Der Einsatz von künstlicher Intelligenz innerhalb der Justiz und dem öffentlichen Sektor wird aufgrund des stark steigenden Arbeitsaufkommens immer dringlicher. Ein kontrollierter und sicherer Einsatz von künstlicher Intelligenz kann Arbeitsprozesse beschleunigen und eine nachhaltige Digitalisierung ermöglichen.
Erhöhte Arbeitsbelastung für Juristen durch KI-unterstützte Massenverfahren?
Die stetig steigende Arbeitsbelastung pro Mitarbeitenden ist in nahezu allen juristischen Arbeitsbereichen sichtbar. Massenverfahren werden zu einem immer größeren Problem für Juristen allgemein, insbesondere aber für Richter. Beispiele für Massenverfahren sind etwa die Schadensersatzansprüche bei Dieselfahrzeugen oder die Geltendmachung von Fluggastrechten. Dabei sorgen KI-unterstützende Online-Plattformen für ein immer größer werdendes Klageaufkommen in immer kürzerer Zeit. Hinzu kommt, dass oftmals die gleichen Schriftsätze verwendet werden, ohne den Einzelfallbezug zu betrachten. Es entstehen umfangreiche Schriftsätze mit vielen Anlagen, bei denen nur ein kleiner Teil für den Fall relevant ist. Solche Fälle können zumeist schon jetzt standardisiert verarbeitet werden. All das muss innerhalb gesetzter Fristen erledigt werden und so steigt neben der meist monotonen Arbeit die Arbeitsbelastung. Zusätzlich zum Fachkräftemangel ist das eine Kombination, welche die Juristen stark herausfordert.
Standardisierte KI-Textverarbeitung im Prozessmanagement
Abhilfe kann hier durch künstliche Intelligenz (KI) geschaffen werden, indem das Prozessmanagement erleichtert wird. Dabei sind Massenverfahren prädestiniert für Anwendungen mit KI, denn hier treten gehäuft immer wieder gleiche oder ähnlich gelagerte Fälle auf, die standardisiert bearbeitet werden – eine hervorragende Grundlage zur Erstellung einer KI, die dann sogar unterstützend tätig sein kann, indem sie Dokumente analysiert und aufarbeitet. Da es sich um Textdokumente handelt, können hier Techniken aus der Textverarbeitung (Natural Language Processing, kurz NLP) genutzt werden.
Von Anonymisierung bis Zusammenfassung – Verschiedene Funktionen und Einsatzmöglichkeiten der KI
KI kann dabei für unterschiedliche Zwecke genutzt werden. Zum einen kann eine semantische Textanalyse stattfinden, welche die Texte lesen und Informationen aus einem Text herausfiltern und Kategorien zuordnen kann (Name Entity Recognition, kurz NER). Die Texte können am Ende auch durch KI zusammengefasst werden. So können PDF-Dateien, gescannte Dokumente oder XJustiz-Dateien analysiert werden und Kategorien zugeordnet werden (Klageformblatt, Antwortformblatt, Urteil, Rechtsgebiet usw.). Eine effiziente Zuordnung zu den zuständigen Personen, Akten oder Datenbanken kann dann automatisiert stattfinden. In diesem Prozess können auch sogenannte Schlagwörter herausgefiltert werden und den Dokumenten zugeführt werden, was bei einer späteren Suchanfrage eine große Unterstützung sein kann.
Des Weiteren können Verfahrens- und Prozessinformation aus Dokumenten extrahiert werden, wie z.B. Beteiligte mit Namen und Adressen, der Streitwert, Sachgebiet und das Aktenzeichen. Basierend darauf kann neben der Aktenzuordnung auch eine Fallübersicht erfolgen, die es Juristen erlaubt, einen schnellen Überblick zu erhalten. Hat man erst einmal die Verfahrens- und Prozessinformationen herausgefiltert, können diese auch zur Anonymisierung/Pseudonymisierung der Urteile genutzt werden. Aktuell werden nur bis zu ca. 5 % der Urteile veröffentlicht, denn die manuelle Anonymisierung ist zeitaufwändig und trotz aller Sorgfalt können hier Fehler entstehen. Eine KI-Unterstützung könnte mit einer ähnlichen oder besseren Trefferquote weitaus schneller agieren. Anonymisierte Urteile können dann die Basis weiterer KI-Innovationen sein.
Einheitliche KI-Lösungen für Gericht, Anwaltskanzlei und Notariat – Ähnliche Anforderungen bei allen Juristen
Der Vorteil der KI-gestützten Dokumentaufarbeitung ist, dass sich der Anwendungsfall auf alle juristischen Tätigkeiten bezieht. Dabei kann KI nicht nur eine starke Arbeitserleichterung für Gerichte sein, sondern auch in Notariaten und Anwaltskanzleien effizienzsteigernd genutzt werden. Ist z.B. die Dokumentenaufarbeitung an die elektronischen Postfächer (beA, beN) angeschlossen, kann dann eine effiziente Veraktung, Dokumentenzuordnung und -suche erfolgen. Das führt zu einer enormen Erleichterung der Arbeitsprozesse und erhöht den Digitalisierungsgrad juristischer Prozesse. Dabei kann man feststellen, dass die Anforderungen an die KI-Technologie von Seiten der Kanzleien, Notariate und Gerichte sehr ähnlich gelagert sind. Technologische KI-Insellösungen können somit vermieden werden und der Fokus kann und muss sogar auf die Adaptierbarkeit an unterschiedliche Systeme gelegt werden.
Fazit zum Einsatz von KI
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der gezielte Einsatz von KI die Herausforderungen der steigenden Arbeitsbelastung im juristischen Bereich angehen kann. Die semantische Textanalyse und die Extraktion von Verfahrensinformationen bieten eine effiziente Lösung, um Arbeitsprozesse zu beschleunigen. Dies ermöglicht eine effektivere und nachhaltige Dokumentenverarbeitung in einer Zeit, in der der Bedarf an Entlastung dringender denn je ist.
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Über die Autorin:
Dr. Maria Börner
ist promovierte Physikerin mit langjähriger Erfahrung in KI-Produktentwicklung und KI-Expertin für die Bereiche Legal Tech, Justiz und Ethik. Sie ist im Business Development AI bei Westernacher Solutions tätig, außerdem Leiterin der KI-Expertengruppe des Legal Tech Verbandes sowie Leiterin des Berlin Teams von Women in AI.
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Dieser Beitrag erschien erstmals in der NJW 47/23.