Unternehmensjuristen sehen sich durch die tägliche Arbeit in der Nähe zum operativen Geschäft nicht nur stetig mit neuen Herausforderungen konfrontiert, sondern auch mit neuen Chancen. Laut der jüngsten JUVE In-house-Umfrage gilt in deutschen Rechtsabteilungen für Syndizi nunmehr neben höheren Anforderungen auch ein höheres Tempo, verbunden mit einem entsprechend höheren Risiko.
Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, welche Anforderungen die Unternehmen in Bezug auf ihre Juristen haben. Umgekehrt stellt sich die Frage, welche Karriereziele diejenigen Juristen verfolgen, die nach einigen Jahren Berufserfahrung in der Kanzlei den Weg ins Unternehmen gehen. Welche Wachstumsmärkte versprechen hier aussichtsreiche Karrierechancen?
In diesem Rahmen konnte in den letzten Monaten besonders der Markt im Bereich der Warranty & Indemnity Insurance (W&I) für M&A-Transaktionen einen besonderen Bedarf an Juristen verzeichnen und stellt damit ein solches dynamisches und chancenreiches Umfeld dar.
Zum Begriff und Nutzen der W&I-Versicherung
Das Instrument der W&I-Versicherung (zu deutsch: Umfang und Ausgestaltung von Garantien & Freistellungen) stammt aus dem anglo-amerikanischen Markt und ist dort bereits seit Anfang der 1990er fester Bestandteil der Transaktionspraxis. Für den deutschen M&A-Markt gilt dies umso mehr – ist dieser doch extrem verkäuferfreundlich, da sich der Käufer im deutschen M&A-Geschäft nicht nur stets im Wege der „Due Diligence“-Prüfung über das zu erwerbende Unternehmen zu informieren hat, sondern Transaktionen zumeist auch mit wirtschaftlicher Rückwirkung auf einen in der Vergangenheit liegenden Bilanzstichtag abgeschlossen werden, von welchem an die ökonomischen Chancen und Risiken bereits auf den Käufer übergehen, obwohl er noch nicht Inhaber des Unternehmens ist und darüber Kontrolle ausüben kann („Locked Box“-Prinzip). Die W&I-Versicherung kann hier die Brücke zwischen den widerstreitenden Interessen schlagen, in dem ein (meist global) tätiges Versicherungsunternehmen gegen eine Prämie (das jeweils verhandelte) Risiko übernimmt und damit oft den Abschluss der Transaktion überhaupt erst möglich macht.
Zum Berufsfelds des Underwriters
In den vergangenen drei Jahren ist der Bedarf für W&I-Versicherungen am deutschen M&A-Markt merklich gestiegen (und die Versicherungen kostengünstiger sowie flexibler geworden) und so verzeichnen auch die – meist separat von der jeweiligen Rechtsabteilung – bestehenden Underwriting-Abteilungen bei internationalen Versicherern sowie den Brokern einen stetig wachsenden Bedarf an gut ausgebildeten Juristen. Doch was muss der Jurist in der Position des Underwriters mitbringen und welche Chancen bietet dieses vergleichsweise neue Berufsfeld?
Zunächst einmal ist eine mehrjährige Tätigkeit in einer international tätigen Anwaltskanzlei mit einem Fokus auf M&A-Transaktionen jedweder Größenordnung unabdingbar. Nur so ist man als Underwriter in der Lage, eine umfängliche Risikoprüfung anhand der jeweiligen Dokumentation durchzuführen. Viel wichtiger ist dieses Wissen jedoch im nächsten Schritt des Underwritings: Der Verhandlung der Versicherungspolice zwischen Verkäufer bzw. Käufer und Versicherer. Hier zeigt sich, ob der Jurist mit Garantieklauseln und Haftungsausschlüssen umgehen und so mit dem Counsel oder Partner der mit dem Mandat betrauten Kanzlei auf Augenhöhe agieren kann. Fließende Englischkenntnisse und ein entsprechendes Auftreten im Umgang mit den Juristen der Gegenseite unterscheiden hier den guten vom durchschnittlichen Underwriter. In der Konsequenz hat ein Underwriter somit mit dem klassischen In-house Juristen mit in der Regel guter Work-Life-Balance eher wenig gemeinsam – darin liegt Herausforderung und Chance zugleich. So gibt z. B. auch auf der Seite des Versicherers die Transaktion selbst das Tempo vor: Die Versicherer werden teils bereits sehr früh in die Transaktion mit einbezogen, manchmal tritt man aber auch erst an sie heran, wenn der Abschluss der Transaktion zu scheitern droht und man nur über den Weg der W&I-Versicherung einen Interessenausgleich zwischen Käufer- und Verkäuferseite herstellen kann. In beiden Szenarien ist bereits im Bieterprozess unter den Versicherern eine schnelle und juristisch einwandfreie Einschätzung des rechtlichen Risikos gefragt – und auch hier wird deutlich, welche Marktteilnehmer sich genau aus diesem Grund in der Kürze der Zeit eine dominante Position erobert haben. Letztlich ist gerade in einem Wachstumsmarkt das Vorantreiben des „business development“ ein nicht zu vernachlässigender Teil des Jobs und bietet die Chance, eine anerkannte Größe zu werden. Wer in der Kanzlei nach drei bis fünf Jahren das Ende der Karriereleiter bereits erkennen kann, hat in der Position des Underwriters auf der richtigen Plattform durch die Verbindung von brillanten juristischen Kenntnissen mit organisatorischen und Management-Fähigkeiten dieser Tage die Chance auf eine spannende und vielschichtige Karriere und stellt damit unter Beweis, wie vielseitig ein guter Jurist tatsächlich einsetzbar ist.