Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz, Legal Tech – aktuelle Schlagworte wie diese stehen für sich verändernde Geschäftsmodelle und neue Technologien, die auch für den anwaltlichen Berufsstand zum „Game Changer“ werden. Selbst wenn Skeptiker sie als Modebegriffe abtun, lässt sich die Tatsache nicht wegdiskutieren, dass die Verbreitungsgeschwindigkeit neuer Technologien rasant zunimmt.
Als der US-Hersteller Apple mit seinem iPhone innerhalb weniger Monate den Markt für Mobiltelefone grundlegend veränderte, wurde offensichtlich, wie schnell die Stellung eines Marktführers – damals traf es Nokia – ins Wanken geraten kann.
Damit Rechtsanwaltskanzleien in ihrem Geschäftsumfeld kein ähnliches Schicksal ereilt, gilt es, die Kanzlei durch Digitalisierung jetzt zukunftssicher zu machen. Entwicklungen wie Elektronischer Rechtsverkehr, e-Akte, e-Justice, besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) und elektronische Recherchedatenbanken zeigen, dass die Zukunft der Justiz und damit auch der Rechtsanwälte geradewegs in die digitale Welt führt.
Diese Entwicklungen gehen mit einer neuen Erwartungshaltung der Mandanten einher, die ausgezeichneten Service verlangen – und das manchmal sogar für weniger Geld. Eine schnelle Fallbearbeitung, „online“ verfügbar zu sein und ein transparentes Angebot für die Mandanten sind die Schlüssel, um in diesem Anforderungsumfeld bestehen zu können.
Demnach ist es wichtig zu hinterfragen, welche Tätigkeiten in der Kanzlei zukünftig digital bzw. automatisiert abgewickelt werden können.
Kanzleiprozesse analysieren
Noch ist der Arbeitsalltag von Rechtsanwälten stark von analogen Abläufen geprägt. Schriftsätze werden ausgedruckt, Notizen sowie Verfügungen anschließend handschriftlich ergänzt und Rechercheergebnisse aus Online-Datenbanken müssen ebenfalls eingepflegt werden. Zu den zentralen Aufgaben gehören dabei die Recherche und die Bearbeitung von fallbezogenen Dokumenten.
Diese Tätigkeiten sind meist umfangreich und zeitaufwändig. Wie gewinnbringend ein Mandat ist, wird aber nicht nur durch den Streitwert beeinflusst, sondern in erheblichem Maße auch durch die investierte Zeit bei der Fallrecherche.
Meist läuft dieser Prozess wie folgt ab: Handakte vorlegen lassen und wichtige Ereignisse, Fundstellen, Namen etc. mit einem Textmarker auf dem Dokument hervorheben.
Dazu erfasst der Anwalt in der Regel noch kurze Notizen, u. a. welche Fundstellen wichtig für den zu erstellenden Schriftsatz sind. Zeitgleich recherchiert er am PC oder im Kommentar aufgeführte Fundstellen und Urteile. In umfangreichen Dokumenten wird gerne auf Haftnotizen zurückgegriffen, um ein schnelles Auffinden von Informationen und Anlagen sicherzustellen. Vor allem bei Fällen, die sich über mehrere Instanzen ziehen und/oder bei denen noch Gutachten hinzukommen, wird die Recherche aufgrund des Aktenumfanges immer zeitaufwändiger.
Kollege Computer zeigt, worauf es ankommt
An diesem Punkt setzt Legal Tech an: Moderne Software ist bereits heute in der Lage, juristische Texte automatisiert nach bestimmten Kriterien zu durchforsten. So bekommt der Anwalt ein effizientes Werkzeug an die Hand, das Schriftstücke analysiert, strukturiert und gliedert. Für den Juristen bedeutet das einen schnelleren Überblick und deutlich effizientere Arbeitsprozesse, wodurch er mehr Zeit für die eigentliche Beratung der Mandanten hat.
Mit Software lässt sich im Gesamtprozess also einiges optimieren. Ein gutes Beispiel wie die Automatisierung die juristische Arbeit vereinfachen kann, liefert die Nutzung der Textanalyse.
Dafür sind bereits Programme verfügbar, die eine semantische Analysefunktion beinhalten. Selbstständig können sie unter anderem Urteile, Normen, Fundstellen, Adressen und Ortsangaben in einem Dokument erkennen, farblich markieren und als Ergebniskategorie schnell auffindbar machen. Solche visuellen Anker ermöglichen somit ein deutlich schnelleres Lesen und Erfassen des Textes.
Übersichtliche Navigation durch sämtliche Schriftstücke
Bei der Bearbeitung der Schriftstücke lassen sich mit einer Notizfunktion wichtige Anmerkungen festhalten. Haftnotizen, die verloren gehen könnten, gehören damit der Vergangenheit an.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit, zwischen Markierungen und Notizen schnell hin und her zu navigieren. Diese Navigationsfunktion steht bei guten Systemen auch dokumentübergreifend zur Verfügung. Mit Hilfe einer Volltextsuche können wichtige Informationen im Text gefiltert werden. Das erleichtert den Überblick bei komplexen Schriftsätzen und beschleunigt die Bearbeitung.
Sämtliche Schriftstücke, die bislang in ausgedruckter Form in Handakten abgelegt wurden, lassen sich so automatisiert digital sowie chronologisch darstellen.
Dadurch können Anwälte innerhalb des Falls schnell navigieren und mittels der Volltextsuche wichtige Information im Dokument auffinden. Wenn entsprechende Verbindungen bestehen, lassen sich Adressen, die automatisch im Text gefunden werden, direkt bei Online-Kartendiensten anzeigen. So können sich Juristen beispielsweise bei Verkehrsrechtssachen sofort einen ersten Überblick über die örtlichen Gegebenheiten verschaffen.
Chronologisch aufbereitet und gut vernetzt
Um Zusammenhänge im zu bearbeitenden Fall schnell zu erkennen, ist eine chronologische Aufbereitung der Inhalte in Form eines Zeitstrahls hilfreich. Dieser sollte relevante Datums- und Zeitangaben aus allen zum Fall hinzugefügten Dokumenten umfassen. Innerhalb kürzester Zeit kann sich der Anwalt so einen Überblick über die Chronologie verschaffen.
Gefundene Normverweise, Zitate und Fundstellen lassen sich bei modernen Programmen mit einem Klick öffnen. Nötig sind dafür lediglich eine aktive Internetverbindung und ein Account bei einem Anbieter für eine entsprechende juristische Recherchedatenbank.
Dieser Kontextzugriff macht eine medienbruchfreie Recherche möglich. Beruft sich etwa der gegnerische Anwalt auf eine Gerichtsentscheidung, so kann das Urteil gleich aus dem Schriftsatz heraus angezeigt werden. So muss weder die Fundstelle kopiert noch ein anderes Portal aufgerufen werden.
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