Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr – in der Praxis immer wieder problematisch

von Sascha Walther

Wer als Kraftfahrer gewerblich im öffentlichen Straßenverkehr tätig ist, sollte sich zuerst über seine rechtlichen Pflichten informieren. Sein Wissen erlangt der Fahrer zum einen über die gesetzlich vorgeschriebene Berufskraftfahrerweiterbildung gemäß dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG), welche alle 5 Jahre für Fahrer, die ein Fahrzeug der Klassen C/CE, C1/C1E, D1/D1E, D/DE gewerblich nutzen, verpflichtend ist und mit der Schlüsselzahl 95 im Führerschein dokumentiert wird, zum anderen hat der Unternehmer sein Fahrpersonal hinsichtlich der ordnungsgemäßen Benutzung des Fahrtenschreibers angemessen zu schulen und regelmäßig zu unterweisen – dies schreibt der Gesetzgeber in der VO (EU) 165/2014 ganz klar vor.

Unternehmen bzw. deren Fahrer müssen nicht nur über die aktuellen Vorschriften und Verordnungen Bescheid wissen, sie müssen auch in der Lage sein, diese in der Praxis anzuwenden. Dies gilt für die Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr (Lenk- und Ruhezeiten, Arbeitszeitgesetz) aber auch für die ordnungsgemäße Bedienung der digitalen Tachographen. Die ständigen Veränderungen der rechtlichen Vorschriften sowie der Technik kommen jedoch oft beim Unternehmer und seinen Fahrern nicht an.

So kam es im vergangenen Jahr beispielsweise für einen Unternehmer knüppeldick, als sein Fahrer in eine Polizeikontrolle geriet. Nachdem eine Vielzahl von Verstößen gegen die Vorschriften der Lenk- und Ruhezeiten festgestellt wurden, begann der Fahrer, sich zu verteidigen. Er gab an, von seinem Chef genötigt worden zu sein, bewusst gegen die Vorschriften zu verstoßen, denn in diesem Unternehmen gelten nur die Gesetze des Chefs persönlich. So fahre auch der Chef selbst häufig mit der Fahrerkarte seines Sohnes, wenn seine Lenkzeit bereits überschritten sei.

Es folgte eine entsprechende Meldung an das zuständige Gewerbeaufsichtsamt. Hier wurde für den Fahrer eine rückwirkende Verstoßauswertung für ein Jahr erstellt und mit einem entsprechenden Bußgeld geahndet. Doch nicht nur der Fahrer wurde überprüft, auch der Unternehmer wurde genau unter die Lupe genommen, denn ein Unternehmer ist gemäß VO (EG) 561/2006 und VO (EU) 165/2006 mit in der Verantwortung.

In Artikel 32 der VO (EU) 165/2014 wird das Unternehmen und das Fahrpersonal in die Pflicht genommen, dafür zu sorgen, dass eine einwandfreie Funktion und eine ordnungsgemäße Benutzung des digitalen Fahrtenschreibers sowie der Fahrerkarte gewährleistet wird. Gegen den Unternehmer im vorliegenden Fall wurde, aufgrund seines Fehlverhaltens, ein Bußgeld von rund 2.300 € verhängt, ferner wurde sein Verhalten strafrechtlich verfolgt.

Ohne die Begutachtung durch einen Experten wird es schwer, aus einer solchen Situation herauszukommen. Denn erstmal gilt: Der digitale Tachograph lügt nicht! Das, was hier schwarz auf weiß zu belegen ist, entsteht oft durch Fehlbedienung und mangelndes Wissen.

Auch im folgenden Fall hätte ein 55 Jahre alter Kraftfahrer ohne die Hilfe eines Sachverständigen „alt“ ausgesehen. In einer Polizeikontrolle und dem damit verbundenen Auslesen der Fahrerkarte und des Massenspeichers des digitalen Fahrtenschreibers kam es innerhalb eines Berechnungszeitraums von 28 Tagen zu zahlreichen Verstößen wie

1. diverse Lenkzeitverstöße

2. Fahren ohne Fahrerkarte

3. fehlende Tages- bzw. Wochenruhezeiten

4. Fahren ohne gültige Fahrerkarte

5. keine gesetzlich vorgeschriebenen Nachträge auf der Fahrerkarte durchgeführt

6. durchzuführende Abfahrtskontrolle am Fahrtenschreiber nicht dokumentiert

7. notwendige Landeseingabe am Fahrtschreiber nicht durchgeführt

In einem Sachverständigengutachten konnte festgestellt werden, dass

a) ein Großteil der Verstöße entstanden sind, weil der digitale Fahrtenschreiber veraltet und somit nicht gesetzeskonform war,

b) der Unternehmer seiner Pflicht zur Erstunterweisung nach VO. (EU) 165/2014 Artikel 32 nicht nachgekommen war

c) der Unternehmer seiner Pflicht zur regelmäßigen Unterweisung nach VO (EU) 165/2014 Artikel 33 nicht nachgekommen war

Der beauftragte Rechtsanwalt konnte mit Grundlage des Sachverständigengutachtens argumentieren und eine Einstellung des Verfahrens gegen den Fahrer erwirken.

Über den Autor

Sascha Walther
Inhaber der Walther Beratungsgesellschaft mbH,
seit 2018 als personenzertifizierter Sachverständiger
für Fahrpersonalrecht und digitale Fahrtenschreiber
im Landverkehr (Euro-Zert) tätig

Quelle NJW 14/2020