Was gutes Verhandeln mit Bäumefällen zu tun hat

Interview mit Josef Abeltshauser

Im Business dominieren Verhandlungen die Agenda. Das trifft für Kanzleien ebenso zu wie für Einkäufer und Verkäufer in der Wirtschaft. Verhandlungstrainer Josef Abeltshauser hat viele Jahre im B2B-Automotive-Sektor gearbeitet. Im Interview mit Susanne Kleiner berichtet er, wie die Industrie gute Geschäfte macht und was das mit Anwälten und Unternehmensjuristen zu tun hat. Und er verrät, was er beim Bäumefällen über die besten Strategien lernt. Ein Perspektivenwechsel verbunden mit der Einladung, Verhandlungsführung neu zu denken.

Sie haben viele Jahre im B2B-Automotive-Sektor verhandelt. Was raten Sie Kanzleien, wenn es ums Verhandeln geht?

Bereiten Sie sich gut vor. Und widerstehen Sie Ihrem Tunnelblick. Denn: Es zählt nicht nur Rechtliches. Auch die Psychologie beeinflusst Gespräche. Erfahrene Köpfe stellen sich darauf ein: In welchem Kontext bewegt sich mein Gegenüber? Mit welchen Menschen habe ich es zu tun? Wie gehe ich mit unterschiedlichen Typen um? Der harte Wettbewerb hat die Industrie gelehrt, vielfältige Facetten einzukalkulieren. Und: In produzierenden Wirtschaftszweigen folgt die Verkaufs- und Einkaufspraxis eigenen Regeln. Mit diesen ungeschriebenen Gesetzen setzen sich vorausschauende Unternehmensjuristen und beratende Anwälte bewusst auseinander.

Wie erschließen sich Anwälte diese ungeschriebenen Gesetze?

Ganz einfach: Sie reden mit den Fachkräften aus Vertrieb und Einkauf. Und sie hören zu. Ich habe oft erlebt, dass Verhandler und Anwälte nicht zusammenkommen. Der reine Gesetzestext läuft am Verhandlungstisch meist ins Leere. Eine Krux dabei: Rechtsberater bevorzugen oft den juristischen Weg. Wer Deals verhandelt, gibt jedoch alles, um Geschäfte nicht platzen zu lassen. Erfolgreich Verhandeln bedeutet also auch, eine gemeinsame geschäftliche Zukunft zu ermöglichen. Umsichtige Rechtsberater fühlen sich in ihre Kollegen oder Mandanten hinein.

Wie schaffen es Kanzleien und Rechtsabteilungen, ihren Nachwuchskräften Verhandlungsstärke näherzubringen?

An der Uni lernt man so etwas nicht. Es ist gut, Berufseinsteiger zu fordern und zu fördern. Fälle und Gerichtstermine gemeinsam vorzubereiten. Die Jungen zur Verhandlung mitzunehmen. Verlauf und Ergebnis aufzuarbeiten, zu diskutieren und kritisch zu reflektieren. Verantwortung zu übertragen, Vertrauen zu schenken, Fehler als Erkenntnisbringer willkommen zu heißen und Feedback zu geben. Prägende Mentoren unterstützen individuell und ermutigen junge Menschen, an sich zu glauben – besonders, wenn sie sich ihrer selbst noch nicht sicher sind.

Verhandlungen können auch belastend sein. Wie äußert sich das?

Nicht jeder ist zum Verhandeln geboren. Passionierte Verhandler halten die Spannungen aus, die typischerweise auftauchen. Wer Angst hat oder verunsichert ist, macht zu. Wer Probleme auf sich bezieht und sie mit ins Privatleben nimmt, belastet sich psychisch. Es sind viel zu viele Menschen, die bis zum Zusammenbruch durchhalten; die sich nicht eingestehen, dass sie im falschen Job sind. Besser ist es, Grenzen zu erkennen und die Stelle zu wechseln. Oder bei grundsätzlicher Eignung sich coachen oder trainieren zu lassen.

Was hilft, um stabil in Gespräche zu gehen und gut für sich zu
sorgen? 

Bereits bei der Berufswahl gilt es, herauszufinden: Bin ich für den Job geeignet? Oder werde ich eher als Berater oder als Forscher und Entwickler glücklich? Und umgekehrt tun Arbeitgeber gut daran zu prüfen, ob die Stärken der Bewerber zu der Stelle passen. Grundsätzlich helfen Sport, ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und mentale Anker. Wer seine Kraftquellen identifiziert und sie im Alltag anzapft, sorgt gut für sich. Und: Unangenehme Situationen sind Teil der Aufgabe. Punkt. Das zu akzeptieren befreit. Standfestigkeit entwickelt außerdem, wer sich nicht vergleicht oder anderen nacheifert.

Wie gewinnen Sie Abstand von Ihrem anspruchsvollen Beruf?

Ich tanke auf, wenn ich mit meiner Frau und meinen zwei Söhnen zusammen bin. Übrigens: Meine Jungs sind inzwischen fast so alt wie ich war, als ich meinen ersten wichtigen Verhandlungserfolg verbucht habe. Ich erinnere mich noch gut und sehr gerne daran. Ich war unglaublich stolz: Nach intensivem Hin und Her hat mir mein Vater zum ersten Mal die Motorsäge in die Hand gedrückt. Damals war ich zwölf. Ich habe das Glück, ein Stück Wald zu besitzen. In der Natur finde ich Ruhe. Im Moment baue ich mein Gebiet von einer Fichten-Monokultur zu einem widerstandsfähigen Mischwald um. So bleibe ich auch körperlich in Bewegung. Im Wald habe ich sowieso die besten Ideen und sinniere gerne über Parallelen zu meinem Beruf.

Was hat Bäumefällen mit Verhandlungskunst zu tun?

Die Bäume erinnern mich daran, sorgfältig, demütig und wachsam zu sein. Auch mir passiert es nach dreißig Jahren Waldarbeit manchmal immer noch, dass ich übereilt die Motorsäge ansetze. Gedanken wie ‚Das habe ich schon hundert Mal gemacht‘ oder ‚es muss schnell gehen‘ rächen sich unmittelbar. Beim Bäumefällen habe ich gelernt, mein Gegenüber individuell wahrzunehmen, die passende Strategie zu entwickeln, erstklassiges Werkzeug bereitzuhalten, Kompetenz und Know-how zu verinnerlichen und mich körperlich und geistig fit zu halten. Sonst ist schnell der Wurm drin. Die Natur lehrt mich, Verhandlungen geerdet anzugehen und Methoden handfest zu vermitteln. Auch weil ich weiß: Trotz bester Vorbereitung kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren.

Quelle: NJW 35/20

Über die Interviewpartner:

Josef Abeltshauser
Verhandlungstrainer, Berater und
Business-Coach im Großraum Landshut

www.abeltshauser-training.de

Susanne Kleiner
Kommunikationsexpertin, Autorin,
Texterin, Trainerin (dvct), Online-Trainerin
und Coach (dvct) in Freiburg im Breisgau

www.susanne-kleiner.de