Sachverständige als Schiedsgutachter – Leistungsbestimmung durch Fachleute

von Rechtsanwältin Katharina Bleutge, Justiziarin beim Institut für Sachverständigenwesen e.V., Köln

Außergerichtliche Streitlösung gewinnt in allen Bereichen der Wirtschaft an Bedeutung. Zur Vermeidung lang dauernder und kostspieliger Gerichtsverfahren werden die unterschiedlichsten Formen und Möglichkeiten alternativer Konfliktlösungen vermehrt genutzt, beispielsweise das private Schiedsgericht, Mediation, Adjudikation, Schiedsgutachten, Schlichtung oder Obmannverfahren. Diese Verfahrensarten werden unter dem Begriff „ADR“-Verfahren (Alternative Dispute Resolution) zusammengefasst.
Die private Schiedsgutachtertätigkeit genießt unter den ADR-Verfahren einen hohen Stellenwert, weil sie für verschiedene Zielsetzungen genutzt werden kann. Mit ihrer Hilfe können Vertragspartner ihre Verträge veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen, können Vertragslücken geschlossen und Streitigkeiten im Vorfeld staatlicher Gerichtsbarkeit beigelegt werden.
In diesen Betätigungsfeldern sind neben z. B. Rechtsanwälten auch qualifizierte Sachverständige gefordert, weil sie aufgrund ihrer Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Fachkompetenz in der Lage sind, Streitigkeiten über tatsächliche Vertragselemente durch eine von beiden Parteien verlangte Schiedsgutachterentscheidung verbindlich beizulegen. Hier können sie ihr Fachwissen einbringen und gleichzeitig eine verbindliche Entscheidung nach billigem Ermessen generieren.
Spezielle gesetzliche Grundlagen für die schiedsgutachterliche Tätigkeit gibt es nur rudimentär. Dagegen wächst die Zahl der Gerichtsentscheidungen und juristischen Fachaufsätze mit teilweise unterschiedlichen Vorschlägen zum Ablauf des Verfahrens sowie zu der entscheidenden Frage, ob eine Schiedsgutachterentscheidung grob unbillig oder grob unrichtig ist.

Ziel der schiedsgutachterlichen Entscheidung und Aufgabe des Schiedsgutachters

Ziel der schiedsgutachterlichen Entscheidung ist es, Meinungsverschiedenheiten von Vertragsparteien über den Inhalt, die Auslegung, Ergänzung oder die Anpassung eines Vertrages durch eine unabhängige, unparteiische und fachlich kompetente Person verbindlich klären zu lassen. Es kann aber auch ein Streit tatsächlicher Art (z.B. Vorliegen eines Sachmangels) abschließend entschieden werden.
Der Gang zum Gericht soll dadurch vermieden werden, bleibt aber möglich, wenn das vom Schiedsgutachter festgestellte Ergebnis grob unbillig oder grob unrichtig ist. Aufgabe des Schiedsgutachters ist es, im Rahmen eines Rechtsverhältnisses für die Vertragsparteien zweifelhafte oder umstrittene Punkte zu klären und verbindliche Entscheidungen zu treffen. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Grundlagen der §§ 307 und 309 BGB müsste der Schiedsgutachter korrekt „Leistungsbestimmer“ genannt werden.
Gegenstand der Leistungsbestimmung, die nicht in allen Fällen ein umfassendes Gutachten sein muss, kann dabei im Grundsatz alles sein, was sich begutachten lässt und nicht gegen zwingende gesetzliche Normen verstößt.

Was sollten die Parteien eines Schiedsgutachtervertrages beachten?

Schiedsgutachterabrede

Zunächst sollten die Parteien des Grundvertrages in der Schiedsgutachterabrede sämtliche Modalitäten der Suche, der Auswahl, der Beauftragung und der Abberufung des Schiedsgutachters konkret und eindeutig regeln.
Wichtig ist vor allen Dingen, dass jedem Vertragspartner bei Bestimmung der Person des Schiedsgutachters durch einen Dritten (z.B. IHK, HwK, IK, AK, LWK, IfS usw.) vor dessen Beauftragung die Möglichkeit eingeräumt wird, die Person wegen Besorgnis der Befangenheit oder wegen fehlender Qualifikation ablehnen zu können und dass für diesen Fall eine Bestimmung über die Wahl einer Ersatzperson aufgenommen wird. Nach Möglichkeit sollte man sich schon in der Schiedsgutachterabrede auf eine bestimmte Person festlegen, deren Bereitschaft bereits zu diesem Zeitpunkt ermittelt werden könnte. Wird darin z. B. ein Steuerberater namentlich als Schiedsgutachter aufgeführt, darf im Streitfall nicht irgendein Steuerberater beauftragt werden; in einem solchen Fall kommt es auf die Person und nicht auf deren berufliche Funktion an.

Schiedsgutachtervertrag

Die Einigung der Vertragspartner der Schiedsgutachterabrede auf einen bestimmten Schiedsgutachter oder die Benennung des Schiedsgutachters durch einen Dritten bedeutet noch keine Beauftragung des Schiedsgutachters mit daraus resultierenden Vertragspflichten. Der Vertrag mit dem Schiedsgutachter kommt erst dann zustande, wenn die Vertragspartner der Schiedsgutachterabrede den Schiedsgutachter gemeinsam – oder eine Vertragspartei mit Vollmacht der anderen – mit der Erstattung der schiedsgutachterlichen Leistung beauftragen und der Sachverständige diesen Auftrag annimmt.
Der Vertrag ist nach herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung ein Werkvertrag, so dass die Bestimmungen der §§ 631 ff. BGB Anwendung finden. Schriftform ist nicht erforderlich, wird aber dringend angeraten. Inhaltlich sollte der Schiedsgutachtervertrag insbesondere Regelungen enthalten zum Gegenstand und Zweck der Leistungsbestimmung, zu Mitwirkungspflichten der Parteien der Schiedsgutachterabrede, zu beurteilungsrelevanten Unterlagen und zu sonstigen das Verfahren der Leistungsbestimmung betreffenden Vereinbarungen. Sinnvoll ist außerdem, in diesem Vertrag deutlich zu machen, dass das Ergebnis der schiedsgutachterlichen Entscheidung für beide Vertragsparteien verbindlich sein und daher die beauftragte Person ausdrücklich als Schiedsgutachter tätig werden soll und daher auch nur für eine grob unbillige oder grob unrichtige Entscheidung haftet.

Quelle NJW 12/2015