Am Puls der Zeit

Dr. Nicola Ohrtmann und Dr. Markus Haggeney im BECK Stellenmarkt Interview

In der Digital Study 2021 (= einer gemeinsamen Studie von LEX superior, dem Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften, ELSA Deutschland und der LEGAL ®EVOLUTION) gaben 83 Prozent der befragten Nachwuchsjuristen an, dass sie die Vereinbarkeit von Familie bzw. Freizeit mit dem Beruf bei der Jobwahl wichtiger finden als das Gehalt. Im BECK Stellenmarkt-Interview berichten Dr. Nicola Ohrtmann und Dr. Markus Haggeney, Partnerin bzw. Managing Partner bei Aulinger Rechtsanwälte, unter anderem davon, wie es in ihrer Kanzlei um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestellt ist und was sie über eine gesunde Work-Life-Balance sowie die Option eines Sabbaticals denken.

Frau Dr. Ohrtmann, Sie beraten im Vergaberecht, einer sich ständig im Wandel befindlichen Rechtsmaterie. Was reizt Sie gerade an diesem Bereich?

Dr. Nicola Ohrtmann: Mich reizt genau das, was Sie in Ihrer Frage bereits ansprechen. Es wird im Vergaberecht nie langweilig. Das Vergaberecht arbeitet an der Schnittstelle des klassischen Wettbewerbsrechts zur Korruptionsbekämpfung und Politik. Beschafft der Staat Leistungen, muss er zum einen natürlich wirtschaftlich, zum anderen aber auch gerecht und transparent einkaufen. Man schaut ihm mit dem Vergaberecht genau auf die Finger, wie und zu welchem Zweck er die Steuergelder in welcher Höhe ausgibt.

In Krisenzeiten wie der Pandemie spielt das Vergaberecht an der Seite des Staates als Krisenmanager eine zentrale Rolle. Genauso ist das Vergaberecht gefordert, wenn es darum geht, unser aktuell wichtigstes Thema - die Begrenzung der durch den Klimawandel hervorgerufenen Schäden durch nachhaltige und innovative Beschaffung - voranzutreiben. Mit kaum einem anderen Rechtsgebiet arbeiten Sie so sehr am Puls der Zeit, wie mit dem Vergaberecht. Ich empfinde meinen Beruf als sehr sinnstiftend.

Der Beruf der Anwältin oder des Anwalts gilt aber auch als besonders anspruchsvoll und zeitintensiv, da ist das Vergaberecht sicher keine Ausnahme – wie gelingt es Ihnen Ihren Beruf mit der Familie zu vereinbaren?

Dr. Nicola Ohrtmann: Mal besser, mal schlechter. Als Mutter bin ich an erster Stelle meinen Kindern, meiner Familie verpflichtet. Als Anwältin bin ich Dienstleister und meinem Mandanten ebenfalls sehr verpflichtet. Beide Rollen fülle ich mit viel Herzblut aus. In beiden Rollen entstehen Dringlichkeitsfälle, in denen sofortige Präsenz geboten ist.

Klar wird das schwierig, wenn ein Nachprüfungsantrag genau dann hereinkommt, wenn die Kinder gerade krank sind. Arbeitet man als einer von vielen angestellten Anwälten in einem großen Team, in dem die Arbeit gut zwischen den Kollegen verteilt werden kann, ist das kein Problem. Dann wird die Arbeit eben so verteilt, dass es passt. Ist das nicht der Fall oder man steht persönlich in der Mandatsverantwortung, muss man versuchen, beiden Bedürfnissen gerecht zu werden. In unzähligen Fällen hat das für mich schon bedeutet, dass ich tagsüber schwerpunktmäßig für die Kinder da war, und nachts, wenn sie schliefen, gearbeitet habe. Das kann auf Dauer sehr anstrengend sein.

Inwieweit unterstützt Ihre Kanzlei hier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ganz konkret mit entsprechenden Angeboten?

Dr. Nicola Ohrtmann: Wir haben gelernt und verstanden, dass man hier sehr individuell auf die Bedürfnisse der jungen Kolleginnen und Kollegen eingehen muss. Viele junge Kollegen wollen heute verlässliche Arbeitszeiten, damit ihre Freizeit neben der Arbeit nicht zu kurz kommt, unabhängig davon, ob sie sie mit Familie, Freunden, Sport oder Hobbies füllen. Wer das nicht akzeptiert und den Job entsprechend organisiert, wird keinen anwaltlichen Nachwuchs bekommen, erst recht keinen guten.

Auch die junge Generation wird aber dann, wenn sie in Mandatsverantwortung hineinwächst oder ein Argument für sich in der Mandatsakquise aktivieren möchte, erkennen, dass man um die dem Mandat geschuldete Extrameile bisweilen nicht umhin kommt, will man seinen anwaltlichen Erfolg nicht auf dem Altar der allseits gepriesenen Work-Life-Balance opfern. In meinen Augen ist das eine – von vielen – unerlässlichen Partnerqualitäten.

Sie haben zunächst als Anwältin in einer großen Wirtschaftskanzlei in Düsseldorf gearbeitet. Inwieweit gibt es gerade beim Thema Work-Life-Balance kulturelle Unterschiede zwischen Ihrem Haus und den ganz großen Einheiten?

Dr. Nicola Ohrtmann: Es gibt auch bei den großen Wirtschaftskanzleien, manchmal auch je nach Beratungsschwerpunkt innerhalb der Einheiten, durchaus Häuser, die mit großen Teams auch das Thema Work-Life-Balance gut umsetzen. Je größer das Team, desto leichter sollte man eigentlich Work-Life-Balance gewährleisten können. Auf der anderen Seite sind die großen Häuser insbesondere ihrer Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Nach wie vor besteht der Deal dort eben bisweilen in einem zwischenzeitlich exorbitanten Gehalt für Berufseinsteiger als Gegenleistung für Lebens- und insbesondere Freizeit. Solche Gehälter können und wollen wir in unserer mittelständischen Einheit nicht zahlen und können sie auch unseren Mandanten gegenüber nicht rechtfertigen, die für die Stundensätze jedes Anwalts eine adäquate Leistung erhalten müssen.

Die gläserne Decke für Frauen, insbesondere solchen mit kleinen Kindern, die in einer Kanzlei Karriere machen wollen, ist in allen Wirtschaftskanzleien nach wie vor ein Problem. Meine persönliche Erfahrung ist die, dass ich zum Aufstieg in die Partnerschaft eben erst in einer mittelständischen Kanzlei überhaupt die Chance erhielt. Das mag heute anders sein. Jedenfalls dem Vernehmen nach scheint die Bewerbermarktsituation da auch die ein oder andere Großkanzlei zum Umdenken bewogen zu haben.

Sie arbeiten als Partnerin in Teilzeit. Wie funktioniert das in der Praxis?

Dr. Nicola Ohrtmann: Als ich Partnerin wurde, war ich bereits in Teilzeit tätig. Ich habe meine Mandate eigentlich genauso weitergeführt, wie ich das zuvor jahrelang auch schon als angestellte Anwältin tat: Eigenverantwortlich mit dem mir damals zugeordneten Associate. In meinem speziellen Fall war es dann allerdings so, dass kurz nach meiner Ernennung der zweite Partner unseres Bereichs in eine andere Kanzlei wechselte. Von diesem Zeitpunkt an war ich dann nicht nur Partnerin, sondern auch Bereichsleiterin und meine Tätigkeit entsprach sehr schnell einer Vollzeittätigkeit. Von daher habe ich dann auch entsprechend aufgestockt. In meinen Augen ist alles eine Frage der Organisation. Solange ich nicht mehr Mandate annehme, als mein Team in geregelten Arbeitszeiten zu leisten in der Lage ist, sollte sich eine Teilzeit-Partnerschaft genauso organisieren lassen wie eine Vollzeit-Partnerschaft. Je größer das Team ist und je eigenständiger seine Mitglieder, desto leichter ist das zu bewerkstelligen.

Ich will aber nicht verhehlen, dass ich da noch lange nicht die perfekte Formel gefunden habe. Mandate lassen sich nicht immer so organisieren, dass alles reibungslos und zeitlich nach Plan läuft. Sie entwickeln sich, sind intensiver und aufwändiger als geplant. Und man ist als unternehmerisch denkender Anwalt auch nicht gut beraten, Mandate immer abzulehnen, wenn durch sie ein paar Überstunden entstehen. Der Anwaltsberuf ist einfach nichts für Menschen, die nicht gerne arbeiten.

Sie sprachen es an, als Anwältin ist man Dienstleister seiner Mandanten. Mandantenbeziehungen basieren oft auf großem Vertrauen. Ich kann mir vorstellen, dass manche Mandanten darauf bestehen, dass Sie nur von Ihnen Feedback erhalten wollen, im besten Fall umgehend. Was entgegen Sie diesen? 

Dr. Nicola Ohrtmann: Dass sie dieses Feedback natürlich auch umgehend erhalten. Jedenfalls im Regelfall. Ist es einfach aufgrund der familiären Situation und wegen bereits bestehender zahlreicher anderer Mandatsbindungen nicht ad hoc möglich? Auch schon vorgekommen. Dann schenke ich dem Mandanten genau diesen reinen Wein ein, bitte um Verständnis und Aufschub. Gibt es nur ein „jetzt oder nie“ empfehle ich geschätzte Kollegen. Dann ist dieses konkrete Mandat eben zum jetzigen Zeitpunkt nichts für mich.

Frauen sind auch heute noch unterrepräsentiert in der Partnerschaft vieler Kanzleien. Ist die Kinderfrage Ihrer Meinung nach hierfür noch immer der vorherrschende Grund?

Dr. Nicola Ohrtmann: Ja.

Wer hat bei Aulinger eigentlich eine realistische Partnerperspektive?

Dr. Markus Haggeney: Wer Partner werden will, muss Mandats- wie auch Personalverantwortung tragen können und wollen. Ersteres dürfte ohnehin die Grundvoraussetzung sein, um einen eigenen Mandantenstamm zu entwickeln, der wiederum die Basis für den benötigten „Business-Case“ bildet. Wer sich selbst und sein Team mit einer belastbaren unternehmerischen Vision als dauerhaften Bestandteil einer mittelständischen Full-Service-Kanzlei etabliert, ist als Partner bei uns angekommen.

Inwieweit unterstützen und fördern Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt auf dem Weg zur Partnerschaft?

Dr. Markus Haggeney: Die meisten unserer Partner sind „Eigengewächse“. Ein „bekannt und bewährt“ ist nach unseren Erfahrungen eine solide Basis für gesundes Partnerwachstum. Beide Parteien sollten wissen, worauf sie sich einlassen. In diesen Fällen führt der verantwortliche Partner als Mentor seinen Associate über viele Jahre in die Partnerschaft.

Es gibt aber mit Thomas Huesmann, Ralf Heine und Nicola Ohrtmann durchaus auch Partnerbeispiele für Quereinsteiger bei Aulinger, die nach Erfahrungen in anderen Kanzleien unsere Art des Miteinanders erst recht besonders zu schätzen wussten. Das kann auch ein guter Weg sein. Auch hier gilt jedoch, dass bislang niemand als Partner zu uns gewechselt ist. Bevor jemand in die Partnerschaft aufgenommen wird, wollen wir ihn erst ein paar Jahre lang kennenlernen. Dann wechselt ein Quereinsteiger mit einer belastbaren Partnerperspektive, aber keinem Versprechen, zu uns und wird von dem für ihn zuständigen Partner auf seinem – deutlich kürzeren, aber immer noch intensiven – Weg in die Partnerschaft begleitet. In jährlichen Reviews sehen sich ein Managing-Partner und der zuständige Partner zusammen mit dem Partnerschaftsanwärter an, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden, woran es liegt, wenn nicht, wie man optimieren kann, etc. Idealerweise steht am Ende dieses Prozesses der Aufnahmebeschluss in die Partnerschaft. 

Frau Dr. Ohrtmann, wir haben erfahren, dass Sie sich mitten in einem Sabbatical befinden. Was hat Sie dazu bewogen?

Dr. Nicola Ohrtmann: Ich habe im Jahr 2002 meine Anwaltskarriere begonnen, also in diesem Jahr 20 Berufsjahre hinter mir. Wenn alles gut läuft, habe ich das gleiche Pensum auch noch einmal vor mir. Das ist für mich ein guter Zeitpunkt für eine Halbzeitpause. Zumal meine Kinder jetzt 10 und 14 Jahre alt sind. Anders als vielleicht andere Kollegen, die ein Sabbat dazu nutzen, ihren Traum von der Weltreise zu verwirklichen, will ich einfach noch einmal ein ganzes Jahr intensiv für meine Kinder da sein. 

Ich mache kein Hehl daraus, dass der Spagat zwischen Familie und Anwaltsberuf für alle Beteiligten anstrengend ist. Nach 20 Jahren anwaltlicher Formel 1 wird es für meine Familie und mich sehr wohltuend sein, ein Jahr lang mal nicht mit Vollgas durch den Alltag zu brettern und sich den für mich größten Luxus Zeit gönnen zu können. Ich bin mir sicher, danach auch wieder mit neuer Kraft im beruflichen Alltag durchstarten zu können. Ich wage die Prognose, dass hiervon auch Aulinger mehr profitieren wird, als dass es der Kanzlei schadet.

Hand aufs Herz. Wirkt sich ein Sabbatical nicht nachteilig auf die eigene Karriere aus? Oder andersherum gefragt: Haben diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die kein Sabbatical einlegen, denn einen Vorteil gegenüber denjenigen, die sich eine Auszeit nehmen?

Dr. Nicola Ohrtmann: Man wird sehen. Dann müssten die Mandanten, die ich jetzt vertröste und an Kollegen verweisen muss, hierdurch für immer verloren sein. Meine persönliche Erfahrung mit einem Jahr anwaltlicher Auszeit nach der Geburt meiner Tochter vor etwas mehr als 9 Jahren war hingegen, dass meine Mandanten durch die Bank weg sich erstens mit mir über meine Auszeit gefreut haben und zweitens sämtlich wieder zu mir zurückgekehrt sind, als ich wieder in den Beruf eintrat. Auch jetzt war die Reaktion auf meine Ankündigung des Sabbatjahres stets Wohlwollen.

Ich glaube, dass ich mir in den letzten 20 Jahres etwas erarbeitet habe, auf dem ich auch in einem Jahr gut werde aufbauen können. Bei den anwaltlichen Kollegen ernte ich übrigens hauptsächlich sehnsüchtige Blicke. Die meisten gestehen ein, dass sie das auch gerne einmal machen würden, sich aber nicht trauen. Ich glaube allerdings schon, dass es auch darauf ankommt, was man schon erreicht hat, um sich ein Sabbatjahr zu gönnen. Sonst kann der vorschnelle Ruf nach dem Sabbatjahr in den ersten Berufsjahren vielleicht tatsächlich neben hochgezogenen Augenbrauen einen Karriereknick mit sich bringen. Nach erfolgreichen (Teil-)Karrieren würde ich das Sabbat befürworten. Wer erholt und gestärkt aus dem Sabbat mit neuer Energie und frischen Gedanken in den Job zurückkehrt, ist in der Regel eine Bereicherung. Es muss ja auch nicht immer ein Jahr sein. Ich kenne viele Arbeitgeber, die auch kürzere Auszeiten von ein paar Monaten oder einem halben Jahr als Sabbat zugestehen.

Wie viele Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die Möglichkeit eines Sabbaticals schon wahrgenommen und wie haben sie diese Zeit genutzt?

Dr. Markus Haggeney: Auszeiten im Sinne einer verlängerten Urlaubszeit gab es schon immer. Ein Sabbatjahr nimmt aber tatsächlich Nicola Ohrtmann als erste Partnerin von uns.

In welchen Bereichen suchen Sie derzeit gezielt neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Dr. Markus Haggeney: Handels- & Gesellschaftsrecht, Vergaberecht, Beihilferecht, Arbeitsrecht.

Für wen sind die Aulinger Rechtsanwälte der richtige Arbeitgeber?

Dr. Markus Haggeney: Bei Aulinger ist gut aufgehoben, wer Freude an anspruchsvollen Mandaten und herausfordernder juristischer Tätigkeit hat, diese aber an der Anwaltsfront im Team erbringen will. Bei uns gibt es kaum Anwälte, die nicht sofort aktiv in das Mandat und auch in den Mandantenkontakt eingebunden werden. Das muss man wollen und mögen, denn sobald man Ansprechpartner für den Mandanten wird, kommt auch wieder das Thema Mandatsverantwortung ins Spiel, der es gerecht zu werden gilt. Genau das erwarten wir nämlich von Anwaltspersönlichkeiten auf Dauer.

Wer bei Aulinger als Anwalt anfängt, erhält eine grundsolide Anwaltsausbildung, mit der er sich überall gut blicken lassen kann. Für unternehmerische Anwaltspersönlichkeiten bietet Aulinger ein breites Feld an Entwicklungsmöglichkeiten, weil einfach noch lange nicht jeder Rechtsbereich, in dem wir gerne beraten würden, abgedeckt ist. Bei uns kann jeder „machen“, am besten etwas aus sich und seiner eigenen Karriere. Aber die Bereitschaft und den Antrieb dazu muss ein Bewerber schon selbst mitbringen. Wer „zum Jagen getragen werden muss“, wird bei uns nicht glücklich.

Vielen Dank für das Gespräch!

Über die Interview-Partner:  

Dr. Nicola Ohrtmann
Rechtsanwältin · Fachanwältin für Vergaberecht
Partnerin bei der Partnerschaft Aulinger Rechtsanwälte und Notare

Dr. Markus Haggeney
Rechtsanwalt und Notar · Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
seit 2019 Managing Partner bei der Partnerschaft Aulinger Rechtsanwälte und Notare 

Assistentin/ Assistent bei Aulinger werden

Zum Arbeitgeberprofil.