Professionalisierung in der Aufsichtsratsarbeit: Qualifizierungskonzept auch für Juristen

von Gabriele Bornemann

Ob börsennotiertes Unternehmen oder Mittelstand, die Grundregeln der Aufsichtsratsarbeit sind immer gleich.
„Kontrolle und Beratung“ als Kernaufgabe des Aufsichtsrates zeigen nur dann Erfolge, wenn mit der nötigen Distanz und dem erforderlichen Fachwissen eine professionelle Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsgremium aufgebaut wird.
Die Frage nach dem erforderlichen Wissen ist aus drei Perspektiven zu betrachten:

1. Kontrolle: Der Financial Expert (§ 100 Abs. 5 AktG)

Die Kontrolle der Finanzkennzahlen und der Rechnungslegungsprozesse erfordert in Abhängigkeit der Größe von Unternehmen und in Bezug auf Rechnungslegungsstandards (HGB / IFRS) Spezialistenwissen und laufende operative Praxis.

2. Beratung: Sektorwissen in der Mehrheit erforderlich (§ 100 Abs. 5 AktG)

Die Arbeit des Aufsichtsrates soll stets zum Wohle der Gesellschaft erfolgen. Geopolitische Veränderungen, technologische Weiterentwicklungen und Compliance im internationalen Kontext fordern eine neue Entscheidungsstärke und Wissensbasis auch in den Aufsichtsgremien.

3. Individuelle Haftung (§§ 93 Abs. 2, 116 AktG)

Es gilt das Prinzip der individuellen Haftung. Demzufolge besteht auch dann ein etwaiger – persönlicher - Haftungstatbestand, wenn Entscheidungen außerhalb des eigenen Spezialgebietes mitgetragen werden.

Aufsichtsrats-Qualifizierung 1.0

Aufsichtsrat galt lange als Ehrenamt. Mit der Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen an das erforderliche AR-Wissen in Bezug auf Finanzkennzahlen und Rechnungslegung entwickelte sich ein eigenständiger Seminarmarkt zur Qualifizierung von Aufsichtsräten und Beiräten, der insbesondere die Teilbereiche „Kontrolle und Haftung“ als professionalisiertes Qualifizierungsangebot abdeckt.
Dieses Qualifizierungsangebot richtet sich vorrangig an eine Zielgruppe, die keine juristische oder rechnungslegungsspezifische Vorbildung mitbringt.

Aufsichtsrats-Qualifizierung 2.0

Die Deutsche Börse AG definiert mit ihrem Siegel „Qualifizierter Aufsichtsrat“ einen neuen und ganzheitlichen Wissens- und Qualitätsstandard in der Aufsichtsratsarbeit und deckt damit alle drei Wissensgebiete – Kontrolle / Beratung / Haftung – ab. Durch die Einbindung des Themenschwerpunktes „Beratung“ ist dieses Qualifizierungskonzept erstmalig auch auf die Zielgruppe der Juristen ausgerichtet.

Prüfungsinhalte Deutsche Börse AG

• Organisation der AR-Arbeit, Haftung und D&O

• Rechnungslegung

• Strategie- und Projektmanagement, IT-Technologie

• Merger & Acquisitions

• Compliance, Risikomanagement und Revision

• Nachhaltigkeit, Kommunikation und Investor Relations

Wer den Titel „Qualifizierter Aufsichtsrat“ tragen möchte, muss neben einem Lehrgang bei einem durch die Deutsche Börse AG zertifizierten Lehrgangsanbieter auch eine Prüfung bei der Deutsche Börse AG selbst ablegen.
Das Qualifizierungskonzept der Deutsche Börse AG setzt zudem auf Aktualität und stetige Fortbildung. Das Zertifikat „Qualifizierter Aufsichtsrat“ ist auf drei Jahre befristet und kann nur in Verbindung mit einem eintägigen Aktualisierungslehrgang verlängert werden.

Mit der Trennung von Lehrgang und Prüfung folgt die Deutsche Börse AG ihrem hohen Anspruch an Vielfältigkeit, Qualität und Distanz. Durch regelmäßige Qualitätsaudits der zertifizierten Lehrgangsanbieter, der laufenden Überarbeitung der Prüfungsfragen und der Einbindung von aktiven Aufsichtsräten, Juristen und Fachexperten in der Prüfungskommission wird der Anspruch der Deutsche Börse AG als Qualitätsführer deutlich.

Professionalisierung auch durch strenge berufliche Zulassungskriterien

Um sich von dem Bild „Aufsichtsrat = Ehrenamt“ abzusetzen, gelten zudem strenge berufliche Zulassungskriterien bei der Zulassung zur Prüfung „Qualifizierter Aufsichtsrat“. Und das zu Recht. Gerade in Zeiten disruptiver Geschäftsmodelle, digitaler Transformation und/oder neuer technologischer Revolutionen wird die Aufsichtsratsarbeit immer herausfordernder.
Neben Führungspersönlichkeiten aus Industrie und Wirtschaft haben insbesondere Juristen – bei mindestens achtjähriger Berufstätigkeit – einen direkten Zugang zur Prüfung „Qualifizierter Aufsichtsrat“.

Für Juristen ist der ganzheitliche Qualifizierungsansatz der Deutsche Börse AG eine wertvolle Ergänzung zu der eigenen beruflichen Praxis und eine Grundvoraussetzung, um Impulse in der strategischen Unternehmensausrichtung zu setzen. Mit Best Practice Erfahrungen und strategischer Methodenkompetenz, Führungs- und Risikokultur stärkt der Jurist seine Rolle im Aufsichtsgremium.
Dazu die Deutsche Börse AG: „Mit unserer Prüfung „Qualifizierter Aufsichtsrat“ tragen wir dazu bei, einheitliche Wissensstandards für kontrollierende Gremien zu etablieren. Das dazugehörige Fortbildungskonzept erfüllt einen hohen Qualitätsanspruch, um die weitere Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit in Deutschland zu unterstützen.“ sagte Dr. Alexandra Hachmeister, Chief Regulatory Officer und Vorsitzende der Prüfungskommission ‚“Qualifizierter Aufsichtsrat‘“ der Capital Markets Academy, dem Trainingscenter der Deutschen Börse.

Foto oben: zatevakhin/stock.adobe.com

Über die Autorin:

Gabriele Bornemann
geschäftsführende Gesellschafterin Management Alliance GmbH,
neben der Interfin GmbH und Akademie für Beiräte und Aufsichtsräte
zertifizierter Lehrgangsanbieter der Deutsche Börse AG zur
Qualifizierung von Aufsichtsräten

Quelle NJW 30/2018