Personalstrategie 2017 oder: Wo sind nur all die Juristen geblieben?

von Dr. Christoph Wittekindt, Leiter von Legal People Germany

Ausgangslage: Juristischer Arbeitsmarkt aktuell

Zu Beginn des Jahres 2017 präsentiert sich der juristische Arbeitsmarkt in Deutschland weiterhin in einer guten Verfassung: Es ist ein Arbeitnehmermarkt, d. h., sowohl angehende als auch berufserfahrene Juristen können bei entsprechender Qualifikation und Mobilität derzeit wählen, wo sie gerne arbeiten möchten. Dies gilt sowohl mit Blick auf Kanzleien, Unternehmen, aber auch sonstige Arbeitgeber wie Verbände, Vereine, ja sogar den öffentlichen Dienst, auch wenn dieser seinen eigenen Regeln und Gesetzen folgt.

Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Gehältern wider. Diese sind ebenfalls weiter gestiegen, vor allem bei Berufseinsteigern. Allerdings gibt es hier mittlerweile eine gefährliche Spreizung: Während die anglo-amerikanischen Kanzleien – und in ihrem Gefolge auch viele deutsche Großkanzleien – Berufseinsteigern 2017 zum ersten Mal € 140.000 (!) brutto als Fixgehalt zum Einstieg zahlen, ist es selbst bei größeren überörtlichen Kanzleien oder spezialisierten Boutiquen gerade mal die Hälfte. Und außerhalb der Metropolen wird dem Berufseinsteiger oft nur ein Drittel des Gehalts eines Associates einer Großkanzlei geboten.

Unternehmen können bei diesem Wettlauf derzeit nur schwer mithalten: Keines der DAX-Unternehmen offeriert derzeit seinen Juristen zum Einstieg ein sechsstelliges Fixgehalt. Selbst bei großen Mittelständlern muss sich der angehende Syndikusanwalt oft mit € 45.000 bis € 55.000 begnügen. Auf diesem Gehaltsniveau bewegen sich übrigens auch die „Big Four“, die großen StB/WP-Gesellschaften mit vereinzelten Ausnahmen. Verbände, Handelskammern, gemeinnützige Vereine, Verlage, aber auch kirchliche Arbeitgeber können da oft nicht (mehr) mithalten. Und der öffentliche Dienst muss mit anderen Vorteilen wie Arbeitsplatzsicherheit, Verbeamtung, Teilzeitfähigkeit des Arbeitsplatzes u. ä. werben.

Gleiches gilt übrigens für die Gehaltsentwicklung. Hier hat sich nicht viel geändert: Während die Gehälter in den Top-50-Kanzleien im zweiten bis sechsten Berufsjahr in der Regel stufenweise steigen, gibt es in Boutiquen oder kleineren Kanzleien solche Entwicklungen meist nicht. Gleiches gilt übrigens auch für die Rechtsabteilungen von Unternehmen, bei denen im Laufe der Jahre neben einem „Inflationsausgleich“ eine Bonuskomponente, fix oder variabel, zum Gehalt hinzukommt. Einen echten Gehaltssprung kann man nach wie vor nur bei einem Kanzlei- oder Unternehmenswechsel realisieren, der gut überlegt und verhandelt sein will.

Trends

Fragt man zunächst nach den Ursachen, kommen hier drei Trends zusammen:

Erstens geht seit mittlerweile acht Jahren sowohl die Zahl der Diplom-Juristen als auch die der Assessoren zurück, bewegt sich jedoch immer noch auf hohem Niveau. Mit einem Juristenmangel ist auf absehbare Zeit also nicht zu rechnen, der Rückgang der Absolventenzahlen wird aber anhalten.

Zweitens kommen auf die Juristen seit einigen Jahren neue Aufgaben zu, z. B. im Bereich Compliance, Datenschutz oder Legal Tech. Die immer weiter fortschreitende Spezialisierung schlägt sich auch in der größeren Zahl der Fachanwaltschaften und -anwälte nieder. Auch wenn wir in Deutschland nach wie vor noch weit von der Zukunftsvision eines Richard Susskinds (Tomorrow’s Lawyers) entfernt sind.

Drittens waren viele Kanzleien, aber auch Unternehmen, bei der Einstellung in den letzten Jahren zurückhaltend, Kostenoptimierung ging oft vor Expansion. Und es gab zahlreiche „spin-offs“, also Anwälte, die den Großkanzleien den Rücken zugekehrt und sich unter eigenem (Phantasie-)Namen selbstständig gemacht haben.

Bei Unternehmen wurden zudem an externe Rechtsanwälte „ausgelagerte“ Funktionen wieder in die Rechtsabteilung „zurückgeholt“. Und es herrschte bei den Syndikus-Anwälten Unsicherheit wegen ihres Status; diese Unsicherheit ist seit Inkrafttreten des Syndikus-Rechtsanwaltsgesetzes im letzten Jahr nunmehr beseitigt.

Was also ist 2017 zu tun?

Empfehlungen

1. Das Recruiting professionalisieren!
Eine Binsenweisheit, die nach wie vor sowohl von Unternehmen wie Kanzleien nicht immer beherzigt wird. Die Delegation dieser Aufgabe auf letztlich nicht entscheidungsbefugte, zudem teure (Teilzeit-)Personaler oder Sekretärinnen („Office Manager“) bringt nichts. Diese Aufgabe „outsourcen“, externe Dienstleister in Anspruch nehmen. Einmalige Kosten, immer günstiger.

2. Die Braut aufhübschen!
Nur attraktive Arbeitgeber können derzeit geeignetes juristisches Personal gewinnen. Visitenkarte und erste Anlaufadresse für Arbeitnehmer – und das fängt schon bei den Jura-Studenten an – ist die Internetseite des künftigen Arbeitgebers. Hier liegt trotz enormer Fortschritte immer noch vieles im Argen: Wer sind wir („brand“)? Was unterscheidet uns als Arbeitgeber von den anderen („unique selling point“)? Eine Karriere-Seite auf der Homepage mit Verweis auf die Möglichkeit einer Online-Bewerbung („Bologna-Zwangsjacke“) wirkt da gerade bei angehenden Juristen eher abschreckend.

3. In Alternativen denken!
Es gibt bereits heute Alternativen zur klassischen Personalgewinnung: Interims-Juristen, also erfahrene Juristen auf Zeit, decken immer öfter Engpässe sowohl in Unternehmen wie auch in Kanzleien ab und nehmen Sonderaufgaben war, die mit den vorhandenen Ressourcen nicht oder nicht mehr abgedeckt werden können. Sie sind im Zweifel nicht nur günstiger, sondern auch erfahrener als die „Secondees“, ins Unternehmen abgeordnete Jungspunde aus Großkanzleien, zumal für sie keine Arbeitsstelle geschaffen werden muss. Und für die „document review“ und die „novation deeds“ reicht vielleicht auch der diplomierte Wirtschaftjurist (FH) aus...

Foto oben: Pixabay

Quelle BECK Stellenmarkt 1/2017