Wie Legal Tech die Arbeit von Juristen verändert

von Thilo Mollenhauer

Legal Tech-Anwendungen werden für die tägliche Arbeit in den Kanzleien in Zukunft eine echte Bereicherung darstellen. Vor allem gleichförmige, wiederkehrende Arbeiten im Kanzleialltag erledigt zunehmend eine entsprechende Software. Was das für Anwälte und ihre Mitarbeiter bedeutet, erklärt Legal Tech-Experte und Volljurist Thilo Mollenhauer.

Für das Schlagwort Legal Tech gibt es eine Vielzahl von Definitionen, die teilweise recht weit reichen. Doch nicht alles, was an IT-Ressourcen vom Anwalt irgendwie eingesetzt wird, ist auch unter den in Mode gekommenen Begriff zu fassen.

Am griffigsten ist wohl die eher strenge Definition, dass mit Legal Tech all jene Technologielösungen beschrieben werden, die den Anwalt bei der juristischen Arbeit selber und beim Kanzlei- und Mandanten-Management unterstützen. Meist haben solche Anwendungen auch einen (teil-) automatisierenden, »mitdenkenden« Charakter. Legal Tech-Anwendungen erledigen dabei beispielsweise Standardaufgaben im Rahmen der Mandatsorganisation, die früher das Sekretariat übernommen hat.

Darüber hinaus bezeichnet Legal Tech aber auch Anwendungen, die Mandate zu einem bestimmten Sachverhalt nach einem einheitlichen Schema rationalisieren und teilautomatisiert ablaufen lassen. So könnte ein »intelligenter« Assistent beim Einfordern von Schadensersatzansprüchen oder beim Formulieren von Widersprüchen im Verwaltungsverfahren helfen oder den Rechtsuchenden beim Ausfüllen von komplexeren Formularen an die Hand nehmen. In diesem Fall können Mandanten ihre Rechte effizienter wahrnehmen und Rechtsanwälte die Mandate mit vereinheitlichten Workflows durch eine Software unterstützen lassen.

Stets handelt es sich dabei um einen überschaubaren Standardprozess für Mandanten, die den Weg zum Anwalt sonst nicht gewagt hätten, eine formalisierte Lösung zu erhalten.

Start-ups automatisieren die Juristerei – Anwälte können das auch

Optimal aus Cashflow-Sicht betreiben dieses Geschäft sogenannte Legal Tech-Start-ups, die jeweils genau einen juristischen Sachverhalt abbilden können, diesen dafür aber maximal automatisiert umsetzen.

Doch auch für vielfältiger aufgestellte Kanzleien lassen sich Legal Tech-Anwendungen im Dialog mit dem Kunden nutzen, etwa im Rahmen der juristischen Vorprüfung eines Sachzusammenhangs. Ebenso Chatbots, also textbasierte Dialogsysteme, fallen nämlich hierunter. So kann der Mandant mit Hilfe standardisierter Fragen zum Thema herausfinden, ob sich die Kontaktaufnahme mit dem Anwalt lohnen würde oder ob sein Ansinnen vor Gericht gänzlich aussichtslos wäre.

Eine solche chatbasierte Lösung kann Verbrauchern die Schwellenangst vor der Kanzlei nehmen und Anwälten zusätzliche Mandantschaft generieren. Und ganz nebenbei kann bei einem solchen Workflow der Mandant einige verwaltende, sonst manuelle Tätigkeiten übernehmen, etwa das Anlegen von Kontaktdaten oder die Angabe der fallbezogen benötigten Informationen. Gerade viele größere Kanzleien nutzen derartige Tools daher bereits heute, um einen Mehrwert zu schaffen.

Legal Tech: Mehr Zeit fürs juristische Kerngeschäft

Doch egal, welchen Teilbereich des Themas man betrachtet: Legal Tech heißt nicht, dass irgendeine Berufsgruppe – weder der Anwalt selbst noch die Rechtsanwaltsfachangestellten – in Zukunft keine Arbeit mehr haben. Die Arbeit wird durch derartige Organisationshilfen sogar anspruchsvoller und vielfältiger. Gleichförmig Wiederkehrendes (damit aber vortrefflich Automatisierbares) wird so zur Aufgabe, die sich an die IT auslagern lässt.

Ein Beispiel hierfür ist das einfachere Nachhalten und Erledigen von Anträgen, die aufgrund von strukturiert vorliegenden Informationen automatisch erstellt und versandfertig gemacht werden können. Für Anwälte bedeutet das, dass sie in Zukunft zeitraubende, aber wenig anspruchsvolle Aufgaben an eine Software übertragen und im Tagesgeschäft mehr Zeit für die eigentliche anwaltliche Kreativtätigkeit gewinnen.

Die Vorteile im Kanzleimanagement, die Legal Tech-Lösungen mit sich bringen, liegen dabei auf der Hand: Der Anwalt wird auf anstehende Fristen und Aufgaben hingewiesen, kann seine Arbeit leichter strukturieren, sich auf die juristische Praxis konzentrieren und flexibel auf Anfragen aus dem Team reagieren. In Echtzeit sieht er, welchen Status der neue Schriftsatz eines Mitarbeiters hat, kann diesen prüfen und freigeben – und sieht etwa auch die Hinweise, die sein Kanzleikollege zu einem ähnlichen Fall formuliert hat.

Und quasi nebenbei sorgt die Digitalisierung aller Informationen sowie der Schriftsätze und Dokumente auch dafür, dass sämtliche Akten jederzeit und überall via Notebook oder Tablet verfügbar sind. Vor und während der Gerichtsverhandlung, im Gespräch beim Mandanten, aber auch im Homeoffice stehen so sämtliche Dokumente und sonstige mandatsrelevante Informationen strukturiert, mit wenigen Klicks auffindbar und vollständig durchsuchbar zur Verfügung.

Eine Cloud-Lösung ist hierbei noch einfacher zu handhaben und besser für Teamarbeit geeignet als eine Software, für die sich der Nutzer auf dem Büro-Server anmelden muss.

Methodische Parallelen zwischen Juristerei und IT

Die gedanklichen Hürden für Juristen sind bei Legal Tech-Lösungen gar nicht mal hoch: IT-Vorwissen ist weniger relevant als die Bereitschaft, in abstrakten informationstechnischen Mustern zu denken. Dabei zeigt sich spannenderweise schnell, dass Argumentationsweise und Denken von Juristen dem der Informatiker durchaus ähnlich sind: Es geht um exakt definierte Begrifflichkeiten, klare Regeln, Variablen und Wenn-dann-Konstruktionen.

Wer die Bereitschaft für Legal Tech mitbringt, kann seiner Kanzlei und dem eigenen beruflichen Fachgebiet neue Effizienz verschaffen. Wichtig ist aber, sich am Anfang für schlanke Tools mit einfachen Strukturen zu entscheiden.

Diese dürfen den Juristen und seine Mitarbeiter nicht mit schierer Funktionsvielfalt erschlagen, sondern müssen als roter Faden zur Verfügung stehen, der sich an den Workflows und Gegebenheiten der Kanzlei orientiert. Gerade angesichts zunehmender Kollaboration und Spezialisierung in den Kanzleien ermöglichen Legal Tech-Anwendungen konstruktivem, kollaborativem Arbeiten und den wachsenden Anforderungen des anwaltlichen Alltags gerecht zu werden.

Die größte Herausforderung, Legal Tech in der eigenen Organisation zu verwenden, ist nicht die Software, sondern das Mindset der Rechtsanwälte. Dabei sollte gedanklicher Dreh- und Angelpunkt der Nutzen für den Mandanten sein. Und wenn am Ende auch noch eine Effizienzsteigerung der eigenen Arbeit die Folge ist – umso besser!

Über den Autor:

Thilo Mollenhauer
Produktmanager für Actaport

https://www.actaport.de/

Quelle BECK Stellenmarkt Karrierebeilage I/2020