Professionelle IT-Strategien in mittelständischen Kanzleien

von Uwe Horwath

Partner in mittelständischen Kanzleien, die den Wandel der IT-Landschaft Ihrer Kanzlei verantworten, sind Teilzeit- Projektmanager. In dieser Funktion müssen sie Ziele definieren, den Auswahlprozess koordinieren, die Einführung neuer Tools organisieren und alle Beteiligten in der Kanzlei – von den Entscheidungsträgern bis zu den Anwendern – mitnehmen. Das bindet viel Zeit und Energie.

Umso wichtiger ist es, dass die Projekte professionell koordiniert werden. Denn IT-Projekte, die Stückwerk sind, haben ein großes Frustrationspotential. Sie kosten Geld, Zeit und im schlimmsten Fall wird am Ende eine Software eingeführt, die nicht auf die Bedürfnisse der Kanzlei antwortet oder nicht angenommen wird.

1. Die typischen Projektphasen bei der Einführung neuer Tools

a. Bestandsanalyse

Der Anfang eines jeden IT-Projekts ist die Bestandsanalyse. Digitale und analoge Workflows in der Kanzlei werden analysiert. Welche Prozesse haben sich bewährt? Wo unterstützt Software bereits jetzt die Prozesse sinnvoll? Wo bestehen Defizite und dringender Handlungsbedarf? Wo befinden sich die Workflows, deren Digitalisierung oder Automatisierung besondere Chancen bietet?

b. Gestaltung

Auf Grundlage der Bestandsanalyse werden einzelne Digitalisierungsprojekte definiert. Hierzu gehört eine möglichst präzise Definition der Projektziele. Es wird ein Anforderungskatalog für die Zielerreichung auf funktionaler Seite aufgestellt, Umsetzungsstrategien werden erarbeitet. Für mehrere im Raum stehende Projekte muss eine Nutzenanalyse erstellt werden, damit diese richtig priorisiert werden.

c. Umsetzung

In der Umsetzungsphase wird das Marktangebot sondiert. Lösungsansätze für die zuvor definierten Anforderungen werden skizziert und das Marktangebot evaluiert. Nicht selten werden in dieser Phase des Projekts die Möglichkeiten beleuchtet, eigene Tools zu entwickeln und an die genutzte Standardsoftware anzubinden. Dem Auswahlprozess schließt sich die Vorbereitung der Softwareeinführung an.

Auf dem Weg zum Go-live stehen neben der Datenmigration das Customizing und die Anbindung der neuen Software an vorhandene Tools im Mittelpunkt. Hier fließen die Erkenntnisse aus der Bestandsanalyse unmittelbar ein. Die Dokumentation und die interne Kommunikation sind in dieser Projektphase entscheidend dafür, dass der Wechsel möglichst reibungslos funktioniert und die neue Software in der Kanzlei eine möglichst hohe Akzeptanz erfährt. Professionelle IT-Strategien in mittelständischen Kanzleien

2. Typische Problemfelder

Ein systematischer Blick auf die in der Kanzlei etablierten Workflows und Tools ist die Grundlage für die Definition der entscheidenden Anforderungen und Funktionsbereiche. Jedes eingesetzte Tool hat oder hatte zumindest einmal seine Berechtigung. Entscheidend ist zu erkennen, welchen Nutzen das Tool konkret schafft, welche Schwächen es hat und welche Funktionen auch in Zukunft unverzichtbar sind. Oft deckt gerade die Betrachtung der sukzessive hinzugekommenen Insellösungen wichtige Problemfelder auf.

• So stellt das Aufgabenmanagement innerhalb der Mandatsbearbeitung oft eine große Herausforderung dar. Die Definition von Aufgaben, das Controlling der Aufgabenumsetzung und die interne Kommunikation bei der Mandatsbearbeitung finden meist außerhalb der eigentlichen Akte statt.

• Das Wissensmanagement der Kanzlei muss geeignet sein, den Abstimmungsaufwand zwischen Partner und Associates zu reduzieren. Es muss die Ausbildung der Junganwält*innen unterstützen und sie befähigen, Mandate weitgehend selbständig zu bearbeiten.

• Textbausteine, Muster und Obersatzstrukturen werden sehr aufwändig und ineffizient verwaltet und eingesetzt. Strukturierte Daten werden mit großem Aufwand in Standardschreiben verwertet.

• Viele „händische“ Prozesse kosten viel Zeit. Hierzu zählt vor allem der Papierumlauf bei der Tagespost, die Ablage von Scans zu der elektronischen Akte sowie die Finalisierung von Schriftsätzen samt Anlagen für den beA Versand.

3. Einige Lösungsansätze zur Veranschaulichung

Die Integration einer Aufgabenverwaltung, eines Workflow-Tools oder einer Kollaborationsplattform in die elektronische Akte unterstützt die arbeitsteilige Mandatsbearbeitung. Über Schnittstellen zu Wissensmanagement-Tools kann Kanzleiwissen in der Mandatsbearbeitung aktiviert werden. Die Integration eines professionellen E-Mail-Managements hebt die Grenze zwischen Outlook und der elektronischen Akte auf. Tools zur Dokumentenautomation reduzieren den Aufwand repetitiver Tätigkeiten.

Grundlage wird immer ein modernes Kanzleimanagementsystem, das die Abläufe im Sekretariat optimal unterstützt und eine elektronische Akte oder besser: ein Dokumentenmanagementsystem sein, das spezifisch für die anwaltliche Aktenarbeit entwickelt wurde.

Entscheidend ist das Big Picture

Die optimale Auswahl der einzelnen Tools wird sich nie auf eine funktionale Betrachtung beschränken können. Entscheidend wird immer mehr sein, dass es gelingt Spezialanwendungen in ein stimmiges Gesamtbild zu integrieren. Denn die Anforderungen in Kanzleien werden immer spezifischer. Die Annahme, dass alle mit einem einzigen Tool erfüllt werden, wird enttäuscht werden.

Deswegen ist unerlässlich, die Schnittstellenfähigkeit der einzelnen Tools zu beleuchten und das Big Picture für die eigene Kanzlei im Kopf zu haben, ehe man sich für ein einzelnes Tool entscheidet.

 

Über den Autor:

Uwe Horwath
Rechtsanwalt und Product Owner von METHODIGY, dem Strukturierungstool für Juristen
Er berät Kanzleien regelmäßig in Digitalisierungsfragen. Die Verbindung moderner Tools zu individuellen Gesamtlösungen sollte heutzutage kein Problem mehr darstellen