Kind & Karriere-Coaching – wie Kanzleien fördern können, dass Elternschaft nicht die Karriere knickt

von Diane Manz

Im Durchschnitt sind etwa 50% der Berufseinsteiger in Großkanzleien Frauen. Es ist kein Geheimnis, dass auf dem Weg in die Partnerschaft davon ein großer Teil verloren geht. Weibliche Partner sind zwar keine totale Rarität mehr, aber immer noch deutlich unterrepräsentiert. Schaut man sich die die Ernennungen in die Partnerriege bei gelisteten Top-Kanzleien in 2021 an, kommt man auf einen durchschnittlichen Anteil von weiblichen Neuernennungen aus eigenen Reihen von weniger als 25%. Da ist noch Luft nach oben. Es gibt nur wenig nahbare Rollenvorbilder. Erfolgreiche Partnerinnen, die es geschafft haben, sind oft fern des eigenen Netzwerkes. Es fehlt die Möglichkeit, in Kontakt zu treten, eine echte Identifikation mit dem Vorbild zu schaffen und von dessen Erfahrungen zu profitieren. Der Aufstieg in die Partnerschaft ist für viele Frauen ein steiniger Weg – erst recht, wenn schon Kinder da sind.

Männer selten mehr als zwei Monate in Elternzeit

Zwar ist Elternzeit seit einigen Jahren in Kanzleien auch für die männlichen Berufsträger möglich, in den seltensten Fällen überschreitet diese aber einen Zeitraum von zwei Monaten. Das überlebt die Karriere noch einigermaßen unbeschadet. Besteht jedoch der Wunsch nach einer längeren Dauer oder gar einer anschließenden (vorübergehenden) Teilzeittätigkeit, kann die Karriere bereits ins Wanken geraten. Und hier sind die erfolgreichen Rollenvorbilder dünn gesät bis nicht vorhanden.

Committment wird immer noch hinterfragt

Beide Geschlechter haben in diesen Fällen zum Einen damit zu kämpfen, dass die Kombination von flexiblem Arbeiten und hohem Arbeitserfolg in vielen Kanzleien aus den unterschiedlichsten Gründen – im Zweifelsfall ist der Mandant das Totschlagargument – immer noch nicht als realistisch wahrgenommen wird. Hier wird an vielen Stellen auch einfach vorweggenommen, wie es „ja wahrscheinlich laufen wird“. Dies wird leider oft weder der Person noch ihrer Arbeit gerecht. Zum Anderen wird grade bei Männern das Committment zur Kanzlei und der eigenen Aufgabe hinterfragt. Wer einen verstärkten Wunsch nach mehr Zeit für die Familie hat, der gibt dann nicht mehr alles im Büro. Das klingt in etwa so seltsam wie die häufige Aussage gegenüber Frauen, dass sie sich doch jetzt erst mal auf das kommende Kind konzentrieren sollen, anstatt über Ziele nach der Elternzeit zu reden. Man wisse ja doch auch gar nicht, wie das mit dem Kind wird und was man will und kann, wenn es da ist. Welche Respektlosigkeit hier durchscheint, ist vielen Führungskräften offensichtlich gar nicht klar.

Kulturwandel braucht Zeit

Im Gegenzug können es sich Kanzleien aber eigentlich gar nicht leisten, wertvolle Mitarbeitende zu verlieren, was unter den oben angesprochenen Bedingungen leider alle Beteiligten zum Verlierer macht. Was also tun? Der Weg in eine familienfreundliche Kanzlei ist ebenso steinig wie lang. Maßnahmen und Programme, die eine entsprechende Kultur und damit auch eine grundsätzliche förderliche Haltung dazu entwickeln sollen, brauchen ihre Zeit. Deshalb ist es bis dahin umso wichtiger, die individuellen Personen gezielt zu fördern. Eine immer noch wenig genutzte Möglichkeit, die sowohl die Führungskraft unterstützt als auch das werdende Elternteil entsprechend bei der Herausforderung begleitet, Kind und Karriere erfolgreich unter einen Hut zu bekommen, ist ein gezieltes Kind & Karriere-Coaching (auch genannt Elternzeitcoaching oder Parental Coaching).

Das Coaching begleitet ab dem Bekanntwerden der Elternschaft über die Vorbereitung des vorübergehenden Ausstiegs bis hin zu den ersten Wochen oder Monaten des Wiedereinstiegs nach der Elternzeit. In Einzelgesprächen und gemeinsamen Gesprächen mit der Führungskraft werden Wünsche, Ziele und natürlich mögliche Hindernisse und daraus resultierende Sorgen thematisiert. Diese offene Kommunikation und Transparenz führen bereits zu besserem gegenseitigem Verständnis und klar ausgedrückten Erwartungen und Optionen. Klarheit über Ziele führt zu fokussierten Entscheidungen und Handlungen. Ein Coach fordert und fördert diese Aussprache und Reflektion.

Vor dem Mutterschutz bzw. der Elternzeit stehen Themen wie grundsätzliche Karriereziele, Erwartungsklärung, Verlaufsplanung, Kontakthalten mit der Kanzlei während der Elternzeit, interne und externe Kommunikation, die Übergabe und der Abschied im Vordergrund. Während der Elternzeit geht es primär um den Umgang mit der neuen Rolle, Zeit- und Stressmanagement, Netzwerken, Organisation und Vorbereitung des Wiedereinstiegs. Weitere wichtige Themen sind das Einleben in die neue Doppelrolle, die Neupositionierung innerhalb des Teams, das Finden eines adäquaten Work-Life-Fits sowie mögliche auftretende Stolpersteine und der Umgang mit Veränderungen sind Thema nach erfolgtem Wiedereinstieg.

Das Angebot eines Kind & Karriere-Coachings ist ein klares Zeichen, dass die Kanzlei sich um die Weiterentwicklung des Mitarbeitenden sorgt und sie oder ihn dauerhaft binden möchte. Das schafft Vertrauen und Zuversicht und bildet eine gute Basis für eine langfristige erfolgreiche Zusammenarbeit. Und sollte sich im Laufe des Coachings herausstellen, dass die Vorstellungen beider Parteien zu weit auseinander gehen, dann ist die Chance auf eine Trennung im Guten deutlich höher und alle Beteiligten sparen Zeit und Nerven und die Kanzlei dazu häufig auch viel Geld.

 

Über die Autorin:

Diane Manz
Dipl.-Psychologin und systemischer Business Coach