Wie wär’s mit Justizverwaltung?

von Dr. Lars Niesler

Wer eine Laufbahn als Richterin oder Richter, Staatsanwältin oder Staatsanwalt anstrebt, entscheidet sich scheinbar gegen eine Laufbahn in der Verwaltung. Das ist nur bedingt richtig. Auch die Justiz verfügt über eine Verwaltung – und zwar auf allen Ebenen, bei jedem Gericht und bei jeder Staatsanwaltschaft. Hinzu kommen die Ministerien des Bundes und der Länder.

Nichts geht bei Gericht ohne die Verwaltung

Verwaltungsabteilungen sind bei vielen Richtern unbeliebt, insbesondere bei denjenigen, die nie eine Verwaltungsaufgabe übernommen haben. Immer wieder wird der Vorwurf laut, die Verwaltung ziehe Ressourcen ab, die besser für Rechtsprechungstätigkeiten eingesetzt werden könnten. Manche meinen, die Hauptaufgabe der Verwaltung bestehe darin, den Richtern das Leben schwerzumachen. Doch weit gefehlt. Eine Justiz funktioniert ohne Verwaltung nicht! Irgendjemand muss sich zum Beispiel um die Beschaffung von Computern und die Schulung von Richtern kümmern. Gesetzesreformen setzen sich nicht von alleine um. Presseanfragen müssen beantwortet, Beurteilungen geschrieben werden.

Fachebene vs. Verwaltungsschiene?

Viele Kolleginnen und Kollegen wollen ausschließlich in der Rechtsprechung tätig sein. Jeder tritt für die Tätigkeit als Richter in die Justiz ein. Das Richteramt ist ein wunderbarer Beruf. Die Arbeit am Gesetz, das Verhandeln mit den Parteien, der Versuch des Ausgleichs und die Durchsetzung des Rechts sind Aufgaben, die täglich herausfordern und sinnstiftend sind. Das muss aber nicht alles sein. Es gibt in der Justiz neben der Fachschiene auch die Verwaltungsschiene.

Keine Angst: Beide schließen sich nicht aus. Jedem Richter bleibt immer noch ein Anteil seiner Arbeitskraft, mit dem er Recht spricht. Aber daneben gibt es noch einen bunten Strauß von Tätigkeiten, die kaum jemand kennt. Ungeahnte Möglichkeiten und Herausforderungen Als noch junger Assessor wurde ich durch meinen damaligen Amtsgerichtspräsidenten behutsam in Verwaltungsangelegenheiten eingebunden – erst die Leitung der Bibliothek, dann die Organisation der hausinternen Fortbildungsveranstaltungen mit Etatverantwortlichkeit.

Später wurde ich für einige Jahre in das Justizministerium abgeordnet. Hier galt es (zusammen mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen) die Reform des Grundbuchwesens in Baden-Württemberg umzusetzen. 665 Grundbuchämter mussten aufgehoben und an 13 Standorten komplett neu aufgebaut werden  – dies bei einem völligen Umbau des Personalkörpers und der Einführung der elektronischen Grundakte. Es hat funktioniert!

Wir haben gemeinsam die elektronische Grundakte zum Laufen gebracht, 182 km Papierakten in ein Grundbuchzentralarchiv verbracht, für nicht mehr benötigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Servicebereich eine Anschlussverwendung gefunden und viele junge Leute für das Studium der Rechtspflege mit späterem Einsatz im Grundbuchamt gewonnen. Wir konnten auch geeignete Standorte finden.

Bei einem Standort hieß es plötzlich, er läge im Rotlichtmilieu. Große Aufregung! Plötzlich wusste jeder von den »Russian Babes«. Also musste ich  den möglichen Standort und die Etablissements in Augenschein nehmen – natürlich nur von außen! Entwarnung. Das Gebäude lag in einem seriösen Gewerbegebiet.

Direktor des Amtsgerichts

Nach den lebhaften und lehrreichen Jahren im Justizministerium und der Erprobungsabordnung zum OLG bot sich mir die Gelegenheit, selbst eines der neuen Grundbuchämter zu führen – verbunden mit den Aufgaben eines Direktors des Amtsgerichts. Das Amtsgericht hatte ursprünglich zwölf Mitarbeiter, durch die Grundbuchamtsreform kamen 50 weitere hinzu. Aus diesen galt es eine Einheit zu schmieden.

Zudem musste ich die Herausforderungen der damals knirschenden Reform vor Ort angehen, den Sorgen und Nöten der Mitarbeiter Rechnung tragen, die ständig wachsenden Bestände organisieren und nebenher noch Zivilverfahren verhandeln und in Betreuungssachen Anhörungen durchführen.

Aber dank der Anstrengung aller Beteiligten steht das Grundbuchwesen im Ländle besser da denn je. Unverhofft bot sich mir die Gelegenheit, als Direktor an ein größeres Amtsgericht zu wechseln  – ohne Grundbuchamt, aber mit mehr Richterinnen und Richtern. Ich durfte ein wohlbestelltes Haus mit einer hervorragenden Kollegialität übernehmen. Meine Aufgabe sehe ich darin, dies zu erhalten. Hier gibt es viel zu tun.

Beispielsweise wollen Assessorinnen und Assessoren beurteilt werden. Meine Aufgabe ist es, für die Präsidentin des Landgerichts Beurteilungsbeiträge zu erstellen, auf die sie ihre Beurteilung stützen kann. Dies erfordert Sitzungsbesuche, das Durchsehen von Verfahrensakten und viele Gespräche, um mir einen umfassenden Eindruck von der Person machen zu können.

Daneben sind Bürger am Telefon, die Hilfe suchen oder sich beschweren wollen. Im Zweifel landen sie alle beim Direktor. Hier ist Bürgernähe, aber auch Repräsentation gefragt. Und wenn nach Beileidsbekundungen im Todesfall und Glückwünschen bei freudigen Ereignissen auch die Beförderungsurkunden ausgehändigt sind, widme ich mich Betreuungsangelegenheiten, Landwirtschafts- und Nachlasssachen. Direktor des Amtsgerichts – mitten im Leben.

 

Über den Autor:

Dr. Lars Niesler
hat in Passau Jura studiert. Er war zunächst zwei Jahre in München als Rechtsanwalt tätig, bevor er in die baden-württembergische Justiz eintrat. Seit 2020 leitet er das Amtsgericht Mosbach. Der Autor ist zudem Schriftleiter der NZWiSt.

 

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