Vom Arbeitsrecht über das Medien- und Presserecht bis hin zum Zwangsvollstreckungsrecht – die deutsche Rechtsordnung hält über 70 Teilgebiete bereit und bietet Juristen zudem die Möglichkeit, sich in einem der 20 Fachanwaltsbereiche zu spezialisieren. Gerade auf Berufsanfänger wirkt diese Vielfalt oftmals beunruhigend und weckt das Bedürfnis, handfeste Kriterien für die Auswahl des künftigen Einsatzgebiets zu definieren. Diese Auswahl wird regelmäßig geprägt von bereits vorhandener Berufserfahrung oder von während des Studiums festgestellten Vorlieben für und Abneigungen gegen einzelne Bereiche. Bei objektiver Betrachtungsweise stellt sich jedoch die Frage, welches Rechtsgebiet Berufsanfängern die besten Chancen offeriert.
Die Auswahlkriterien
Bei der Beantwortung dieser Frage sind insbesondere die Frequentierung, Vergütung und Komplexität beziehungsweise der Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Rechtsgebiets zu berücksichtigen. Im Idealfall besticht das künftige Tätigkeitsfeld durch eine schier endlose Nachfrage, gepaart mit einer hohen Vergütung sowie einem mittleren Schwierigkeitsgrad, der eine fortlaufende, ökonomische Bearbeitung aller Mandate ermöglicht. Doch gibt es das perfekte Einstiegsgebiet?
Gemessen an diesen Kriterien heben sich folgende Rechtsgebiete hervor: Sowohl das Arbeits- und Sozialrecht als auch das Familien- und Erbrecht zählen zu den am häufigsten nachgefragten Rechtsgebieten. Auch das Mietrecht zeichnet sich durch eine immens hohe Frequentierung aus. Auf den zweiten Blick ergeben sich jedoch auch Nachteile: So sind insbesondere das Sozial-, aber auch das Arbeits- sowie das Familienrecht geprägt von einem hohen Anteil an Beratungsscheinmandaten. Im schlechtesten Fall bedeutet dies für den Berufseinsteiger einen hohen Aufwand an Beratungsstunden bei gleichzeitig lediglich pauschaler Vergütung in Höhe von rund 80 Euro. Eine gerade im Zuge des Berufseinstiegs bedeutsame kostendeckende Arbeitsweise ist daher nur selten realisierbar.
Eine sichere Wahl
In Ansehung dieses Nachteils rücken die Bereiche des Verkehrs-, Versicherungs- und Mietrechts in den Vordergrund. Hier muss der Berufseinsteiger mit einem lediglich geringen Anteil an Beratungsscheinmandaten rechnen und profitiert von dem Umstand, dass ein Großteil der bestehenden Rechtsschutzversicherungen regelmäßig wenigstens ergänzend Rechtsstreitigkeiten des Verkehrs- und Mietrechts mitumfasst.
Einmal etwas anderes
Infolge der Flüchtlingskrise fällt zudem das Ausländer- und Asylrecht in den Blickpunkt einiger Juristen. An Mandaten wird es, wenigstens in den nächsten Jahren, nicht mangeln; doch bietet sich dieses Gebiet als Startfeld wirklich an? Zunächst sieht sich der Berufseinsteiger hier mit einer Fülle unionsrechtlicher Regelungen konfrontiert. Wer sich dem zukunftsträchtigen Gebiet des Europarechts widmen möchte, der findet im Ausländer- und Asylrecht somit ein ideales Einstiegsfeld für die spätere europarechtsgeprägte Laufbahn. Auch zeigen Erfahrungswerte, dass sich an den erfolgreichen Abschluss eines ausländer – oder asylrechtlichen Mandats oftmals weitere Mandate, beispielsweise im Mietrecht, anschließen. Allerdings ist dieses Gebiet nicht zuletzt aufgrund der ausgeprägten europarechtlichen Verflechtungen durch ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit gekennzeichnet. Voraussetzung für eine erfolgreiche Tätigkeit ist daher einerseits die Kenntnis des maßgeblichen internationalen Regelwerks sowie andererseits die Fähigkeit, auf Rechtsunklarheiten sowie regelmäßige Gesetzesänderungen flexibel reagieren zu können.
Die Erfolgsgaranten
Neben den Rechtsgebieten wie dem des Ausländer- und Asylrechts, die in Abhängigkeit vom aktuellen gesellschaftspolitischen Geschehen stehen, existieren Bereiche, in denen die Nachfrage auf konstant hohem Niveau verweilt, namentlich das Handels- und Gesellschaftsrecht sowie das Bank- und Kapitalmarktrecht. Ein Blick in den aktuellen Stellenmarkt offenbart, dass sowohl namhafte Großunternehmen, Steuerberaterkanzleien oder Wirtschaftsprüfergesellschaften als auch Unternehmensberater, Banken oder Investmentgesellschaften ständig auf der Suche nach Fachkräften sind. Auch Aufsichtsbehörden, Finanzgerichte und Verbraucherschutzzentralen verzeichnen einen wachsenden Personalbedarf in diesen Bereichen. Verfügt der Berufseinsteiger über die Fähigkeit, Sachverhalte nicht nur juristisch, sondern auch analytisch und mathematisch zu erfassen und behält er hierbei das komplexe und dynamische Feld der Finanzdienstleistungen im Blick, erwartet ihn ein vielfältiges Tätigkeitsgebiet in Verbindung mit einer überdurchschnittlich guten Vergütung, die auf hohe Streitwerte zurückzuführen ist. Darüber hinaus besteht der Tätigkeitsschwerpunkt nicht nur in der Vorbereitung und Durchführung von Prozessen. Auch die Beratung nimmt einen hohen Stellenwert ein und bietet dem Berufseinsteiger die Möglichkeit, Mandanten langfristig für die eigene Kanzlei zu gewinnen.
Abschließend betrachtet bleibt festzuhalten, dass Juristen eine Vielzahl interessanter und abwechslungsreicher Tätigkeitsfelder offenstehen. Das perfekte, für jeden Anfänger geeignete Einstiegsgebiet gibt es allerdings nicht. Entscheidend ist, mit welchem Bereich sich der Berufseinsteiger identifizieren kann. Doch sollte auch anhand objektiver Kriterien, insbesondere der jeweiligen Nachfrage und Vergütung, geprüft werden, ob das favorisierte Rechtsgebiet für eine längerfristige Tätigkeit geeignet ist.
Foto oben: Stephen Coburn/stock.adobe.com