Das Hochstapler-Syndrom – Ich kann das nicht, enttarn‘ mich nicht!

von Diane Manz

„Manchmal wache ich morgens vor einem Dreh auf und denke, ich kann das nicht. Ich bin eine Betrügerin“. Kate Winslet spricht darüber, Emma Watson kennt es, Natalie Portman hat es erlebt, und mit Ihnen Robert Pattinson, Daniel Radcliffe und Chris Martin.1

Sie alle plagen sich mit Selbstzweifeln, haben das Gefühl, Ihren Erfolg nicht verdient zu haben und warten nur darauf, dass irgendwann jemandem auffällt, dass sie eigentlich gar nicht so großartig sind, wie es scheint, dass sie nichts können und eigentlich keine Ahnung haben, was sie da tun.

Sie alle leiden an einem Phänomen, das in den letzten Jahren zunehmend Beachtung findet, sowohl in der Wissenschaft als auch in den Medien: Das Hochstapler-Syndrom. Geprägt wurde der Begriff „Imposter Phenomenon“ von den beiden Professorinnen Pauline Rose Glance und Suzanne Imes bereits im Jahr 19782.

Sie fanden in Ihren Forschungen, dass viele erfolgreiche Frauen mit starken akademischen Leistungen, einer beeindruckenden Karriere und hohem Ansehen, trotz allem große Selbstzweifel hatten. Ihren Erfolg führten sie nicht auf ihre eigenen Fähigkeiten zurück, sondern attribuierten hier eher extern – „das war nur Glück“ - oder nur temporär intern – „ich habe mich wahnsinnig angestrengt“. Freude über den Erfolg gibt es wenig, schließlich ist er ja nicht wirklich verdient.

Glaubte man zu dieser Zeit noch eher, dass Frauen häufiger betroffen seien als Männer, zeigen neuere empirische Studien, dass etwa 50% der erfolgreichen Personen von solchen Gedanken und Gefühlen betroffen sind, und das unabhängig von Geschlecht, Alter oder Beruf3.

Auch spricht man heute in wissenschaftlichen Kreisen eher vom „Impostor-Selbstkonzept“, vermittelt doch der Begriff „Syndrom“ eher ein klinisches Krankheitsbild, das hier definitiv nicht vorliegt. Den Betroffenen sieht man es häufig nicht an und erwartet es von ihnen eigentlich häufig am allerwenigsten, dass sie sich mit Selbstzweifeln zermürben – haben sie doch genau das, was man sich wünscht: Kompetenz, Erfolg und Ansehen.

Dieses Bild nach außen aufrecht zu erhalten, kostet natürlich viel Kraft. Die Angst, als „Betrüger“ enttarnt zu werden, verursacht einen enormen Dauerstress, der schließlich zu psychischen und physischen Beschwerden führen kann. Diese Angst wird häufig mit übermäßiger Verausgabung beruhigt, was zusätzlich sowohl im sozialen Bereich als auch gesundheitlich weitere negative Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Oft sind den Betroffenen die Zusammenhänge zwischen ihrer verzerrten Selbstwahrnehmung und ihrem Leiden auch gar nicht bewusst. Dies wird insbesondere dadurch unterstützt und kultiviert, dass die, die es betrifft, nicht darüber sprechen. Damit wird auch deutlich, dass Selbsterkenntnis ein erster Schritt zur Besserung sein kann.

Lust auf eine kleine Selbsterfahrung?

Auf der Homepage der ikk classic findet man einen Schnelltest4. Je mehr der folgenden Fragen Sie mit „Ja“ beantworten, desto wichtiger könnte es sein, Ihr eigenes Selbstkonzept auf den Prüfstand zu stellen:

• Ich bin nicht gut genug.
• Ich freue mich nur kurz über Erfolg – wenn überhaupt.
• Ich habe ständig Angst, dass jemand meine Unfähigkeit aufdeckt.
• Ich bitte selten oder nie um Hilfe.
• Ich mag keine Komplimente.
• Ich denke, mein Umfeld überschätzt mich.
• Ich lege großen Wert darauf, was andere Leute denken.

Häufig gelingt es schon mit einigen selbst initiierten Maßnahmen, die Selbstwahrnehmung zu verbessern und ein gesünderes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Folgende Tipps können hier hilfreich sein:

1. Sprechen Sie darüber!
Das entlastet und unterstützt einen realitätsnäheren Abgleich zwischen Selbst- und Fremdbild.

2. Führen Sie Tagebuch!
Das regelmäßige Aufschreiben von positiven Erlebnissen, Erfolgen und Dingen, für die man dankbar ist, fördert Objektivität und Wohlbefinden und lässt auch weniger angenehme Gegebenheiten in einem anderen Licht erscheinen.

3. Arbeiten Sie an Ihren negativen Denkmustern!
Zu erkennen, mit welchen Glaubenssätzen Sie selbst zu einer Verstärkung Ihrer Belastung beitragen, motiviert Sie, förderliche Denkweisen zu entwickeln und auszuprobieren.

Oft kann ein Coaching erfolgreiche Fortschritte nachhaltig unterstützen. Bei schweren Beeinträchtigungen und einem hohen Leidensdruck ist es allerdings absolut empfehlenswert, eine Psychotherapie in Erwägung zu ziehen.

 

Über die Autorin:

Diane Manz
Dipl.-Psychologin und
systemischer Business Coach

 

Quellen:

1 https://www.marieclaire.co.uk/entertainment/celebrity-quotes-on-impostor-syndrome-434739
2 The Imposter Phenomenom in High Achieving Women: Dynamics and Therapeutic intervention, in: Psychotherapy Theory, Research and Practicse, Bd. 15, Nr. 3
3 Sakulku, J. & Alexander, J. 2011. The impostor Phenomenon. International Journal of Behavioral Science. 6
4 https://www.ikk-classic.de/gesund-machen/arbeiten/hochstapler-syndrom