Frauenförderung in Kanzleien: Unterstützt die „papierlose Kanzlei“ die Gleichberechtigung?

von Pia Löffler, Rechtsanwältin und Inhaberin von anwaltstexte.com, München

Ein Frauenanteil von 12% unter den Partnern deutscher Top-Kanzleien wird in der öffentlichen Wahrnehmung schon als Erfolg gefeiert – immerhin ist man damit besser aufgestellt als in den 100 größten deutschen Unternehmen. Das kann man als Erfolg werten. Denn dass Frauen Partner einer Kanzlei werden können, war aber bis vor nicht allzu langer Zeit eher die Ausnahme – und dass sie es sind, ist bei einem Anteil von 12% genau genommen immer noch so.

Das ist bedauerlich, denn mit der Qualifikation der Anwältinnen hat das grundsätzlich nichts zu tun: Das Jurastudium absolvieren in etwa gleich viele Frauen wie Männer, Frauen im Schnitt sogar erfolgreicher als Männer.

Frauen entscheiden sich oft früh gegen „Karriere“ in der Kanzlei

Und doch gehen Frauen für größere Kanzleien auf dem Weg „nach oben“ oft sehr früh verloren: Entweder als Angestellte Associates ohne Partner-Ambitionen oder als Richterin oder Staatsanwältin direkt nach dem Studium bzw. nach ein paar Jahren in der Kanzlei. Außerdem ist die Gründung einer eigenen (kleinen) Kanzlei oder der Einstieg in eine kleinere Kanzlei für Frauen mit Wunsch nach einer Familie nach wie vor offenbar ein einfacherer Weg, Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Der Grund ist in diesen Fällen ganz klar: die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weil man den Tag verlässlich(er) planen kann. Gerade der Beruf des Anwalts – vor allem im internationalen Umfeld und als Partner – erfordert eben enorme Flexibilität. Kinder jeden Tag um 15 Uhr aus der Kita abholen ist da nicht drin. Einfach zu Hause bleiben, weil das Kind Fieber hat? Nicht wirklich.

Kinderbetreuung und Umdenken

Ohne zuverlässige und flexible Kinderbetreuung für Mütter ist Karriere und Partnerschaft in einer Kanzlei kaum denkbar. Vor allem Großkanzleien reagieren inzwischen und richten entsprechende Förderprogramme und Kinderbetreuungsmöglichkeiten ein. Auch die Möglichkeiten von „Teilzeitpartnerschaften“ in großen Kanzleien nehmen stetig zu.

Löblich. Aber sind diese Ansätze auch auf mittelständische Kanzleien übertragbar? Kann eine Kanzlei mit 15 Berufsträgern Frauen die gleichen Modelle bieten wie eine Kanzlei mit etlichen Dutzend Berufsträgern? Kaum, weil allein die Personaldecke im Zweifel zu dünn und auch die Finanzierung nicht denkbar ist. Um in kleineren und mittelgroßen Kanzleien Frauen die Möglichkeit zu geben, Karriere zu machen, Partnerin zu werden und damit ihre Kompetenzen und Fähigkeiten in der Kanzlei deutlich besser einzubringen, müssen neue, andere Wege eingeschlagen werden.

Dabei geht es nicht nur um Kinderbetreuungsmöglichkeiten – es müssen auch noch flexiblere Arbeits-(zeit-)konzepte gefunden werden, damit Frauen den Gedanken an eine Partnerschaft in einer größeren Kanzlei nicht gleich nach der Anwaltszulassung begraben. Umdenken in der Gestaltung der Arbeitsabläufe ist gefragt. Denn vor allem Präsenzzeiten erscheinen in diesen Tagen und angesichts der technischen Möglichkeiten überholt. Sich von alten Denkmustern zu verabschieden – „nur wer bis spät abends in der Kanzlei sitzt arbeitet wirklich“ – dürfte dabei die größte Herausforderung sein.

Die „papierlose Kanzlei“ wird es Frauen aber auch Männern künftig sicherlich erleichtern, Familie und Beruf zu vereinen: Flexibel von überall arbeiten – auch wenn das Kind einmal krank im Bett liegt. Die Akte immer auf dem aktuellen Stand haben und zu Hause für Telefonkonferenzen erreichbar sein – auch nach 18 Uhr.

Fragen an Sebastian Quirmbach, u. a. Kanzleimanager der Kanzlei Quirmbach und Partner.

Die Kanzlei Quirmbach und Partner ist bekannt dafür, neue Wege nicht zu scheuen, dabei professionelle Beratung auf höchstem Niveau zu bieten und ihren Anwälten dennoch die Möglichkeit zu geben, ein erfülltes Leben neben der Arbeit zu führen. Bei Ihnen arbeiten zwölf Anwälte – davon acht Frauen. Ist der hohe Anteil an Anwältinnen Zufall oder Absicht?
Aus Sicht der Frauen ist es hoffentlich eine bewusste Entscheidung, bei uns zu arbeiten. Für uns als Arbeitgeber zählen Qualifikationen, nicht das Geschlecht: Arbeitseinsatz, Fachwissen, die Einstellung zum Mandanten und eine große Portion Teamgeist sind ausschlaggebend. Ich halte es eher für Zufall, dass der Frauenanteil in unserer Kanzlei bei zwei Dritteln liegt.

Gibt es bei „Quirmbach und Partner“ spezielle Frauenförderung?
Wir unterstützen unsere Mitarbeiter/innen, egal ob Mann oder Frau. Ob man die Möglichkeit der Gleitzeit nutzt, um Kinder von der Schule abzuholen oder am Nachmittag zum Baggersee zu fahren, spielt keine Rolle. Für Mitarbeiter/innen mit Schulkindern ist es ein großer Vorteil, von Zeit zu Zeit im Homeoffice zu arbeiten, um nachmittags auch mal bei den Hausaufgaben helfen zu können. Es kommt aber auch nicht selten vor, dass der Nachwuchs mit in die Kanzlei kommt, um dort die Hausaufgaben zu machen.

Außerdem unterstützen wir die berufliche Weiterbildung und Qualifikation. Alle Anwältinnen sind Fachanwältinnen oder befinden sich aktuell in der entsprechenden Ausbildung. Drei unserer Mitarbeiter/innen schreiben zurzeit an ihrer Dissertation, darunter auch ein Mann. Explizite Frauenförderung gibt es also nicht – wir legen, unabhängig vom Geschlecht, Wert auf die Förderung und Unterstützung unserer Mitarbeiter/innen.

Sehen Sie in der „papierlosen Kanzlei“, wie Sie sie praktizieren, eine Chance für Frauen auf mehr Gleichberechtigung in mittelständischen Kanzleien?
Das papierlose Büro ist für uns ein Werkzeug, mit dem wir unsere Arbeitsphilosophie optimal umsetzen können. Die Grundlage dafür ist die gemeinsam geschaffene Unternehmenskultur, in der Vertrauen und Ergebnisorientierung die Basis für die Zusammenarbeit sind.

Die Vorteile der papierlosen Kanzlei liegen klar auf beiden Seiten. Ein Homeoffice mit Zugriff auf den geschützten Kanzleiserver bietet Einblick in sämtliche Akten. Man ist im Homeoffice über die IP-Telefonanlage voll erreichbar.

Es spielt also wirklich keine Rolle, ob man vom Arbeitsplatz zu Hause oder vom Arbeitsplatz in der Kanzlei aus arbeitet. Bei Papierakten würde das so sicherlich nicht funktionieren.

anwaltstexte.com

Quelle BECK Stellenmarkt 21/2014