Juristisches Fachwissen wird in der Gesundheitsbranche immer wichtiger

von Prof. Dr. Steffen Hamm

An der an der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden startet jetzt, zum Wintersemser, in Zusammenarbeit mit dem Weiterbildungsinstitut ARBER-Seminare GmbH der neue Masterstudiengang Medizinrecht. Dazu ein Gespräch mit dem zuständigen Professor und Studiengangsleiter Steffen Hamm.

Herr Hamm, warum haben Sie den Studiengang initiiert?
Gesundheitswesen- sowie -wirtschaft haben sich inzwischen zu einer komplexen, hochregulierten Branche entwickelt. Das Verständnis der Zusammenhänge ist dabei entscheidend. Wir vermitteln im Rahmen des Studiums die regulatorischen Rahmenbedingungen. Dieses Wissen ist für alle Bereiche des Gesundheitswesens von großer Bedeutung: angefangen bei der industriellen Gesundheitswirtschaft über Krankenkassen bis hin zu Leistungserbringern, beispielsweise Kliniken. All das sind Themen, die im Studium aufgegriffen werden. Da auch die nach der Fachanwaltsordung erforderlichen theoretischen Kenntnisse für den Fachanwaltstitel im Medizinrecht integriert sind, bietet der LL.M.-Studiengang zudem die idealen Grundlagen, um in einer Kanzlei, die sich auf Medizinrecht spezialisiert, tätig zu werden. Unternehmensberatungen sind weitere Einsatzgebiete für Absolventen.

Steigende Komplexität in der Branche

Sie sprachen von der gestiegenen Komplexität der Branche. Haben Sie ein Beispiel dafür?
Da gibt es viele. Nicht nur im Sozialgesetzbuch, sondern auch im Verwaltungsrecht steigt die Vielzahl an Normen und Gesetzen immer weiter. Nehmen wir nur das Thema Videosprechstunde. Seit Ausbruch von Corona ist die entsprechende Nachfrage explodiert. Noch vor zwei Jahren war diese Möglichkeit kaum existent, weil es für die Ärzteschaft das Fernbehandlungsverbot gab. Man musste mindestens einmal beim Arzt gewesen sein, um eine Konsultation per Video zu erhalten. Parallel dazu sind Fragen nach der Vergütung und dem Kostenerstattungsrahmen entstanden. Das entsprechende Wissen kann man sich nur aneignen, wenn man studiert. In den letzten zwei Jahren sind allein vom Gesundheitsministerium über 20 neue Gesetze erlassen worden.

Kompletter Fachanwaltslehrgang

Was hebt Ihr Angebot von anderen ab?
Es gibt in Deutschland sowieso nur wenige Studienangebote wie das unsere. Aber wir bieten noch eine Besonderheit: Bei uns ist der Erwerb des akademischen Abschlusses „Master of Laws“ mit einem kompletten Fachanwaltslehrgang gemäß Fachanwaltsordnung kombiniert. Das gewährleistet unser Kooperationspartner ARBER-Seminare GmbH. Das ist ein sehr interessantes, komfortables Angebot, das außerdem Zeit spart. Denn Juristen können das Studium in der Regel nach nur drei Semestern abschließen und ein bereits absolvierter Fachanwaltslehrgang kann anerkannt werden. Wir sprechen allerdings nicht ausschließlich Juristen an. Generell bieten wir eine kundenorientierte Konfektion des Studiengangs an und schauen, wer welche Vorkenntnisse mitbringt. Grundsätzliche Voraussetzung für eine Teilnahme sind eine gewisse qualifizierende berufliche einjährige Erfahrung sowie mindestens ein Bachelorabschluss. Das ermöglicht vielen Gruppen einen Einstieg. Juristen werden sicher eine wichtige Zielgruppe sein. Aber auch Bewerber mit einem Bachelor-Abschluss in Gesundheitsökonomie oder Wirtschaftswissenschaften, oder jemand mit einem medizinischen oder therapeutischen Background sind willkommen.

Führungsaufgaben im Gesundheitswesen

Wie ist der Studiengang aufgebaut?
Unser Studiengang ist berufsbegleitend angelegt. Mit Blick auf das Curriculum bereitet er auf Führungsaufgaben in all den Feldern des Gesundheitswesens vor, wenn es um Medizinrecht geht. Neben den juristischen Modulen werden Fächer wie zum Beispiel Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen gelehrt. Das ergibt ein rundes Bild vom Gesundheitsmarkt. Wenn man mit einer explizit juristischen Expertise oder Tätigkeit einsteigen möchte, ist das sehr hilfreich, um den Markt noch einmal über das Medizinrechtliche hinaus besser zu verstehen. Unter anderem findet eine Veranstaltung zur medizinischen Terminologie statt. Die Absolventen werden in die Lage versetzt, jedwede Fragestellung zu behandeln und auf Augenhöhe mit Vertretern von Gesundheitsberufen, beispielsweise Ärzten, zu diskutieren. Für die drei Semester werden 10.000 Euro an Gebühren fällig, ohne juristische Vorqualifikation sind es 16.000 Euro.

Welche Entwicklungen erwarten Sie in diesem Bereich?
Der Gesundheitsmarkt wird ein Wachstumsmarkt bleiben. Vier Prozent jährlich werden prognostiziert. Denn der Anteil derer, die ein hohes Alter erreichen, nimmt stetig zu. Das hat viele Konsequenzen, unter anderem die, dass der Gesundheitsmarkt insgesamt stetig weiterwächst: Das betrifft die Leistungserbringung, die gesamte medizintechnologische und pharmazeutische Weiterentwicklung, was immer auch mit einem Bedarf an rechtlicher Expertise verbunden ist – sozusagen ein krisensicheres Geschäft.

Haben Sie dazu wirtschaftliche Daten?
Die industrielle Gesundheitswirtschaft nimmt rund 12 Prozent der Bruttowertschöpfung der Gesamtwirtschaft in Deutschland ein. Knapp acht Millionen Menschen sind in diesem Bereich beschäftigt. Es ist vorgezeichnet, dass dieser Markt sich hervorragend entwickeln wird, auch aufgrund des technologischen Fortschritts und des wachsenden Gesundheitsbewusstseins der Bevölkerung. Robotik, Automatisierung etc. – da wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten für unsere Absolventen noch mehr als genug zu tun sein.

Über den Interviewpartner:

Prof. Dr. Steffen Hamm
Studiengangsleiter des
Masterstudiengangs Medizinrecht
an der OTH Amberg-Weiden

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Quelle BECK Stellenmarkt 23/2020

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