Stressmanagement – Geheimtipp für eine höhere Lebens- und Arbeitsqualität?

von Diane Manz

Die Bedeutung psychischer Erkrankungen und stressbedingter körperlicher und psychischer Beschwerden hat in den letzten Jahren eine Besorgnis erregende Steigerung erfahren. Laut aktueller Studien der Krankenkassen fühlen sich neun von zehn Personen von ihrer Arbeit gestresst. Fast die Hälfte klagt darüber, dass Stress ihre Leistungsfähigkeit einschränkt. Mehr als die Hälfte leidet zumindest hin und wieder unter Rückenschmerzen, anhaltender Müdigkeit, innerer Anspannung, Lustlosigkeit oder Schlafstörungen.

Der klassische Burnout galt ursprünglich als eine spezifische Problematik helfender Berufe. Demnach waren nur die bedroht, die sich in ihrem Job für Ihre Mitmenschen verausgabten, also z.B. Pflege- oder Lehrkräfte. Mittlerweile zeigt sich, dass es jede Berufsgruppe treffen kann – auch die juristische Profession. Aber egal ob es sich nur um „einfache“ Stresssymptome, wie z.B. Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche, zirkulierende negative Gedanken und Erschöpfung handelt, oder um „offizielle“ psychische Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen – vermeintliche Schwäche passt nicht zum Image des unbesiegbaren und schmerzfreien Anwalts. Das ist sicherlich ein Grund dafür, dass sich viele Angehörige der juristischen Berufsgruppe bereits mit dem Begriff „Stressmanagement“ schwertun. In der Anwaltstätigkeit sind lange Arbeitszeiten, die Erwartung der ständigen Verfügbarkeit, hohe Ansprüche der Mandanten, Termindruck und der ständige Blick auf die abrechenbaren Stunden ganz normal. Der Beruf ist stressig und anspruchsvoll, daran kann man nichts ändern. Wer Stressmanagement braucht, gesteht praktisch ein, dass Schwächen und Probleme existieren.

Und genau hier ist der springende Punkt: Es geht nicht zwingend darum, weniger zu arbeiten bzw. weniger Leistung zu bringen oder spannende Herausforderungen und Chancen auszuschlagen, geschweige denn sich nur mit vermeintlich esoterischen Entspannungsverfahren und sonstigem „Psychokram“ zu beschäftigen. Es geht darum, Kompetenzen aufzubauen, die die Person befähigen, mit stressigen Gegebenheiten so umzugehen, dass diese die eigene Lebensqualität nicht beeinträchtigen oder krank machen. Der Aufbau von Stresskompetenz sollte damit lange bevor es richtig stressig wird beginnen. Dadurch wird auch deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Möglichkeiten zum Umgang mit Stress kein Zeichen von Schwäche ist, sondern ein durchaus vorausschauender und verantwortungsbewusster Ansatz, mit möglichen Herausforderungen umzugehen. Wer lernt, früh sein Portfolio an Bewältigungsstrategien auszubauen, kann Stress-Stolpersteinen gelassen begegnen und später als Führungskraft das eigene Team gesund führen und erfolgreich machen.

Was sind nun die Kompetenzen, die man braucht? Die Möglichkeiten sind ebenso vielfältig wie die Bandbreite der Stressoren. Was bei dem Einen unerträglichen Stress auslöst, berührt den Anderen gar nicht. Die gleiche Situation kann für mehrere Personen einen ähnlich hohen Stressfaktor haben, der aber unter Umständen unterschiedlich begründet ist und so auch unterschiedlicher Bewältigungsstrategien bedarf. Diese lassen sich grob in folgende Bereiche einteilen:

Kompetenzen zur Reduktion oder Eliminierung von Stressoren

Hierzu zählen gute kommunikative Fähigkeiten, realistisches Erwartungs- und Zeitmanagement, Delegieren können sowie das Vorhandensein klarer eigener Zielvorstellungen und entsprechender Prioritätensetzung. So kann zum Beispiel Unzufriedenheit mit dem eigenen Aufgabenbereich durchaus ein anhaltender Stressfaktor sein. Je klarer und selbstbewusster Sie hier Ihre Wünsche und Ziele von Anfang an kommunizieren können, desto unwahrscheinlicher werden Sie in eine solche Situation gelangen.

Kompetenzen zur Gewinnung förderlicher Denkmuster und Einstellungen

Je ausgeprägter Ihre Problemlöse-Kompetenzen sind, desto optimistischer können Sie an Herausforderungen herangehen. Hinderliche Denkmuster wie z.B. „Ich muss immer perfekt sein“ oder „Ich muss es immer allen recht machen“ können hinterfragt und aufgelöst werden. Konzentration auf das Positive und das Empfinden von Dankbarkeit unterstützen dabei das generelle Wohlbefinden und die Widerstandskraft.

Kompetenzen zur Stärkung der eigenen Energieressourcen

Dazu zählen Entspannungsmethoden, wie z.B. die Progressive Muskelentspannung oder Yoga, und natürlich spielt hier Bewegung eine zentrale Rolle, ebenso erholsamer Schlaf, ausgewogene Ernährung und frische Luft. Der Genuss schöner Dinge, eine erfüllende Freizeitbeschäftigung sowie ein unterstützendes soziales Netzwerk sind Teil eines stabilen Ausgleichs.

Je mehr wir hiervon in unserem Werkzeugkasten haben, desto umfassender können wir herausfordernden Situationen auf Augenhöhe begegnen und desto geringer die Gefahr, in einen stressgeladenen Dauerzustand zu geraten, der die eigene Gesundheit und die Qualität unseres Arbeits- und Privatlebens anhaltend negativ beeinflusst.

 

Über die Autorin:

Diane Manz
Dipl.-Psychologin und systemischer Business Coach