Eine Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft kann langwierige Konflikte nach sich ziehen. Was gilt es in diesem Fall zu beachten?
Die Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft folgt den gleichen Regeln wie die Vollstreckungsversteigerung. Einzig bei der Anordnung und insbesondere am Tag der Versteigerung unterscheiden sich beide Arten der Zwangsversteigerung.
Dabei eint eine Komponente beide Verfahren: alles dreht sich um den Verkehrswert des Versteigerungsobjekts. Die Verkehrswertermittlung ist mithin der wichtigste Verfahrensabschnitt und sowohl bei der Anwaltschaft als auch bei den Rechtspflegern wenig beliebt.
Unbeliebt, aber notwendig: Die Verkehrswertermittlung
Marktanpassungsfaktoren, Liegenschaftszinssätze, ImmoWertV, BauGB und die WertR bei Rechten aus Abteilung II des Grundbuches – das alles hat mitunter wenig mit der eigentlichen juristischen Praxis und dem eigenen Fachgebiet, dem Familien/ Erbrecht, zu tun. Der Mandant jedoch weiß eines ganz sicher: der Wert kann so nicht stimmen und der Expartner/Miterbe will einen ungerechtfertigten Vorteil erzielen.
Mit einem Sachverständigen an der Seite steigt die Glaubwürdigkeit des eigenen Vortrags und insbesondere die Bereitschaft des gerichtlichen Sachverständigen wertrelevante Dokumente ohne Anordnungen nach §407a Abs. 5 ZPO herauszugeben. Und so entgleitet der Anwaltschaft ein wichtiges Mittel zur Verfahrens- und Wertgestaltung.
Der richtige Zeitpunkt
Ein Privatgutachten lässt sich zu jedem Verfahrenszeitpunkt sinnvoll zur Verfahrensbe- oder Entschleunigung nutzen und insbesondere das privatgutachterliche Fachwissen rund um die Bewertungsparagraphen erleichtert die eigene juristische Arbeit merklich.
Mehr als nur die Chance auf Einigung
Bereits bevor die Teilungsversteigerung eingeleitet wird, eignet sich das Privatgutachten zu weit mehr als der Chance auf eine gütliche Einigung zwischen den Parteien. Es kann bei erfolglosen Verhandlungen der Streitparteien beim Amtsgericht eingereicht und zur Festsetzung des Verkehrswertes genutzt werden.
Es gibt keine Vorschrift, die besagt, dass zwingend ein gerichtliches Gutachten erstellt werden muss (LG Hildesheim, 5 T 332/03). Da das Gericht den Wert im Rahmen des § 286 ZPO festsetzt, kommt in der Theorie jeder Anhaltspunkt in Betracht, erst recht ein Privatgutachten.
Dieses Vorgehen wirkt als extrem wirksamer Beschleuniger des Verfahrens, denn man kann so innerhalb von 6 Monaten den Versteigerungstermin erwirken.
Dabei spielt es im Übrigen keine Rolle, ob der private Sachverständige die Immobilie betreten konnte oder die Gegenpartei die Herausgabe von Immobilienunterlagen verweigert hat. Gut 40% der Gerichtsgutachten werden unter diesen Voraussetzungen erstellt. Insbesondere in den Ballungsgebieten und bei Immobilien mit einem Alter von weniger als 40 Jahren lassen sich die notwendigen Daten auch ohne Mitwirkung des Bewohners beschaffen.
Was ist das Ziel?
Auch nach erfolgter Wertfestsetzung des Gerichts, also durchaus noch unmittelbar vor der Durchführung des Versteigerungstermins, ist das Einreichen eines Privatgutachtens ein wirksames Gestaltungsmittel.
Hier entscheidet der Zeitpunkt der Einreichung des Antrags die Wirkung. Ist einzig die Abänderung des Wertes das Ziel, oder soll der anstehende Versteigerungstermin aufgehoben werden?
Dreh- und Angelpunkt ist dabei die nach § 43 Abs. 1 ZVG vorgeschriebene, gesetzliche Veröffentlichungsfrist. Da eine nachträgliche Veränderung des Verkehrswertes die §§ 37 und 38 ZVG berührt und dadurch den § 43 Abs. 1 ZVG verletzt, ist eine zwangsläufige Folge dessen die Aufhebung des Zwangsversteigerungstermins.
Die Gerichte orientieren sich bei nachträglicher Neufestsetzung des Verkehrswertes an den Maßstäben eines Beschlusses vom OLG Köln (2 W 151/92), woraus hervorgeht, dass bei einer Wertänderung von 10% der festgesetzte Verkehrswert aktualisiert werden muss.
Dabei kann der Wert sowohl gesunken als auch gestiegen sein. Das ergibt sich bereits aus denklogischen Argumenten: z.B. muss ja bei einem Brand der Verkehrswert noch angepasst werden können. Würde dies nicht berücksichtigt, so wären zwei Versteigerungstermine ohne Gebote (§ 77 ZVG) die Folge. Dies wiederum führt zur Aufhebung des vollständigen Versteigerungsverfahrens und zum Ärger der betreibenden Gläubiger/Parteien.
Speziell für alle Zweifler am Amtsgericht hat auch der BGH klargestellt, dass Gerichte den festgesetzten Wert bei Eintritt neuer Tatsachen ändern müssen (BGH MDR 2008, 230 = NJW-RR 2008).
Eine lohnenswerte Investition
Obgleich die Mandanten zusätzliche Kosten scheuen, so ist der Einsatz eines Privatgutachters gut begründet. Versteigerungsverfahren dauern nicht zuletzt aufgrund der Verkehrswertfeststellung(en) bis zu 10 Jahre.
Die Erfahrung zeigt, dass sich die Streitparteien, sofern sie untereinander ehrliche Absichten haben, überdurchschnittlich häufig nach der Vorlage eines glaubhaften Gutachtens einigen.
Dabei kommt es weniger auf eine öffentliche Bestellung als auf eine nachvollziehbare Bewertung an, denn die Qualität eines Gutachtens zeigt sich nicht in der Anhäufung von Fachbegriffen, sondern in der Glaubhaftmachung der Bewertung, der auch Laien (und hierzu gehören die Gerichte) folgen können.
Über den Autor:
Jan Brendel
Experte für Zwangsversteigerungen