Social Media im Anwaltsberuf – Für mehr sichtbare Diversität im Recht

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von Anna Maria Göbel

Diversität bedeutet im ursprünglichen Sinne Vielfalt und Vielfältigkeit. Diese sollte nicht nur in allen Bereichen des Lebens herrschen, sondern auch im Recht und dessen Ausübung. Ein Beiklang im Hinblick auf Privilegien und Diskriminierung, wie es heute oft impliziert wird, ist damit hier nicht gemeint. Eine der wunderbaren Folgen der Diversitäts-Debatte ist, dass auch im Ausleben von rechtlichen Berufen, speziell im Anwaltsberuf, mehr Facettenreichtum erlaubt ist. Außerdem wird der Handlungsspielraum durch technische Möglichkeiten vergrößert, wodurch neue Märkte erschlossen werden können. Dies erfordert zwar Mut, doch das erweiterte Tätigkeitsspektrum ist auch erfolgsversprechend.

Vom Tagebuchschreiben zur Social-Media-Anwältin 

Persönlich hat mein Leben in den sozialen Medien mit dem Ausleben meines Fürsorge-Auftrages bei meinem minderjährigen Kind begonnen, der ebenfalls zum Inhalt hatte, mich mit neuen Medien wie Instagram, Snapchat, Twitter, etc. zu beschäftigen, um zu lernen, zu besprechen und an dem Betreten von neuen Ufern teilzuhaben. Schnell entdeckte ich dann die Funktion eines elektronischen Tagebuches für mich, die perfekt dazu geeignet war, mir die Ereignisse des Tages oder schwierige Akten und Sachverhalte von der Seele zu schreiben, in dem Wissen, dass es sich um einen persönlichen und von der Umwelt – insbesondere dem juristischen Umfeld von Kollegen – freien und unzensierten Bereich handelt. Es waren insoweit rein egoistische Motive von Katharsis und Entspannung, wobei nicht absehbar war, dass die Texte so einen Zuspruch erhalten würden.

Eine Plattform für digitale Aufklärungsarbeit

Den häufig gebrauchten Begriff des „Lawfluencers“ finde ich hingegen irreführend und falsch: Juristen sind per se, schon allein durch die Entscheidung für ihren Beruf, dem Recht und Gesetz verpflichtet. Die Teilhabe am Recht und insbesondere am Wissen um die eigenen Rechte ist gesellschaftlich ein wichtiges Gut, zu dem auch Menschen außerhalb dieses Tätigkeitsfeldes Zugang haben sollten. Es geht nicht darum, Leser zu beeinflussen, sondern um eine quasi aufklärerische Tätigkeit und Dienstleistung für Interessenten. Denn es ist keinesfalls so, dass jeder Mensch, der in Deutschland lebt, gut um seine Rechte weiß, sobald es über einen Rotlichtverstoß hinausgeht. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede in den Rechtsgebieten: Den meisten Menschen in Deutschland sind die Folgen von Geschwindigkeitsübertretungen, illegalen Autorennen, etc. schon aus der Fahrschule oder Tagespresse bekannt, da diese Gebiete deutlich präsenter und vielleicht auch aufsehenerregender sind als z.B. das Familienrecht. Denn im Familienrecht erwirbt man selbst als angehender Jurist im Studium nur rudimentäre Kenntnisse. Zudem gilt das Rechtsgebiet als unattraktiv, weil es alle emotionalen Lebensmomente (Heirat, Tod, Geburt) mit Regeln belegt, von denen die meisten bei diesen Ereignissen nichts wissen wollen, weil unromantisch. Das führt selbst bei gebildeten Menschen zu erschreckenden Fehlvorstellungen: so glauben viele, dass es Ehegatten-Unterhalt nur bis zum 3. Lebensjahr eines Kindes gibt oder nach der Hochzeit beiden alles gemeinsam gehört. Ähnliches gilt etwa auch für Pferderecht, Designrecht, Sportrecht oder Maklerrecht.

Raum für persönliche und berufliche Selbstentfaltung

Social Media und die dadurch sichtbar werdende Diversität bei Juristen ist mittlerweile auch für unseren Berufsstand unabdingbar: digitale Visitenkarte, Akquiseplattform ohne räumliche Beschränkung für die individuelle Mandantengruppe, Möglichkeit zur Mitarbeitergewinnung, Vernetzungs-Tool mit anderen Kollegen und unterhaltsame Informationsquelle, um Wissen aus anderen Rechtsgebieten für sich zu generieren. Diversität heißt daher für die junge Anwaltschaft auch, sich genau dem Rechtsgebiet zuwenden zu können, das man bevorzugt und es auf seine ganz eigene Art und Weise darzustellen und zu leben. Ob singend oder tanzend, gepaart mit Fitness-Tipps, mit pinker Perücke auf dem Kopf oder als Fashion- oder Lifestyle-Blog. Diversität braucht Freiheit. Freiheit braucht auch im Beruf Mut, bringt aber eindeutig mehr Erfolg und Glück.

Über die Autorin:

Anna Maria Göbel
ist Fachanwältin, Mediatorin und Trennungscoach. Sie ist ausschließlich und aus Überzeugung im Familienrecht, mit den Schwerpunkten Ehevertragsberatungen und Trennungsfolgevereinbarungen, tätig und betreut ihren eigenen Blog sowie den Instagram-Kanal @frau.rechtsanwalt.

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