"Günstiger" Privatbau steigert Haftungsrisiken

von Alexander Dupp

Aus Gründen von Kostenminimierung werden im privaten Wohnungsbau Architekten oft nur mit den Leistungsphasen 1 bis 4 der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) beauftragt. Demnach sind eine Basisplanung und ein bewilligungsfähiger Bauantrag geschuldet. Der Bauantrag enthält eine Planung im Maßstab 1:100, mit Grundrissen, Ansichten und Gebäudeschnitten, jedoch kein Detail.

Die Beauftragung der Leistungsphasen 5 bis 9, welche Ausführungsplanung und Bauabwicklung beinhalten, erfolgt nicht bzw. nur abgespeckt. Dies bedeutet: Fenster werden im Maßstab 1:50 in allen optischen Details dargestellt, allerdings fehlen Anschlüsse, bereits verbaute Materialien oder statische und abdichtende Funktionen. Fensterbauer erhalten zur Angebotserstellung oftmals nur diese rudimentäre Planung.

Handwerker werden ungewollt zum Planer

Klassischerweise fehlen Angaben zu Befestigung, Abdichtung, zu Profilen, Rollläden, Fensterbankanschlüssen usw., die in der detailreichen und kostenintensiveren Ausführungsplanung der Leistungsphase 5 erfolgen. Was bedeutet dies für den Fensterbauer? Der Handwerker überprüft die Maße vor Ort und bietet Fensterelemente mit Anschluss und Abdichtung an. Mit dem Einbau der Elemente gewährleistet er eine einwandfreie Befestigung und Abdichtung, sowohl für Schlagregendichtheit, als auch beim Anschluss bodentiefer Elemente gegen stehendes oder drückendes Wasser.

Der Fensterfachmann wird - um die Chance auf den Auftrag zu haben – ungewollt zum Planer und schuldet somit auch den Erfolg. Gleichzeitig wird er zum Verantwortlichen für eine unzureichende Planung, die üblicherweise seine Betriebshaftpflichtversicherung nicht abdeckt.

Details der Fensterplanung

In der Planung sind durch den Fensterbauer folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Ausführung der Fensterlaibung in Bezug auf Ebenheit und Lastaufnahme

  • Verankerungsmöglichkeiten in den Laibungen, Brüstungen, Stürzen und Decken

  • Dämmlage und Anschluss des Fensters

  • Schlagregendichtheit z.B. Berechnung der Windlast (Berücksichtigung der Windlastzone, geografische Besonderheiten, exponierte Lage, kein Dachüberstand, …)

  • Anschluss bei barrierefreien, bodentiefen Elementen: Berücksichtigung und Aufnahme einer vorhandenen Abdichtung (z.B. Dachterrasse, Bodenplatte, …) oder der Berücksichtigung eines später auszuführenden Anschlusses

Diese Aspekte sind in der Regel unzureichend definiert. Meist wird ohne ausreichende Kenntnis der Nachfolgegewerke improvisiert. Ausführliche Details der Ausführungsplanung würden die Zuständigkeit und Verantwortung klar definieren und sicherstellen, dass Mängel seltener auftreten.

Bei fehlender Ausführungsplanung ist der Fensterbauer für den Einbau und die Abdichtung des Fensters verantwortlich. Dies umfasst die Abdichtung zwischen Fensterrahmen und Mauerwerk, der Fassade und des Fußpunktes. Üblicherweise erbringen Fensterbauer ohne eine Vergütung zu erhalten, die Planungsleistungen – insbesondere, wenn ihnen auch die Ausschreibung übertragen wurde.

Existenzgefährdende Folgen

Dies kann gefährliche Folgen haben, denn die Handwerker haften im Schadenfall auch noch für Drittschäden. In der Regel übernehmen die meisten Betriebshaftpflichtversicherungen Ausführungsschäden aus eigener Planung nicht. Die daraus resultierenden Schäden an Dritten bleiben am Handwerker hängen und gefährden seine Existenz. Falls die Ausführungsplanung für das eigene Gewerk übernommen werden muss, sollte der Fensterbauer vereinbaren, vom Auftraggeber eine Entlastung der Haftung für Drittschäden zu erhalten.

Verträge (nach HOAI) schützen

Sofern ein Architekt oder Sonderplaner das private Bauprojekt betreut, empfiehlt es sich mit dem Auftraggeber den Leistungsumfang in einem Vertrag, der der HOAI entspricht, festzulegen.

Betreut der beauftragte Architekt alle Leistungsphasen, so ist er im Rahmen der Ausführungsplanung der Leistungsphase 5 verpflichtet, dem Fensterbauer folgendes vorzulegen:

  • Eine Ausführungsplanung mit allen für die Ausführung notwendigen Einzelangaben, zeichnerisch und textlich auf Grundlage der Entwurfs- und Genehmigungsplanung

  • Ausführungs-, Detail- und Konstruktionszeichnungen nach Art und Größe des Objekts im erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad unter Berücksichtigung aller fachspezifischen Anforderungen

Handwerker sollten Ihre Betriebshaftpflichtversicherung kontrollieren und im Einzelfall prüfen, in welcher Konstellation Sie zum Fachplaner werden.

Wenn ein Schaden eintritt

Im Schadensfall fordert der Sachverständige im Regelfall die gesamte Werk- und Montageplanung, die Ausschreibung und sämtliche technischen Dokumentationen an. Dies umfasst oft auch ein Bautagebuch des bauleitenden Architekten, um ein vollständiges Bild zu erhalten. Im Rechtsstreit wird geklärt, worauf die von dem Sachverständigen festgestellten Mängel und Schäden zurückzuführen sind und wer dafür verantwortlich ist.

Für Handwerker empfiehlt es sich, Gesprächsprotokolle, Mails und Telefonnotizen mit Bedenkenanmeldungen zum Thema aufzuheben, denn sie können im Ernstfall eine große Hilfe sein.

 

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Über den Autor:

Alexander Dupp - Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger
Er ist Sachverständiger für das Tischler-Handwerk und Rollladen- u. Sonnenschutztechniker-Handwerk, int. zertifiziert und zugelassen nach DIN EN ISO/IEC 17024, spezialisiert auf dem Gebiet der Gebäudesicherheit insbesondere auf Fenster, Türen, Tore und Rollläden.