Die Antwort für die steuerberatenden Berufe wäre ganz einfach: Durchgängigkeit in der Digitalisierung – weil sich damit die besten Ergebnisse erzielen lassen, die größte Sicherheit gegeben ist, alle Beteiligten mit den Prozessen sehr gut leben und arbeiten können und der Faktor Zeit bzw. die Vereinfachung enorm an Bedeutung gewinnen würde.
Damit der Begriff Durchgängigkeit für alle Bereiche richtig eingeordnet werden kann, sind damit nicht nur das Scannen von Belegen und die Verbuchung in der Finanzbuchhaltung gemeint. Durchgängigkeit bedeutet, dass alle Beteiligten rund um die Digitalisierung und Automatisierung in den gesamten Ablauf Tag für Tag voll integriert und eingebunden sind. Digitalisierung muss gelebt werden, sonst vertrocknet die Pflanze so schnell, wie der Gedanke, die Digitalisierung einzuführen, gewachsen ist.
Welche Hauptbeteiligten haben wir in diesem gesamten Prozess der Digitalisierung und Automatisierung? Es sind die Mitarbeiter, Mandanten, Behörden, Software, Hardware, Internet, Sicherheit, Nachhaltigkeit und Umweltschutz, Investitionen, Mut und die Zeit.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Steuerkanzleien, das ist zumindest unsere Erkenntnis, steht und fällt die Umsetzung bzw. Einführung der Digitalisierung.
Deshalb ist der erste Weg, das Personal darauf einzustimmen, zu schulen, Ängste und Sorgen zu zerstreuen und die Digitalisierung als klares Unternehmensziel der Zukunft zu definieren. Erstellen Sie für Ihre Steuerkanzlei eine Unternehmensrichtlinie in der ganz klar zum Ausdruck kommt, was Digitalisierung und Automatisierung für alle bedeutet und wie diese gemeinsam umgesetzt werden kann. Zerstreuen Sie die Rationalisierungsängste der Mitarbeiter, wenn es um das Thema Zeitersparnis und Automatisierung geht. Befreien Sie Ihr Personal aktiv von dem Gedanken, dass das Abtippen von Zahlen und Zeichenketten auf Papier eine zukunftsträchtige Tätigkeit ist. Befreien Sie Ihr Personal von diesem Gedanken, so wird dies auch auf Ihre Mandanten übergehen.
Denken Sie daran, dass ein DCO (Digital Chief Officer) oder CDO (Chief Digital Officer) in einer Steuerkanzlei mit verantwortlich ist, die fortwährenden Prozesse der Digitalisierung und Automatisierung zu begleiten, einzuhalten, weiterzuführen und zu verbessern. Diese Person sollte Ansprechpartner für alle in der Kanzlei sein. Sollte es bei Ihnen eine solche Person nicht geben, wäre es ratsam, sich externe Unterstützung zu holen.
Gerade in der Start- und Umbruchsphase ist dies außerordentlich hilfreich. Abraten müssen wir leider von der Idee, dass diese Funktion von der Kanzleileitung ausgefüllt werden sollte. Der DCO/CDO gewährleistet, dass die Durchgängigkeit und Transparenz für alle Beteiligten immer aufrechterhalten und natürlich kontrolliert wird. Zu Beginn werden gern die alten Prozesse und Arbeitsabläufe wiederbelebt – weil wir es ja schon immer so gemacht haben.
Mandanten
Mit den Mandanten beginnt der zweite Schritt der Durchgängigkeit.
Hier ist Aufklärung, Beratung und vor allem Vertrauen gefragt. Nicht jeder Mandant wird bei diesem Thema mitziehen, er wird womöglich abwinken oder sofort an das Honorar denken. Geben Sie dennoch jedem Mandanten die Digitalisierung, die er benötigt. Nicht alle Mandanten brauchen alles, aber viele sind mit kleinen Schritten zufrieden und fühlen sich in Zeiten der Digitalisierung mitgenommen und nicht abgehängt. Übergeben Sie Ihrem Mandant ein Konzept zur Ablage der Papierbelege, wenn diese vor Ort gescannt werden. Sollen diese Papierbelege auch vernichtet werden, haben Themen wie RESISCAN, GoBD, Verfahrensdokumentationen, Datensicherung, IT-Sicherheit usw. ebenfalls hohe Priorität. Steht der Mandant der Verarbeitung von digitalen Kontoauszügen, den zu scannenden Eingangsrechnungen, der digitalen Bereitstellung der Ausgangsrechnungen per Schnittstelle oder dem Export der Kassendaten skeptisch gegenüber, müssen Ihre Argumente sitzen. Diese Argumente sollten geschult und vertieft werden.
Bekommen Sie von Mandanten digitale Unterlagen, stellen Sie ihnen auch alle Rewe-Auswertungen, Lohn & Gehalt-Auswertungen, Lohnabrechnungen der Mitarbeiter, Steuererklärungen zur Freizeichnung, Dokumente, Mandanteninfobriefe, E-Bilanz und Bundesanzeiger, Rechnungen, Dauerakte usw. digital bereit – am besten nach und nach.
Aber bitte nicht per unverschlüsselter E-Mail, sondern in einem gesicherten und geschützten Web-Portal für Ihre Mandanten.
Medienbrüche, gerade in Verbindung mit dem Transfer von Mandantendaten, müssen vermieden werden, damit der Prozessablauf eindeutig und automatisiert gesteuert werden kann. Manuelle Prozesse, wie z. B. Dateien aus ZIP-Anhängen von E-Mails zu entpacken, damit diese dann importiert werden können, sind ein hohes Risiko in Punkto Sicherheit, Fehleranfälligkeit und Durchgängigkeit.
Behörden
Um die Finanzbehörden müssen wir uns keine Sorgen machen. Es wird zwar noch ein bisschen dauern, bis dort „digital“ überall vorhanden ist, aber die Zyklen der Digitalisierung werden bei den Steuerbehörden immer kürzer.
Die Einführung der GoBD am 01.01.2015 ist nur ein weiterer Baustein. Auch hier wird gegen die Umsetzung der Verordnung überall diskutiert und gewettert. Es wird aber nichts helfen. Statt die GoBD als Chance zu sehen, wird die Verordnung vielerorts einfach ignoriert. Um dem entgegenzuwirken, geht die Finanzverwaltung bei der Betriebsprüfung mit Macht in diese Richtung und fehlende Verfahrensdokumentationen werden von den Betriebsprüfern bemängelt bzw. mit Zuschlägen und Säumnissen belegt. Durchgängigkeit ist auch hier ein brisantes Thema. Die digitalen Belege müssen dem Betriebsprüfer von der Steuerkanzlei mit dem IDEA Datensatz sofort übergeben werden. Nicht auf Papier, weil es der Betriebsprüfer gerne so hätte.
Hier gehören in der Steuerkanzlei natürlich auch die Punkte wie ELSTER, GINSTER, VaSt, digitale Bescheide, elektronischer Bescheidabruf und die Bescheidprüfung, digitaler Einspruch, Vollmachtsdatenbank, digitale Steuerkontoabfrage, Freizeichnungsportal, digitaler Finanzaustausch mit Banken und Sparkassen, u.v.m. mit zur kompletten Durchgängigkeit in der Digitalisierung einer Steuerkanzlei. Jetzt könnte die Meinung aufkommen, dass die Finanzverwaltung erst einmal alle Punkte so umsetzen soll, damit digital alles möglich gemacht wird. Bedenken Sie bitte, dass die Digitalisierung in der Steuerkanzlei auch nicht sofort in allen Punkten umgesetzt werden kann. Sie werden ebenso Zeit benötigen.
Software – Hardware – Internet – Sicherheit – Datenschutz
Der größte Medienbruch bzw. die meisten manuellen Prozesse werden bei der Verarbeitung von digitalen Unterlagen in den Steuerkanzleien durch die Mitarbeiter verursacht. Es wäre aber falsch, den Mitarbeitern den schwarzen Peter zuzuschieben. Das Problem sitzt meist an einer anderen Stelle.
Die Mitarbeiter sind zu wenig geschult und der eingesetzten Kanzleisoftware fehlt es an Funktionen oder der Durchgängigkeit an den geforderten Punkten. Digitalisierung, Automatisierung und Sicherheit hängen hier ganz eng zusammen und sollten bei möglichst allen Prozessen genutzt und umgesetzt werden. Immer wieder werden digitale Unterlagen wie Rechnungen, Kontoauszüge, E-Mails usw. gedruckt und analog auf Papier weiterverarbeitet. Sorgen Sie dafür, das eingehende digitale Dokumente, E-Mails, egal woher, per Drag’n Drop vom Mitarbeiter dem jeweiligen Programm, z. B. Postbuch, Finanzbuchhaltung, Jahresabschluss, Anlagenbuchhaltung, Dokumentenmanagement usw. zugeordnet werden können. Es muss im ersten Schritt nicht immer und sofort die volle digitale Lösung mit OCR-Erkennung der Belege des Mandanten sein.
Für die Mitarbeiter sollte es kleine Schritte mit Erfolgserlebnissen geben. Lassen Sie Papierunterlagen Ihrer Mitarbeiter, wie Zugänge zur Anlagenbuchhaltung, Jahreskontoauszüge oder Papierunterlagen, die sowieso für den Jahresabschluss kopiert werden müssen, sofort vom Mitarbeiter einscannen und an der korrekten Stelle ablegen, damit diese Unterlagen für die spätere Bearbeitung des Jahresabschlusses einfach wieder zur Verfügung stehen.
Überzeugen Sie Ihre Mandanten, die monatlichen Lohndaten selbst digital zu erfassen statt Faxe und E-Mails mit manuellen Aufzeichnungen an die Steuerkanzlei zu senden, die dann ein zweites Mal wieder manuell erfasst werden müssen. Tippfehler, Zeitverzögerungen und Missverständnisse lassen sich so minimieren und den ganzen Prozess enorm vereinfachen.
Ihre Softwarelösung sollte aber auch mit allen Punkten der Digitalisierung und Automatisierung heute und in Zukunft umgehen können, um die Durchgängigkeit überall zu nutzen und die Prozesse sicher und einfacher darzustellen: Schlagwörter sind digitale OCR-Belegkennung, sicherer und verschlüsselter Transfer von Belegen und Auswertungen zwischen Kanzlei und Mandant ohne E-Mail, einfache ONLINE-Mandantenlösungen für z. B. Kasse – Faktura – Mahnwesen – Zahlungsverkehr, eine voll integrierte ONLINE-Lösung für selbstbuchende Mandanten, ein digitales Dokumentenarchiv mit Volltextsuche und ONLINE-Anbindung, Apps für Smartphones, ONLINE-Lösungen für den digitalen Rechnungsworkflow zur Prüfung von Eingangsrechnungen, digitale Schnittstellen zu PayPal, Banken, internes und voll integriertes Dokumentenmanagement usw.
Oft sind es auch die technischen Voraussetzungen der IT-Umgebung, das Laufzeitverhalten oder der ungenügende Zugang zum Internet – jeder dieser Punkte hat seine Besonderheiten, auf die bei der Durchgängigkeit geachtet werden muss. Mit der Digitalisierung begeben Sie sich auf eine Ebene, die den Blick auf die Themen IT-Umgebung, Software, Internet und Sicherheit viel näher zusammenrücken lässt, als Sie es vielleicht vermuten werden. Die Abhängigkeiten, die Verfügbarkeit, das Sicherheitsbedürfnis steigen, dürfen aber nicht den Gang zur Digitalisierung und Automatisierung bremsen oder aufhalten.
Egal, ob Ihre IT in den lokalen Räumen der Steuerkanzlei steht oder Sie alles in ein Rechenzentrum ausgelagert haben: Es gilt, den sicheren Weg zu beschreiten, den jede Steuerkanzlei, in jeder Größenordnung und zu den jeweiligen Kosten in Relation zu Effektivität und Effizienz umsetzen kann oder will.
Nicht jede Möglichkeit zum Thema IT-Umgebung kann hier dargestellt werden, aber die perfekte Datensicherung mit Testwiederherstellungszyklen, ein gut gesicherter Internetzugang, eine geschützte und sicher lauffähige IT-Umgebung, ein EDV-Betreuer, der die IT bei Bedarf in vier Stunden reaktivieren kann und eine redundante Internetanbindung, angepasst an die Steuerkanzleigröße, sollten es schon sein.
Das Thema Sicherheit darf auf keinen Fall vernachlässigt werden. Sicherheit bedeutet nicht einfach, abends die Tür hinter sich zuzuschließen.
Mit der neuen Datenschutzgrundverordnung, die im Mai 2018 in Kraft tritt, werden auch Steuerkanzleien weiter mit diesen Themen konfrontiert. Zwei Aspekte haben sich hier besonders herauskristallisiert: Die Veröffentlichung des Datenschützers auf der Homepage der Steuerkanzlei und ein Löschkonzept für gespeicherte Mandantendaten in der jeweiligen Softwarelösung. Themen wie die Umsetzung des Datenschutzes und der Datensicherheit in der Steuerkanzlei sollten schon etabliert worden sein bzw. müssen als Grundaufgabe im Rahmen der Einführung von Digitalisierung und Automatisierung mit übernommen werden.