten und deren Interessen. Ein Beratungsschwerpunkt liegt naturgemäß auf der Transaktionsberatung bei Finanzierungsrunden, Anteilsverkäufen und Exit-Transaktionen. In diesem Zusammenhang ist es regelmäßig auch erforderlich, komplexe gesellschaftsrechtliche Fragen, z. B. bei der Gestaltung von Satzungen und Gesellschaftervereinbarungen, einer Lösung zuzuführen, um die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten (Gesellschaft, Gründer, Investoren, sonstige Finanzierungsgläubiger) in Einklang zu bringen.

Bei der Beratung von Gründerteams besteht die Möglichkeit, den Lebenszyklus eines Unternehmens von der Gründung über diverse Finanzierungsrunden bis hin zu einem Exit (Verkauf bzw. IPO) mitzuberaten und zu gestalten. In rechtlicher Hinsicht stehen dabei anfänglich Themen wie die Wahl der passenden Rechtsform, Identifizierung und Einhaltung möglicher regulatorischer Anforderungen sowie die Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Gesellschafter im Vordergrund. Dabei geht es nicht primär darum, standardisierte Problemfelder abzuarbeiten. Vielmehr ist es erforderlich, das Geschäftsmodell und das Marktumfeld eines jeweiligen Start-ups genau zu verstehen, um maßgeschneiderte Gesellschafts- bzw. Governance-Konzepte entwerfen zu können. Im Idealfall schließt sich an die erfolgreiche Expansion eines Start-ups nach verschiedenen Finanzierungsrunden eine Exit-Transaktion an, die üblicherweise als klassische M&A-Transaktion oder als Börsengang strukturiert ist.

Auf Investorenseite liegt der Beratungsfokus zunächst darauf, die Rahmenbedingungen der Investition bzw. die mit der Gesellschafterstellung einhergehenden Rechte und Pflichten klar und für den eigenen Mandanten möglichst vorteilhaft zu regeln. Typische Regelungen, die es im Rahmen von Finanzierungsrunden zu verhandeln gilt, betreffen einerseits die technische Abwicklung der Investition (Kapitalerhöhung/Anteilskauf ) sowie andererseits die Governance der Gesellschaft, bei deren Ausgestaltung regelmäßig insbesondere folgende Themen relevant sind: Besetzung der Leitungsorgane, Einflussnahmemöglichkeiten der Investoren, Andienungs- und Vorerwerbsrechte sowie Mitverkaufsrechte (tag-along) oder -pflichten (drag-along), Veräußerungsverbote (lock-up), Wettbewerbsverbote, Optionsprogramme, Regelungen zur weiteren Finanzierung der Gesellschaft, das Verfahren bei Exit-Transaktionen oder die Dividendenberechtigung der Anteilsinhaber (Liquidationspräferenz). Entwickelt sich das Unternehmen wie von den Investoren erhofft, rückt für die Berater schließlich die Beratung einer Exit-Transaktion in den Vordergrund.

Wer also als Berufseinsteiger eine Kombination aus Gesellschaftsrecht, Finanzierung und Transaktionsberatung gepaart mit einer Tätigkeit in einem dynamischen Marktumfeld sucht, sollte den Venture Capital-Bereich fast zwingend auf seine berufliche Agenda setzen.

Quelle JuS 7/2017