Wer kennt es nicht? In der Lieblingsfernsehsendung begibt sich der Anwalt in den Außeneinsatz und übt im Auftrag seines Mandanten Überwachungstätigkeiten aus, versteckt aus dem Fahrzeug heraus fotografiert er die ehebrüchige Gegnerin, um unverzüglich seinem Mandanten telefonisch von seinen Observationen zu berichten und entsprechende Maßnahmen anzuregen. Dass dies doch herzlich wenig mit der Realität in einer Kanzlei zu tun hat, ist nicht jedem klar.
Niemand kennt die tatsächlichen Tagesabläufe des Kanzleibetriebes besser als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte. Sie sind die rechte Hand des Anwalts und/oder Notars, das Rückgrat der Kanzlei, das offene Ohr für die ratsuchenden Mandanten. In stressigen Situationen bewahren sie Ruhe, behalten den Überblick und suchen bestmögliche Lösungen, um den Rechtsanwälten/innen und Notaren/innen den Rücken freizuhalten und den Interessen der Mandanten gerecht zu werden.
Üblicherweise üben sie ihre Tätigkeiten im Rahmen eines Teams, teilweise auch als Einzelkämpfer aus. Die Arbeiten werden in der Regel vor dem Rechner am Schreibtisch erbracht, wobei auch hier vermehrt aktuelle Entwicklungen hinsichtlich des mobilen Arbeitens und der gesundheitsfreundlichen Möglichkeit von Steharbeitsplätzen in den Kanzleien Einzug finden.
Kein Arbeitsplatz ist wie der andere und genau das macht diesen Beruf so anspruchsvoll und vielseitig. Arbeitet man beim Fachanwalt für Familienrecht im zweiten Stock, benötigt man vertiefte Kenntnisse im Familienrecht nebst einschlägiger Fristen, der entsprechenden Gegenstandswert- und Gerichtskostenberechnung, der Möglichkeiten der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe und auch den besonderen Vollstreckungsmöglichkeiten bei Unterhaltspfändungen. In der großen Wirtschaftskanzlei um die Ecke stehen das Arbeitsrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht im Vordergrund. Auch hier müssen verlässlich die speziellen Fristabläufe überwacht und eingehalten werden, Reisen und Termine wollen koordiniert, Verträge vorbereitet und Zeithonorare erfasst und abgerechnet werden.
Im Notariat arbeiten die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten überwiegend selbständig. Je nach Qualifikation und persönlicher Neigung werden Urkunden unter Beachtung der geltenden gesetzlichen Bestimmung selbständig abgewickelt und abgerechnet oder sogar komplexe Vertragswerke, von Kauf- und Gesellschaftsverträgen bis zu Umwandlungen oder Erb- und Eheverträge, selbständig zur Beurkundung vor- und nachbereitet. Dies geschieht oft in direktem Kontakt mit den Mandanten und immer in enger Zusammenarbeit mit den Notaren. Ein wirklich spannender Bereich mit hoher Verantwortung, der sich oft auch in dem erzielbaren Gehalt ausdrückt.
In den letzten Jahren stiegen nicht zuletzt aufgrund des elektronischen Rechtsverkehrs insbesondere auch die technischen Anforderungen an einen Kanzleibetrieb und damit auch an denen der Fachangestellten. Immer mehr sind bei den Fachangestellten Kompetenzen im Bereich der Kommunikationstechnik, EDV, Datenschutz und Social Media gefragt.
Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte sind aufgrund ständiger Veränderungen in ihren Kernbereichen, z. B. aufgrund Gesetzesänderungen, aktueller Rechtsprechung und technischer Entwicklung, immer wieder auf entsprechende Fortbildungsmaßnahmen angewiesen, um die an sie und sich selbst gestellten Erwartungen zu erfüllen.
Ausbildung
Die i. d. R. dreijährige duale Ausbildung vereint an sich zwei Ausbildungsberufe in sich, nämlich den der Rechtsanwaltsfachangestellten als auch den der Notarfachangestellten. Vor der Entscheidung für diesen Ausbildungsberuf der im Bereich des Anwaltsnotariats angeboten wird sollten sich Interessenten fragen, ob sie ein paar grundlegende Anforderungen erfüllen.
In Kanzleien herrscht gewöhnlich reger Mandantenverkehr, eine ältere Mandantin gibt Unterlagen zu ihrem Fall ab, ein verzweifelter Mandant benötigt einen dringenden Termin, weil er heute überraschend die Kündigung seines Mietvertrages erhalten hat, und im Wartezimmer warten vier Personen angespannt auf den Termin zur Unterzeichnung des Kaufvertrages. Mit all diesen Menschen sollten sie sowohl persönlich als auch telefonisch sowohl freundlich als auch souverän umgehen und ihnen den bestmöglichen Eindruck von Ihrer Kanzlei vermitteln können. Dass es dabei auch mal stressig werden kann, ist keine Seltenheit, doch auch hier sollten Sie Ruhe bewahren und höflich bleiben. Um für Ihren Ausbildungsbetrieb die bestmögliche Unterstützung leisten zu können, ist es natürlich auch von Vorteil Organisationstalent zu besitzen, Verantwortungsbewusstsein, Sorgfalt und die Fähigkeit zum logischen Denken sind weitere wichtige Bausteine.
Auch wenn kein bestimmter Schulabschluss vorausgesetzt wird, legen Kanzleien natürlich Wert auf eine angemessene Allgemeinbildung und gute Noten in bestimmten Bereichen. So ist aufgrund der Vielzahl an Kommunikation und Korrespondenz mit Mandanten, Gegnern, Behörden, Gerichten als auch vielen weiteren Dritten ein sicherer Umgang mit der deutschen Sprache sowohl in Wort als auch Schrift unerlässlich. Nicht zuletzt seit der Novellierung der Ausbildungsverordnung rücken auch erweiterte Kenntnisse der englischen Sprache und deren sichere und korrekte Anwendung immer mehr in den Vordergrund.
Weiterbildung
Wer höhere Stufen der Karriereleiter erreichen möchte, wird nicht umhinkommen, sich früher oder später sowohl über die Weiterbildung zum/zur geprüften Rechtsfachwirt/in oder Notarfachwirt/in zu informieren, als auch über die Studienmöglichkeit mit Bachelorabschluss.
Geprüfte Fachwirte sind verstärkt in der Lage, unterschiedlichste Aufgabenfelder innerhalb der Kanzlei, die unter die nichtjuristischen Aufgabenfallen, selbständig zu bearbeiten.
Sie analysieren die betriebswirtschaftlichen Strukturen des Kanzleibetriebes und optimieren die Organisation des Büromanagements. Sie planen die Personalbeschaffung, gestalten Arbeitsverträge, übernehmen Führungsaufgaben bis hin zur fachlich fundierten Berufsausbildung. Weitere Themengebiete sind die eigenverantwortliche Betreuung des gerichtlichen Mahnverfahrens, die etwaig folgende Überleitung in das Streitverfahren nebst vorhergehender sachbezogener Recherche. Auch ist eine Spezialisierung möglich, z. B. hinsichtlich der umfassenden Vertragsgestaltung, dem Entwerfen der Anträge im Liegenschafts- und Grundbuchrecht, Vorbereitung von Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelschriften sowie des jeweils einschlägigen Berufsrechts.
So mancher Fachwirt verfügt im Vollstreckungsrecht als auch im Kosten- und Gebührenrecht über fundiertere und hoch spezialisierte Kenntnisse. Üblicherweise ist dies auch mit einer entsprechen-den Leitungsposition und angepasster Vergütung verbunden.
Auch die Möglichkeit eines, auch berufsbegleitenden, Studiums mit dem staatlichen Hochschulabschluss Bachelor of Laws (LL.B) steht sowohl Rechtsfachwirten als auch Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten mit (Fach-)Hochschulreife offen.
Neben dem ursprünglichen Tätigkeitsbereich in Rechtsanwaltskanzleien und Notariaten sind Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte aufgrund ihrer vielseitigen und qualifizierten Ausbildung in der Wirtschaft, unter anderem auch bei Inkassobüros, in Mahnabteilungen größerer Unternehmen, Banken, Sparkassen und Versicherungen sowie Behörden sehr gefragt.
Definitiv also ein Beruf mit Zukunft.
Über die Autorin:
Maria Karehnke
für den Reno Bundesvorstand
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