Das Fachanwaltsgebiet des Bau- und Architektenrechts – Ein Überblick

von Jan-Rasmus Schultz, Diplom-Jurist und Promotionsstudent an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Nicht zuletzt aufgrund des niedrigen Zinsniveaus werden derzeit deutschlandweit unzählige Bauprojekte geplant und umgesetzt. Bei einem Blick auf die enorm gestiegenen Mietpreise sowohl in Städten wie München, Hamburg oder Berlin als auch in ländlicheren Regionen zeigt sich, dass die Immobilie als Anlageobjekt floriert und die Nachfrage entsprechend hoch ist. Hiervon profitieren nicht nur Bauherren und -unternehmer, sondern auch Fachanwälte für das Bau- und Architektenrecht.

Die Bandbreite der baulichen Vorhaben reicht hierbei von kleinen, privaten Projekten bis hin zu der bauplanungsrechtlichen Gestaltung ganzer Regionen. Ebenso vielfältig wie die Bandbreite der Bauvorhaben ist die der anwaltlichen Aufgabenbereiche: Sie reicht von der beratenden Tätigkeit in der Planungsphase über die Ausgestaltung baulicher Verträge bis hin zu der Durchsetzung etwaiger Schadenersatzansprüche nach der Fertigstellung eines Bauprojektes und wird sowohl durch Normen des Privatrechts als auch durch solche des öffentlichen Rechts geprägt.

Das private Baurecht

Das private Baurecht umfasst sämtliche Rechtsbeziehungen der am Bauvorhaben beteiligten Privatpersonen, ist vornehmlich im Bürgerlichen Gesetzbuch statuiert und wird beispielsweise durch die Nachbarschaftsgesetze der Bundesländer ergänzt.

Im Mittelpunkt einer dem privaten Baurecht entspringenden Streitigkeit steht nicht selten die Beziehung zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer des Bauprojektes, die beispielsweise durch eine fehlerhafte Bauplanung, eine Verzögerung während der Bauphase oder etwaigen Mängeln an dem realisierten Projekt beeinträchtigt werden kann. Ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe einer der beiden Parteien aus einer Pflichtverletzung im Rahmen der werkvertraglichen Rechtsbeziehung Ersatzansprüche erwachsen, ist vornehmlich in den § 631 fortfolgende BGB normiert.

Von entscheidender praktischer Bedeutung ist hierbei oftmals die Beurteilung der Frage, ob das jeweilige Bauwerk frei von Sach- und Rechtsmängeln verschafft worden ist. Da die Beantwortung dieser Frage regelmäßig nur durch eine fachkundige Person erfolgen kann, spielen gutachterliche Stellungnahmen im Bereich des privaten Baurechts oftmals eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus stellt die Vergütung des  Auftragnehmers, sowohl hinsichtlich des Zeitpunktes als auch in Bezug auf die Höhe der Zahlung, oftmals den Gegenstand einer Streitigkeit des privaten Baurechts dar.

Insbesondere bei umfangreichen Bauvorhaben kann zudem eine Vielzahl an Unternehmen, Tochtergesellschaften oder Bauträgern an der baulichen Rechtsbeziehung beteiligt sein, so dass der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht auch mit den Strukturen und Problemen des Gesellschaftsrechts vertraut sein sollte.

Das öffentliche Baurecht

Im Gegensatz zum privaten Baurecht wird das öffentliche Baurecht von planungs- und ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten geprägt. Es enthält Regelungen und Einschränkungen, denen die bauliche Nutzung im öffentlichen Interesse unterworfen ist und die gewährleisten, dass die städtebauliche Entwicklung unter Berücksichtigung und Abwägung sämtlicher relevanter Umstände erfolgt und bei vorhandenen Interessenkonflikten ein angemessener Ausgleich stattfindet.

Zu den in diese Gesamtbetrachtung einzubeziehenden Umständen gehört insbesondere der Umweltschutz, die Berücksichtigung bereits vorhandener Bebauung sowie die geplante Nutzung des baulichen Gebietes. Anhand der Regelungen des öffentlichen Baurechts hat der Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht beispielsweise zu prüfen, ob eine von dem Mandanten geplante oder beantragte Nutzungsart und Bebauung des jeweiligen Grundstücks zulässig ist. Diese Zulässigkeitsprüfung untergliedert sich in einen formellen und einen materiellen Teil, wobei der Schwerpunkt oftmals im Rahmen der formellen Prüfung liegt und von dem Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht erfordert, dass er die Genehmigungsfähigkeit des baulichen Vorhabens erwirkt.

Die Prüfung der Zulässigkeit eines Bauvorhabens im formellen und materiellen Sinn ist hierbei nicht auf den Fall beschränkt, dass ein Bauvorhaben realisiert werden soll, sondern findet auch dann Anwendung, wenn die Art der Nutzung einer vorhandenen Bebauung wesentlich verändert werden soll. Unabhängig von der konkreten Fallgestaltung erfordert die anwaltliche Tätigkeit daher die sichere Kenntnis der einschlägigen planungsrechtlichen Vorschriften.

Das Architektenrecht

Als notwendige Ergänzung zum Bereich des privaten und des öffentlichen Baurechts stellt das Architektenrecht ein Rechtsgebiet dar, dessen Schwerpunkt im Vertragsrecht liegt.

Da der Architekt bereits zu Beginn eines Bauvorhabens in Planung und Ablauf der einzelnen baulichen Maßnahmen involviert ist, treffen ihn eine Vielzahl von Rechten und Pflichten, die gegebenenfalls Anlass für eine Rechtsstreitigkeit geben können. Zu den Streitpunkten zählen hierbei vornehmlich die Überwachungspflichten des Architekten während des Bauvorhabens, die Frage nach einer Haftung des Architekten für Pflichtverletzungen sowie die Höhe der Vergütung.

Zusammenfassend betrachtet erfordert das Fachgebiet des Bau- und Architektenrechts somit zwar die Fähigkeit, Streitpunkte rechtsgebietsübergreifend auszuräumen, belohnt dafür jedoch mit einer überdurchschnittlichen Vergütung und einer vielfältigen Aufgabenstellung.

Foto oben: Giuseppe Porzani/stock.adobe.com

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Quelle BECK Stellenmarkt 21/2017