Mit Jura kann man alles machen

Von Prof. Dr. Elisa Hoven

»Die Jurisprudenz fangt an mir sehr zu gefallen. So ists doch mit allem wie mit dem Merseburger Biere, das erstemal schauert man, und hat mans eine Woche getruncken, so kann mans nicht mehr laßen.« (Johann Wolfgang von Goethe, 1770)

Wer sich für ein Jurastudium entscheidet, weiß häufig nicht genau, worauf er sich einlässt; bedauerlicherweise wird nur an wenigen Schulen Rechtskunde unterrichtet. So kommt es, dass nicht wenige Vorurteile über das Jurastudium bestehen. Etwa: Das Studium sei „trocken“ oder man müsse „alle Gesetzestexte auswendig lernen“.

Tatsächlich ist das Jurastudium aufwendig und anspruchsvoll – zugleich aber auch ungemein spannend und facettenreich. In diesem Beitrag soll Ihnen ein kurzer Überblick gegeben werden, wie das Studium abläuft, welche Anforderungen an Jurastudierende gestellt werden und was Ihnen das Jurastudium „bringt“.

Wie läuft das Jurastudium ab?

Der genaue Studienverlauf kann sich, je nach Universität, unterscheiden; im Kern ist das juristische Studium jedoch überall ähnlich aufgebaut. Im Grundstudium (in der Regel 1. bis 3. Semester) werden die Grundlagen des Zivilrechts, des Öffentlichen Rechts und des Strafrechts gelehrt. Zum Beispiel: Wie wird ein Kaufvertrag geschlossen, wie weit reichen die Grundrechte und unter welchen Voraussetzungen ist ein Mord strafbar.

Daneben werden Grundlagenfächer wie Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie oder Rechtssoziologie angeboten, die Bezüge auch zu anderen Fachgebieten herstellen. Die Vorlesungen, an denen nicht selten mehr als 400 Studierende teilnehmen, werden von Arbeitsgemeinschaften begleitet, die in kleinen Gruppen die Technik der Falllösung üben.

Zum Ende eines jeden Semesters werden Klausuren geschrieben, von denen eine bestimmte Anzahl bestanden werden muss, damit man ins Hauptstudium übergehen kann.

Hier wird der Stoff ergänzt und vertieft; meist durch sogenannte „Übungen“, in denen Studierende Klausuren und Hausarbeiten schreiben müssen. Hinzu kommen Pflichtpraktika, zum Beispiel in Anwaltskanzleien oder Gerichten, der Erwerb von Fremdsprachennachweisen und Schlüsselqualifikationen zu „soft skills“ wie Rhetorik oder Verhandlungsführung.

Das Hauptstudium ist auch eine gute Gelegenheit, ein Semester an einer Universität im Ausland zu verbringen. Die Erasmus-Programme an den Fakultäten helfen dabei, eine passende Universität zu finden und den Aufenthalt zu finanzieren. Von dieser Chance sollte man im Jurastudium unbedingt profitieren: Eine andere Rechtsordnung kennenzulernen erweitert nicht nur den Horizont, sondern schärft auch das Bewusstsein für die Besonderheiten des deutschen Rechts.

Wenn das Hauptstudium geschafft ist, haben die Studierenden in der Regel die Wahl: Sie können sich direkt auf die staatliche Pflichtfachprüfung vorbereiten oder erst den universitären Schwerpunktbereich abschließen. Beide Teile zusammen ergeben die Note des Staatsexamens.

Der universitäre Schwerpunktbereich soll den Studierenden ermöglichen, sich vertiefter mit den Themen zu beschäftigen, die sie besonders interessieren. Die Auswahl ist groß und an jeder Universität unterschiedlich. Einige „klassische“ Schwerpunktbereiche, die man fast überall belegen kann, sind Kriminologie, Völker- und Europarecht oder Arbeits- und Gesellschaftsrecht.

Zunehmend spielen jedoch auch ein stärkerer Praxisbezug (z.B. zivilrechtliche Rechtsberatung), Internationalisierung (Schwerpunktbereiche können an einigen Universitäten im Ausland absolviert werden) und Medien (z.B. Medien- und Datenschutzrecht) eine Rolle.

Die zu erbringenden Prüfungsleistungen bestehen in der Regel in Klausuren, einer Seminararbeit und einer mündlichen Prüfung. Die Vorbereitung auf die staatlichen Prüfungen nimmt etwa eineinhalb Jahre in Anspruch. In dieser Zeit wird der gesamte Stoff aller Fächer in Lerngruppen und Repetitorien wiederholt.

Die Universitäten bieten mittlerweile eigene Examenskurse an, in denen die Inhalte komprimiert vermittelt werden und das Klausurschreiben geübt wird. Studierende haben zwei Versuche, den staatlichen Teil zu bestehen. Wer schon im achten Semester in die Prüfungen geht, hat sogar noch einen weiteren Versuch (den sogenannten „Freischuss“).

In allen Bundesländern werden in den schriftlichen Prüfungen die drei großen Rechtsgebiete Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht geprüft. Unterschiede gibt es in der Anzahl der geschriebenen Klausuren (in manchen Bundesländern sind es 5, in anderen sogar 8) und der Möglichkeit, Klausuren „abzuschichten“, also erst die Klausuren in einem Fach und später die Klausuren in den anderen Fächern zu schreiben.

Sind die schriftlichen Klausuren bestanden, geht es in die mündliche Prüfung. Hier sitzen die ExamenskandidatInnen PrüferInnen aus Wissenschaft und Praxis gegenüber, die sie in den drei Fächern abfragen.

Welche Anforderungen stellt das Jurastudium?

Das Jurastudium ist zeit- und arbeitsintensiv. Bereits ab dem ersten Semester werden Klausuren geschrieben, die einen erheblichen Lernaufwand voraussetzen. Begabung und Begeisterung für das Fach sind natürlich wichtig – doch ohne das Erlernen von Definitionen, das Durchdringen von Streitständen oder die Lektüre von Gerichtsentscheidungen ist das Studium nicht zu bewältigen.

Auch die Semesterferien sind selten wirklich „frei“; hier müssen Hausarbeiten geschrieben und Praktika absolviert werden. Hinzu kommt ein nicht unerheblicher Prüfungsdruck, da die Note des Staatsexamens für die späteren Berufschancen entscheidend ist. Das bedeutet aber auch: Wer ein „Prädikatsexamen“ (also 9 von 18 Punkten) erreicht, muss sich um seine berufliche Zukunft wenig Sorgen machen.

Das Jurastudium erwartet und schult eine bestimmte Art zu denken. Wer eine juristische Klausur lösen will, muss Problembewusstsein entwickeln, Gesetzestexte analysieren können und vor allem gut argumentieren. Dabei lehrt das Jurastudium, dass es selten die eine „richtige“ Lösung gibt.

Zu fast jeder Rechtsfrage lassen sich unterschiedliche Meinungen vertreten – man muss sie nur gut begründen. Damit vermittelt das Jurastudium etwas, das eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber bedauerlicherweise auch an Universitäten nicht immer ist: andere Sichtweisen zu respektieren und sich mit ihnen auf sachlicher Ebene auseinanderzusetzen.

Was bringt das Jurastudium?

Wer sich auf das Jurastudium einlässt, der wird – wie es Goethe prophezeit hat – von der Rechtswissenschaft begeistert werden. Das Studium ist das Gegenteil von „trocken“ – es ist das pralle Leben.

Ein Jurist lernt, nach welchen Prinzipien und Werten unsere Gesellschaft funktioniert. Denn das Recht regelt die Grundlagen einer Gemeinschaft: Welchen Grundrechten messen wir welche Bedeutung zu, wie gestalten wir das Wahlrecht in unserer Demokratie, welche Handlungen stellen wir unter Strafe? Und es regelt die Verhältnisse der Menschen zueinander: Was darf der Vermieter, welche Rechte hat ein Käufer, wer erbt und wer nicht?

Die Rechtswissenschaften sind unheimlich vielseitig. Es lohnt sich, bereits im Studium herauszufinden, welche Bereiche einen besonders interessieren. Dafür sollte man sich nicht nur auf die Prüfungen konzentrieren, sondern auch nach links und rechts schauen: ein zusätzliches Seminar zu einem interessanten Thema belegen, an einem Moot Court teilnehmen oder sich Gastvorträge anhören.

Als Grund für die Wahl des Jurastudiums wird häufig angegeben, dass „man mit Jura alles machen kann“. Und vielleicht ist die Vielfalt der beruflichen Optionen eines Juristen tatsächlich der größte Vorteil des Studiums.

Mit dem Ersten und Zweiten Staatsexamen kann man in einer Großkanzlei Unternehmensgründungen begleiten, sich in einer NGO für Menschenrechte einsetzen oder als RichterIn Strafurteile fällen. Ein Prädikatsexamen ist für die berufliche Karriere hilfreich, aber nicht zwingend.

Wer sich für ein Thema begeistert und sich konsequent spezialisiert, der wird es auch mit weniger guten Noten weit bringen. Viel Erfolg – und vor allem viel Spaß beim Jurastudium!

 

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Über die Autorin:

Prof. Dr. Elisa Hoven hat in Berlin, Nijmegen, Cambridge und Berkeley Jura studiert. Sie ist seit 2018 Professorin für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medienstrafrecht an der Universität Leipzig.

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