„Es erben sich Gesetz und Rechte/Wie eine ew'ge Krankheit fort“, ließ der Jurist Goethe seinen Mephisto in Faust formulieren. Nicht nur ist diese Erkenntnis Teil der Weltliteratur geworden, in ihr steckt auch ein Stück Wahrheit.
Die juristische Arbeitsweise hat sich nämlich, so scheint es auf den ersten Blick, in den letzten Jahrhunderten kaum gewandelt: Normen sind und waren auszulegen; Rechtsstreitigkeiten sind und waren mit Hilfe von Anwaltschaft und Justiz zu lösen.
Doch auch der alte Goethe konnte die umwälzenden, disruptiven Entwicklungen der Digitalisierung nicht vorhersehen, die inzwischen auch die Juristerei erfasst haben und dabei sind, diese grundlegend zu ändern. „Legal Tech“ – also die Digitalisierung des Rechts – ist inzwischen in aller Munde.
Die Arbeit im Rechtsmarkt lohnt sich gerade jetzt
Eines ist insofern klar: Gerade in diesen Zeiten lohnt es sich (wieder) die juristische Ausbildung – über deren Zukunftsfestigkeit berechtigterweise zwar gestritten werden kann – zu durchlaufen, denn spannender könnten die Zukunftsperspektiven jedenfalls kaum sein. Dessen war ich mir kaum bewusst, als ich 2011 mein Studium an der EBS Universität in Wiesbaden aufnahm.
Nach dem Durchlaufen der Ausbildung stieß ich während meiner Promotionszeit eher zufällig auf die digitalen Lösungsmöglichkeiten juristischer Problemstellungen. Ausgehend von eigenen negativen Erfahrungen, fing ich an mit zwei Schul- und Studienfreunden, die beide keine Juristen sind, systematisch und bald auch automatisch Fluggesellschaften auf die Rückzahlung von Steuern und Gebühren zu verklagen, die – was viele nicht wissen – immer zu erstatten sind, wenn der Passagier einen Flug nicht antritt.
Dabei stellten wir uns zu allererst die Frage, wie wir den Passagieren, die sich ihrer Rechtsansprüche allzu häufig leider gar nicht bewusst sind, am besten helfen können. Wir entschieden uns auf Basis der Rückmeldungen unserer ersten Kundinnen und Kunden für das sog. „Consumer Claims Purchasing“.
Dabei kaufen wir den Verbraucherinnen und Verbrauchern ihre Ansprüche ab und zahlen ihnen sofort das fällige Geld aus, abzüglich unserer Provision. Doch woher das dafür notwendige Geld nehmen? Wiederum über Zufälle lernten wir zwei Business Angels kennen, die uns mit erstem Kapital ausstatteten, um den Kunden ihr Geld auszuzahlen und unsere technische Infrastruktur aufzubauen. Der erste Schritt war damit gemacht, viele weitere Schritte sollten folgen.
Inzwischen haben wir weitere Finanzierungen mit Venture-Capital-Investoren abgeschlossen, beschäftigen bei RightNow gut 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Büros in Düsseldorf und Berlin, helfen jedes Jahr Hunderttausenden, ihr Recht einfach durchzusetzen (nämlich indem sie sofort ihr Geld von uns bekommen) und decken dabei diverse Rechtsgebiete ab – exemplarische Auswahl: vom Recht der privaten Krankenversicherungen, über das Energierecht bis hin zu Erstattungen bei Online Casino-Verlusten. Bei alledem sind wir keine Anwaltskanzlei, sondern ein Legal-Tech-Unternehmen.
Motivation finden und Spaß haben
Sobald dies so manchem meiner Gesprächspartner klar wird, höre ich oft die Frage: „Und wann machst du dann mal was Richtiges?“. „Nun, was ist denn ‚was Richtiges‘?“, entgegne ich dann regelmäßig.
Die Erkenntnis: Häufig spukt wohl der alte Goethe noch in den Köpfen herum, gedacht wird an die klassischen juristischen Tätigkeitsfelder, die – nur um das klarzustellen – sehr spannend und reizvoll sind. Doch ab und an lohnt es sich, neben den ausgetretenen Pfaden zu gehen. Bei mir war das wohl in zweierlei Hinsicht der Fall:
Zum einen ist die Tätigkeit im Legal-Tech-Bereich immer noch die Ausnahme und nicht die Regel – und das, obwohl Deutschland in dieser Branche in puncto Innovation und Start-Up-Landschaft endlich mal ganz vorne mit dabei ist. Deswegen kann ich nur jede und jeden ermuntern, sich intensiv mit der Digitalisierung des Rechts auseinanderzusetzen und neue Ideen zu entwickeln. Zum anderen habe ich meine Leidenschaft gefunden: Juristischer Unternehmer zu sein und mich dabei unternehmerisch mit spannenden rechtlichen Fragen zu beschäftigen. Einige dieser Fragen brachten uns zum Beispiel im Schnittfeld von AGB-Recht und internationalem Privatrecht vor den Europäischen Gerichtshof.
Unternehmerisch zu agieren, ist faszinierend und macht wirklich Spaß. Natürlich gab es auch viele Rückschläge. Aber das Positive überwiegt deutlich: Jeden Tag etwas unmittelbar und ganz konkret bewegen zu können, erfüllt das Leben. Und das ist es doch, worauf es letztlich ankommt – ob das nun „was Richtiges“ ist oder nicht. Mein aktueller Weg dorthin liegt neben den ausgetretenen Pfaden. Das ist bestimmt nicht für jeden das Richtige.
Werben möchte ich aber für drei Dinge: Erstens, Legal Tech ist ernst zu nehmen und sollte viel mehr in den Vordergrund gerückt werden – in der Ausbildung, im Beruf und in der Politik (der Koalitionsvertrag gibt Anlass zu berechtigter Hoffnung). Zweitens, Deutschland braucht mehr Unternehmerinnen und Unternehmer – auch und gerade Juristinnen und Juristen sollten das im Kopf behalten. Und drittens sollte jede und jeder für sich selbst herausfinden, was ihn bzw. sie erfüllt. Den Weg dahin sollte man dann gehen. So wird aus der „ew’gen Krankheit“ hoffentlich auch eine „ew’ge Freude“.
Dr. Benedikt Quarch
BWL- und Jura-Studium in Wiesbaden und Montréal
Promotion an der EBS Law School
Co-Founder und Geschäftsführer der Right Now Group
Gründer der Initiative „Founders in Law”
Auszeichnung "30 under 30" von Forbes