Der Weg zum Hochschullehrer

Von Prof. Dr. Paul Krell

Seit dem 1. April 2021 bin ich Inhaber eines Lehrstuhls für Strafrecht – und damit hauptberuflich Rechtswissenschaftler. Aber wie und warum macht man die Wissenschaft zum Beruf? Auf diese Frage gibt es keine eindeutige Antwort. Lassen Sie mich zunächst den gewöhnlichen (d.h.  üblichen) Werdegang erläutern:

Grundvoraussetzung ist natürlich eine Promotion, die realistischerweise mit »magna cum laude« oder »summa cum laude« bewertet worden sein sollte. Bis zum Abschluss der Promotion unterscheidet sich der Lebenslauf nicht großartig von den Lebensläufen anderer Juristinnen oder Juristen, die sich für eine Promotion entschieden haben.

Da neben der Forschung auch die Lehre eine wichtige Rolle spielt, ist es aber üblich und sinnvoll, die Dissertation mit einer wissenschaftlichen Mitarbeit an einem Lehrstuhl zu flankieren. Auch wenn häufig die Praxisferne von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hervorgehoben wird: Die allermeisten haben das Referendariat absolviert. Das ist zwar keine Voraussetzung für Habilitation und Berufung, aber nur ganz wenige gehen diesen Weg ohne zweites Staatsexamen.

Nach der Promotion folgt die Habilitation

Die erste wesentliche Weichenstellung erfolgt nach der Promotion. Es folgt nun die Habilitation. Noch ein Buch, im Zweifel dicker – und jedenfalls mit noch höheren Ansprüchen. Wenn man sich also während der Promotion schon mit dem Schreiben gequält hat, ist das ein gutes Indiz, dass der Weg in die Wissenschaft der falsche ist. Traditionell verfasst man die Habilitationsschrift auf einer »Assistentenstelle«; heute heißt es »Akademischer Rat auf Zeit«. Dies ist stets eine »volle« Stelle. Im Gegensatz zur meist eher geldkargen Promotionszeit erhält man hier ein vollwertiges Einkommen.

Natürlich kann dieses genauso wenig mit anderen möglichen Einkommen mithalten wie später die Besoldung als Professorin oder Professor. Diesen Weg wählt man aber auch nicht des Geldes wegen. Ganz im Gegenteil: Wer die erforderliche Qualifikation für diesen Weg hat, könnte deutlich mehr verdienen.

Die Habilitationsschrift wird nicht mehr mit einer Note bewertet. Sie wird nur angenommen oder abgelehnt. Das Verfahren endet mit einem Vortrag, der traditionell große Bedeutung hat und daher höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügen muss. Danach ist man berechtigt, die Bezeichnung »Privatdozent« zu führen. Viele kennen solche Privatdozentinnen oder -dozenten noch aus dem eigenen Studium. Bis zum Ruf ist es üblich, Professuren zu »vertreten«.

Der Bedarf dafür ergibt sich vor allem durch Forschungsfreisemester oder deshalb, weil eine Professur wegen eines Stellenwechsels frei geworden ist. Die Vertretungszeit ist oft mühselig, weil man häufig den Berufsort wechselt und das lehren muss, was sonst die vertretene Person lehrt.

Über die Juniorprofessur zum eigenen Lehrstuhl

Ich selbst bin diesen »traditionellen« Weg nicht gegangen. Seit Beginn des 21.Jahrhunderts gibt es nämlich eine Alternative: die Juniorprofessur. Deren Grundidee ist es, dem wissenschaftlichen Nachwuchs auch schon vor abgeschlossener Habilitation die Möglichkeit zu eigenständiger Forschung und Lehre zu geben.

Dahinter stehen vor allem pragmatische Überlegungen. In vielen Fächern steht mit abgeschlossener Promotion der Weg zur Professur im Ausland offen, weil das Habilitationsverfahren eine Besonderheit in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist. Insbesondere in den Naturwissenschaften besteht damit das Risiko, dass der besonders herausragende wissenschaftliche Nachwuchs lieber direkt ins Ausland geht, anstatt sich in Deutschland den Mühen einer Habilitation auszusetzen.

Rechtlich funktioniert das Ganze so, dass nach drei Jahren die Juniorprofessur »zwischenevaluiert« wird. Das geschieht durch eine Kommission, die auch ein Gutachten erstattet, das sich vor allem auf Forschung und Lehre während der Juniorprofessur bezieht. Eine positiv zwischenevaluierte Juniorprofessur steht einer abgeschlossenen Habilitation rechtlich gleich.

Gleichwohl kommt es auf die einzelne Disziplin an. In der Rechtswissenschaft ist das Risiko, den wissenschaftlichen Nachwuchs ins Ausland zu verlieren, gering. Deshalb können es sich die Universitäten leisten, de facto weiter eine »echte« Habilitation zu erwarten. Seit einigen Jahren setzen sich aber Juniorprofessuren mit »Tenure Track« mehr und mehr durch. Bei ihnen ist es so, dass nach Ablauf der Juniorprofessur (d.h. nach sechs Jahren) diese in eine vollwertige Professur übergeht.

Die Juniorprofessur ist für mich eine tolle Erfahrung, weil sie eigenständige Forschung und Lehre zu einem sehr frühen Zeitpunkt ermöglicht. Damit geht aber viel Arbeit einher – im Zweifel mehr als auf einer Assistentenstelle. Man sollte das also persönlich gut abwägen. Das Risiko besteht, dass einem die Zeit fehlt, die man für die Habilitation benötigt.

Gerade die Juniorprofessur mit Tenure Track verspricht dafür frühzeitig eine sehr gute Perspektive. Die leidige Vertretungszeit kann entfallen. Nun wissen Sie, auf welchem Weg man in die Wissenschaft kommt. Ob man dorthin will, ist eine andere Frage. Meines Erachtens sollte man diesen Weg nur gehen, wenn  einem sowohl Forschung als auch Lehre großen Spaß machen.

 

Über den Autor:

Prof. Dr. Paul Krell
seit April 2021 Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht in der globalisierten und digitalisierten Risikogesellschaft an der Bucerius Law School. Zuvor war er dort Juniorprofessor. Er forscht vor allem im Wirtschafts- und Umweltstrafrecht.

 

Weitere Informationen, Tipps und Literatur zu Studium und Referendariat finden Sie auf beck-shop.de. 

Übrigens: Testen Sie die NJW und die Ausbildungszeitschriften JuS und JA jetzt kostenlos im Probeabo.