Vom Verwalter zum Berater - Erfolgreiche Digitalisierung für Kanzleien

von Patrick Nassall, seit 2013 für die Haufe-Gruppe tätig

Eingescannte Rechnungen, beleglose Buchhaltung, digitaler Rechnungsversand oder Online-Buchführung – all das sind Schlagwörter, die Steuerberater mit der Digitalisierung verbinden. Doch die digitale Transformation greift deutlich weiter – sie wird dazu führen, dass in Zukunft Belege nur noch als verifizierte, zertifizierte Datensätze vorliegen – und schlichtweg nur eine Zeile in der Buchhaltungssoftware darstellen. Unternehmen werden Rechnungen nicht mehr verschicken, sondern digital ins System einspeisen. Mandanten werden diese Daten nicht mehr der Kanzlei weiterleiten, sondern dieser lediglich einen Zugang ermöglichen. Alles wird ins Internet übertragen, übers Internet abrufbar und im Internet archiviert.

Damit eine Kanzlei von der digitalen Transformation profitieren kann, ist es notwendig, die Veränderungen rechtzeitig im eigenen Geschäftsmodell widerzuspiegeln. Das heißt, es gilt jetzt, die Weichen zu stellen, um auch in zehn Jahren noch eine erfolgreiche Kanzlei zu führen. Doch die digitale Transformation der Kanzlei geschieht nicht über Nacht. Sie ist ein Prozess, den die Kanzleien konsequent in allen Bereichen umsetzen müssen. Dazu zählen die Softwarelandschaft genauso wie das Know-how der Mitarbeiter, die Kundenberatung und das Dienstleistungsangebot. Wie eine Kanzlei die digitale Transformation erfolgreich umsetzt, hängt stark von den im Folgenden erläuterten Faktoren ab.

Bewusstsein stärken und Verantwortung übernehmen

Damit die Transformation gelingt, müssen nicht nur die Steuerberater, sondern auch die Mitarbeiter sich über den stattfindenden Wandel bewusst werden. Denn die digitale Welt erfordert neue Qualifikationen, für die die Kanzlei Know-how-Träger aufbauen muss. Zeit und Raum für die digitale Weiterbildung bilden eine wesentliche Voraussetzung, damit die Kanzlei erfolgreich in die digitale Zukunft treten kann. Darüber hinaus ist es notwendig, die Mitarbeiter anzuleiten und sie aktiv in den Prozess der digitalen Transformation einzubinden. Denn: Digitalisierung ist auch ein Kulturwandel, der nicht jedem sofort leicht fällt, aber unvermeidlich ist.

Und obwohl die digitale Transformation in der Verantwortung aller Mitarbeiter liegt, muss es eine feste Instanz geben, die sie vorantreibt. Sprich, Digitalisierung ist Chefsache! Der Wandel ist kein isolierter Prozess, sondern durchdringt alle Abläufe der Kanzlei und sogar die des Mandanten. Die Unternehmensführung ist daher aufgerufen, die Transformation aktiv zu gestalten und die bestehenden Prozesse innerhalb der Kanzlei, aber genauso auch zu den Mandanten und Lieferanten zu durchleuchten. Anschließend gilt es, die einzelnen Felder der Digitalisierung, einen zeitlichen Rahmen und das Investitionsvolumen festzulegen. Für größere Kanzleien empfiehlt es sich, für diese Aufgaben die Position eines CDO (Chief Digital Officer) zu installieren.

Neue Services und Dienstleistungen anbieten

Die digitale Transformation birgt nicht nur Chancen für eine Kostenersparnis und für mehr Effizienz. Das wahre Potenzial liegt darin, dass die zunehmend automatisierten Prozesse in der Finanz- und Lohnbuchhaltung Raum schaffen für die Kernkompetenz der Steuerberater – den Kundenkontakt. Für die Steuerkanzlei bedeutet dies: weniger Verwaltung und dafür mehr Beratung. Neue Dienstleistungs- und Beratungsangebote geben der Kanzlei die Möglichkeit, ihr Geschäftsmodell auszudehnen und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Dazu zählen steuerliche (Steuergestaltung, Steuervermeidung) und betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung speziell für kleine und mittlere Unternehmen, Rechtsberatung (z. B. Unternehmensnachfolge) sowie Beratung bzgl. der digitalen Transformation der Mandanten an sich (z. B. Aufsetzen und Einhalten von digitalen Geschäftsprozessen).

Eine moderne Infrastruktur und vernetzte, sichere Prozesse

Die Basis einer jeden erfolgreichen digitalen Transformation liegt in der IT-Infrastruktur. Veraltete IT-Systeme und Software, die nicht vernetzt arbeitet, erschweren den digitalen Wandel. Fragen wie die nachfolgenden stehen dabei am Anfang jeder digitalen Transformation: Habe ich eine stabile, gute Internetanbindung? Reicht die Bandbreite, wenn meine Mitarbeiter alle online sind? Ist meine Hardware und Software auf dem neusten Stand? Sind meine Systeme ausreichend gesichert – auch vor Zugriff von außen? Wie kann ich die Vernetzung innerhalb meiner Mitarbeiter, aber auch zu meinen Mandanten erhöhen?

Viele Kanzleien nutzen bereits digitale Belege, sprechen ihre Mandanten über E-Mail an, arbeiten online mit dem Finanzamt. Doch das reicht bei weitem nicht aus. Neue Buchhaltungs- und Finanzlösungen ermöglichen bereits heute eine deutlich bessere Vernetzung, sowohl innerhalb der Kanzlei, wie auch innerhalb der Zusammenarbeit mit Mandanten und Ämtern. Mandanten erfassen hierbei beispielsweise Belege per Smartphone, diese werden automatisch kategorisiert und dann dem Steuerberater inklusive Buchungsvorschlag für die eigene Kanzleisoftware bereitgestellt. Vollständig online, ohne Medienbrüche und GoBD konform.

Fazit

Die Digitalisierung birgt die Chance auf hohe Kostenersparnisse, mehr Effektivität und eine deutliche Optimierung der Prozesse – vorausgesetzt, die Kanzleien stellen sich dem digitalen Wandel und setzen die Transformation konsequent um. Das persönliche Gespräch, die intensive Beratung wird dann zunehmen, der Zeitaufwand für Verwaltungstätigkeiten sinkt. So profitieren Kanzleien zusätzlich von einem gestärkten Kontakt zu ihren Mandanten. Denn das Know-how des Steuerberaters wird in Zukunft mehr denn je gebraucht. Nicht nur, weil Steuergesetze immer komplizierter werden, sondern auch, weil der Steuerberater immer mehr zum Mittler, Berater und engen Verbündeten des Mandanten wird.

Quelle DStR 13/2017