Spin-Off Kanzleien – der perfekte Weg für Einsteiger und Entscheidungsträger?

von Jan-Rasmus Schultz, Diplom-Jurist und Promotionsstudent an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Ob mit Weisner Partner in Hamburg, mit Eifler Grandpierre Weber in Frankfurt oder mit Jäger Heintel in München – vielerorts lässt sich der bereits seit der Jahrtausendwende vorherrschende Trend einer Abspaltung einzelner Anwälte aus Großkanzleien erkennen, die unter eigenem Namen firmieren und sich sodann auf einzelne Rechtsgebiete spezialisieren.

Die Motivation, eine sogenannte Spin-Off Kanzlei zu gründen und das sichere Fahrwasser innerhalb einer Großkanzlei zu verlassen, kann auf vielfältigen Gründen beruhen, ist jedoch oftmals von der bisherigen beruflichen Situation abhängig. So kann sowohl ein Partner als auch ein Berufseinsteiger Interesse daran haben, die vorgegebenen Strukturen innerhalb einer Großkanzlei zu verlassen, um unter eigenem Namen selbstständiger handeln zu können.

Der Wunsch nach mehr Unabhängigkeit

Es überrascht nicht, dass einer der Hauptgründe für eine Abspaltung von der Großkanzlei im Wunsch nach mehr Selbstständigkeit und damit nach einem größeren Entscheidungsspielraum besteht. Getreu dem Motto „von nun an bin ich mein eigener Chef“ streben derzeit zahlreiche Anwälte eine Abspaltung an, um außerhalb des starren Funktionsapparates einer Großkanzlei agieren zu können. Hierbei spielen sowohl zeitliche als auch fachliche Aspekte eine entscheidende Rolle: Insbesondere ist bei vielen Anwälten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wieder in den Vordergrund gerückt.

Trotz zuletzt erkennbarer Bemühungen bei Großkanzleien, dies zu berücksichtigen, so etwa durch das Einrichten von Home-Office Arbeitsplätzen oder die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf ein erträgliches Maß, stehen diese Maßnahmen in der Regel nicht an oberster Stelle.

Die Spezialisierung

Andererseits bietet eine Abspaltung fachlich die Möglichkeit, sich über die Spezialisierung innerhalb einer Großkanzlei hinaus auf ein Rechtsgebiet oder einen Kernbereich zu beschränken und die Mandate umfassend und über mehrere Jahre hinweg zu betreuen. Mit dieser fachlichen Ausrichtung auf einzelne Gebiete oder Bereiche trägt die Anwaltschaft nicht nur ihren eigenen Interessen Rechnung, sondern auch denen ihrer potentiellen Mandanten.

Schließlich wünschen sich immer mehr Mandanten eine umfassende Betreuung durch ihren Anwalt, der gleichzeitig Ansprech- und Vertrauenspartner ist, ganz im Gegensatz zu der Betreuung bei Großkanzleien, die zumeist durch ein Team beziehungsweise wechselnde Ansprechpartner erfolgt. Darüber hinaus profitieren sowohl die Anwälte als auch die Mandanten von dem im Vergleich zu einer Großkanzlei erheblich geringeren Bedarf an Mitarbeitern und Ausstattung, der zu einer allgemeinen Absenkung des Kostenniveaus führt. Ferner bietet eine Abspaltung den Anwälten die Möglichkeit, schneller in der Unternehmenshierarchie aufzusteigen.

Während man sich für den Aufstieg innerhalb einer Großkanzlei oftmals langwierig unter Beweis stellen muss und dies noch lange nicht bedeutet, dass man den begehrten Posten letztendlich auch erhält, gelingt der Aufstieg in kleineren Teams hingegen vergleichsweise schnell. Diesen Vorteilen stehen jedoch auch Nachteile gegenüber, die bei der Gründung einer Spin-Off Kanzlei nicht zu unterschätzen sind.

Mögliche Risiken

Im Vordergrund der Tätigkeit einer jeden Kanzlei und damit auch der Spin-Off Kanzlei steht die Gewinnung beziehungsweise Weiterführung von Mandaten und damit auch die wirtschaftliche Situation des Unternehmens.

Genau hier liegt das Risiko der Abspaltung einer Spin-Off Kanzlei vom Mutterunternehmen: Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg ist die Frage, ob ausreichend Mandate unabhängig vom Mutterunternehmen gewonnen werden können. Doch neben dieser Frage steht gleich zu Beginn einer jeden Abspaltung eine ganz andere Herausforderung, namentlich die Bewältigung der Gründungskosten.

Es müssen Räume angemietet, Personal eingestellt und Büro-Ausstattungen angeschafft werden; auch wenn es hierbei gelegentlich Unterstützung durch das Mutterunternehmen gibt, sind diese Kosten nicht zu verachten und stellen gerade junge Berufseinsteiger vor teils hohe finanzielle Hürden.

Die Einschränkung des künftigen Tätigkeitsfeldes auf das jeweils ausgewählte Gebiet stellt hingegen keinen Nachteil dar: Auf der einen Seite bietet die Spezialisierung auf ein Gebiet die Möglichkeit, Mandate langfristig zu begleiten und sich als gefragter Spezialist zu etablieren. Auf der anderen Seite besteht regelmäßig auch nach der Abspaltung noch eine enge Vernetzung zwischen dem Mutterunternehmen und der Kanzlei, sodass potentielle Mandate stets weitervermittelt werden können.

Zusammenfassend betrachtet stehen daher den zahlreichen Vorteilen überschaubare Risiken gegenüber. Die Gründung einer Spin-Off Kanzlei bietet somit sowohl Berufseinsteigern als auch langjährigen Mitarbeitern in Großkanzleien die Möglichkeit, sich eigenständig unternehmerisch am Markt zu etablieren. Da hiervon sowohl das Mutterunternehmen als auch die Spin-Off Kanzlei profitieren, wird sich der derzeitige Trend auch künftig weiter fortsetzen.

Quelle BECK Stellenmarkt 5/2018 und JuS 3/2018