
Je nach Bundesland erreicht der Referendar die Zivilstation früher oder später. In Schleswig-Holstein ist die Zivilstation die zweite Station im Referendariat und folgt auf die Strafrechtsstation. Sie dauert viereinhalb Monate und beginnt mit einem zweiwöchigen Einführungslehrgang, der einen Überblick der wichtigsten zivilprozessualen Grundlagen für die Stationsarbeit liefern soll.
Nach Wunsch und Kapazität bekommt man seinen Ausbildungsplatz am Landgericht oder an einem der zugehörigen Amtsgerichte zugewiesen. Hierbei ist zu beachten, dass die Amtsgerichte doch relativ weit entfernt vom eigentlichen Landgericht sein können. Einmal die Woche findet weiterhin eine stationsbegleitende Arbeitsgemeinschaft am Landgericht statt.
Endlich am Ausbildungsgericht abgekommen, beginnt die Ausbildung zumeist mit einer kurzen Vorstellung beim Ausbilder und der Lektüre der Akten für den nächsten Sitzungstag. Sind die Akten gelesen, werden der Inhalt und die einzelnen Schriftsätze diskutiert. Neben juristischen Fragen tritt hierbei natürlich noch die Frage nach der Beweislast und der substantiierten Darlegung der jeweiligen Standpunkte in den Vordergrund. Ein wichtiger Aspekt ist heutzutage auch die Frage nach einer gütlichen Lösung im Wege eines Prozessvergleiches oder einer Mediation.
Gerade am Amtsgericht geht es nicht selten weniger um den Kampf für Gerechtigkeit als ums Prinzip, was auch an den teilweise doch sehr geringen Streitwerten deutlich wird.
Dies macht aber auch gerade den Charme an der Station an einem Amtsgericht aus. Hier trifft man auf die unterschiedlichsten Charaktere: Von sogenannten Reichsbürgern, die die Justiz als Teil der BRD-GmbH ablehnen, über Gerichtsquerulanten, die ihnen zugestellte Klagen mit eigens hergestellten „Widerspruch“-Stempeln zurückschicken und selber in ihren Klagen jede Einzelperson als „Gesamtschuldner“ verpflichten wollen, bis hin zu Showanwälten, bei denen das Auftreten den Parteien imposant erscheinen mag, es rein juristisch aber um wenig geht.
Zumeist hat man es thematisch mit Mietsachen oder Verkehrsunfallsachen zu tun. Da diese Rechtsgebiete aber auch häufig den thematischen Rahmen der zivilrechtlichen Examensklausuren darstellen, kann dies in Hinblick auf das Examen nur von Vorteil sein.
Dennoch trifft man auch am Amtsgericht auf einige interessante juristische Fragestellungen, wie z. B. die Gerichtszuständigkeiten in Rückforderungsangelegenheiten nach dem EEG, Schiedsgerichtsvereinbarungen oder aber die Verwirkung insolvenzanfechtungsrechtlicher Ansprüche.
Je nach Ausbilder verfolgt man nur die Sitzungen des Ausbilders oder leitet auch das ein oder andere Mal selbst eine Sitzung.
Gerade nach dem Sitzungsdienst in der Staatsanwaltschaft ist dies noch einmal ein ganz anderes Gefühl.
Konnte man sich auf dem Posten des Staatsanwaltes noch sicher sein, dass der Vorsitzende durch die Verhandlung leitet, muss man in der Rolle als Vorsitzender vielmehr selber auf die Einhaltung der prozessualen Regeln achten.
Die Verhandlung beginnt mit dem Aufruf zur Sache. Daraufhin wird das Erscheinen der Zeugen und der Parteien mit den jeweiligen Prozessbevollmächtigten und den Vertretungsverhältnissen festgestellt und protokolliert. Nach Belehrung werden die Zeugen dann wieder aus dem Sitzungssaal gebeten. Sodann wird, je nach Fortschritt der Sache in die Güteverhandlung eingetreten, bzw. wenn diese bereits gescheitert ist, in die streitige Verhandlung. Der Vorsitzende Richter führt noch einmal in den Sach- und Streitstand ein und gibt gegebenenfalls bereits eine rechtliche Einschätzung hinsichtlich des vorgetragenen Status Quo ab. Es folgt dann die Befragung der Parteien durch den Vorsitzenden und die Prozessbevollmächtigten. Sind hierbei keine Fragen mehr offen, so werden die Zeugen aufgerufen, zu ihren Personalien befragt und um Auskunft zu dem angegebenen Beweisthema gebeten. Die Sitzung endet in den allermeisten Fällen mit einem Termin zur Urteilsverkündung. Dies kann noch am selben Tag am „Schluss der Sitzung“ ergehen, oder auch später erfolgen. Da das Urteil den Parteien bzw. ihren Prozessbevollmächtigten zugestellt wird, ist meist niemand außer dem Vorsitzenden bei der Urteilsverkündung anwesend.
An den Landgerichten in Schleswig-Holstein gibt es für die Referendare die Möglichkeit, sich während der Zivilstation an der freiwilligen Zeugeninformationsaktion zu beteiligen. Hierbei übernimmt man einen Vormittag lang das Zeugeninformationstelefon und klärt die Fragen von Personen, die zu Terminen geladen sind und z. B. nicht wissen, ob sie Auslagen erstattet bekommen oder wie sie sich allgemein zu verhalten haben. Diese freiwillige Tätigkeit findet sich natürlich auch in dem Stationszeugnis wieder.
Essentiell für die letztendliche Beurteilung sind natürlich die praktischen Arbeiten, die man im Rahmen der Station anfertigt. Hierfür bekommt man Akten mit, die man in Heimarbeit bearbeitet. Hier geht es dann darum, ein Relationsgutachten, ein Urteil bzw. einen Beschluss oder aber auch einen Hinweisbeschluss zu fertigen. Die Ausbilder versuchen in der Regel, sämtliche Urteilskonstellationen und Verfahrensarten abzudecken. Wichtig ist hier, den streitigen und den unstreitigen Tatbestand herauszufiltern, um dann sauber anhand der in Frage kommenden Rechtsgrundlagen zu subsumieren.
Weitere Informationen, Tipps und Literatur zu Studium und Referendariat finden Sie auf beck-shop.de.
Übrigens: Testen Sie die NJW und die Ausbildungszeitschriften JuS und JA jetzt kostenlos im Probeabo.