Schäden an Gebäuden der 70er Jahre – nicht immer ein Mangel

von Dipl.-Ing. Rosemarie Ambiel

Derzeit rücken Gebäude aus den 70er Jahren stärker in den Fokus der Sachverständigenpraxis. Mit dem Generationenwechsel innerhalb der Familien geht auch häufig ein Eigentümerwechsel der Immobilien einher. Fragen zu Schäden an diesen Gebäuden bestimmen neben Fragen zu Schäden an Neubauten die tägliche Sachverständigentätigkeit.

Für den technischen Laien entsteht schnell der Eindruck, dass hinter jedem Schaden zwangsläufig ein Mangel stehen muss. Hier ist die frühe Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Sachverständigen sinnvoll. Der Sachverständige für Schäden an Gebäuden kann sicher beurteilen, ob ein technisches Versagen aufgrund des Alters des Baustoffes gegeben ist oder ob tatsächlich Fehler in der Planung und Ausführung des entsprechenden Baujahres ursächlich waren.

Es stellt sich folgende Frage: Gibt es denn typische Schadensbilder an diesen Gebäuden? Dieser Frage wird nachfolgend anhand einzelner Bauteile nachgegangen.

Keller

In den 70er Jahren wurden tragende Wände noch auf Streifenfundamenten errichtet. Der Fußbodenaufbau erfolgte zwischen den Wänden. Eine, wie heute üblich, durchgehende Betonbodenplatte gab es meist nicht. Die horizontale Abdichtung beschränkte sich zu Beginn der 70er Jahre auf eine Trennlage innerhalb des Mauerwerks, die vertikale Abdichtung erfolgte bereits an den Außenwänden. Die Abdichtungen bestanden zu Beginn der 70er Jahre noch aus teerhaltigem Material, welche ihre technische Lebensdauer heute bereits erreicht haben.

Feuchtigkeitsschäden finden sich in den Kellern der 70er Jahre recht häufig an den Außenwänden und im unteren Bereich der Innenwände. Hier ist zu erwähnen, dass Feuchtigkeit im Keller nicht zwangsläufig bereits als Schaden, den es instand zu setzen gilt, angesehen werden muss. Hier ist eine sachverständige Auseinandersetzung unabdingbar.

Die Abwasserleitungen dieser Baujahre verlaufen zwischen den Streifenfundamenten. Die Rohrleitungen sind meist durch Scherben- und Rissbildungen beeinträchtigt. Eine Sanierung ist kostspielig, da die Leitungen unter dem Gebäude verlaufen und kaum zugänglich sind.

Außenwand

Die Außenwände verfügen bereits über erste Dämmebenen, meist mit vergleichsweise dünnen Dämmstoffdicken. Teilweise sind auch Fertigbauweisen eingesetzt worden. Die industrielle Bauproduktion findet in öffentlichen Gebäuden, Schulen und Wohnheimen erste Anwendungsgebiete. Die vorgehängte Betonfassade kommt in Mode.

Typische Schadensbilder sind hier Betonabplatzungen und Korrosion. Unterschiedliche fachgerechte Betoninstandsetzungenverfahren bestimmen den Umgang mit den Betonkonstruktionen aus dieser Zeit. Risse und Abplatzungen gehören zu den üblichen Putzschäden im Innenbereich.

Dach

Im Dachaufbau des Steildaches wurden unterschiedliche Folien verarbeitet. Die Folien haben ihre technische Lebensdauer bereits überschritten. Die Zersetzung findet innerhalb des Dachaufbaus statt und wird erst durch Folgeschäden erkennbar. Es kommt zu Einregnungsschäden. Feuchteränder sind an der innenliegenden Holzverschalungen zu erkennen.

Schadstoffe

In den 70er Jahren wurde Asbest in Faserzementplatten, aber auch in Dichtstoffen und Innenputzen verarbeitet. Mineralwolledämmung hatte kanzerogene Fasern kritischer Länge. Bis Mitte der 70er Jahre bestanden Teerpappen noch aus PAK-haltigen Teer, ebenso der Parkettkleber. PAK bedeutet polyzyklische aromatische

Kohlenwasserstoffe und diese können noch heute die Raumluft beeinträchtigen. Weiter finden sich in den Fertighäusern der damaligen Zeit chemische Holzschutzmittel, darunter Lindan, DDT und PCP. Formaldehyde finden sich in den Spanplatten der Fertighäuser. Schadstoffbelastung ist ein großes Thema der Gebäude aus dem 70er Jahren.

Zum Schluss bleibt zu sagen, dass es sich nicht bei jedem Schaden am Gebäude auch grundsätzlich um einen Mangel handeln muss. Der Mangelbegriff bleibt selbstverständlich den Juristen vorbehalten. Eine gute und frühzeitige Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Sachverständigem kann mitunter einen Rechtsstreit vermeiden.

Über die Autorin

Dipl.-Ing. Rosemarie Ambiel
von der Industrie- und Handelskammer
Darmstadt für das Fachgebiet Schäden an
Gebäuden öffentlich bestellt und vereidigt

Quelle NJW 14/2020