Europäisches Daten-Lizenzrecht im Umbruch

von Prof. Dr. Thomas Wilmer

Lizenzierung von Daten und KI-Ergebnissen im Lichte aktueller EU-Normierungsansätze

Das Internationale Lizenzrecht befasst sich nicht nur mit der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten wie Bildern, Filmen, Computerspielen und Texten sowie anderen Geistigen Eigentumsrechten. Aufgrund der gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung von Daten, die bei der Nutzung smarter Systeme und Plattformen entstehen, befassen sich Lizenz- rechtlerInnen verstärkt damit, wie Daten ausgewertet und lizenziert werden können. Bereits nach der aktuellen Rechtslage ist dies nicht einfach zu beurteilen.

Zu vermarktende Daten können etwa Informationen über die Bestellung von Produkten über einen Onlineshop sein, aber auch über gefahrene Routen eines (teil-)autonomen PKWs oder über Lernergebnisse einer Künstlichen Intelligenz. Diese rechtssicher einzuordnen stellt eine komplexe Aufgabe dar. Je nach Inhalt, Personenbezug, Art der Speicherung, kreativem oder zeitlich- finanziellem Aufwand der Erstellung und technischem Schutz der Daten können diese unter anderem der Datenschutz-Grund- verordnung, dem Eigentumsrecht des BGB, dem Schutz von Datenbanken nach dem UrhG und dem Geschäftsgeheimnisgesetz unterfallen.

Die Datenlizenzierung setzt daher eine umfassende Kenntnis der jeweiligen Normen und der Zulässigkeit von entsprechenden Vertragsklauseln voraus: Welche Daten dürfen verwertet werden, welche Einwilligungen sind erforderlich, welche Grenzen setzt das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen? Aufgabe des Internationalen Lizenzrechts ist es, hierbei auch ausländische Rechtsordnungen beim weltweiten Datenhandel zu berücksichtigen. Neben den einschlägigen ausländischen Normen (insbesondere der USA) kommen hier künftig neue europäische Regelungen zum Tragen:

In der europäischen Datenstrategie vom Februar 2020 hat die EU-Kommission die Entwicklung gemeinsamer europäischer Datenräume angekündigt, welche einen echten Binnenmarkt für Daten ermöglichen sollen. Die Umsetzung dieser Strategie erfolgt u.a. über den Data Governance Act und den Data Act.

Der Data Governance Act soll einen klaren Rahmen für die Nutzung von Daten des öffentlichen Sektors ermöglichen, wenn diese Daten den Rechten anderer unterliegen. Solche Rechte können etwa bei Handelsgeheimnissen, personenbezogenen Daten oder Geistigem Eigentum vorliegen. Ergänzend gilt die Richtlinie überoffene Daten aus dem Jahr 2019, soweit sonstige Daten betroffen sind. Geschäftsmodelle, welche solche Daten des öffentlichen Sektors betreffen, erhalten damit neue Leitplanken für die Lizen­zierung.

Der Data Act wiederum enthält Maßnahmen, die den Zugang der Nutzer zu den von ihren vernetzten Geräten erzeugten Daten sicherstellen sollen; daneben sind Maßnahmen zur Unterstützung des Datenzugangs für kleine und mittlere Unternehmen enthal­ten. Allerdings wird jedoch auch geregelt, dass Datenbanken, wel­che Daten des „Internets der Dinge“ enthalten, keinem gesonder­ten Rechtsschutz unterliegen sollen. Dies soll garantieren, dass diese Daten zugänglich sind und genutzt werden können, steht aber der wirtschaftlichen Verwertung entgegen.

Darüber hinaus werden mit einer neuen Verordnung zur Künst­lichen Intelligenz harmonisierte Vorschriften für das Inverkehr­bringen, die Inbetriebnahme und die Verwendung von Systemen der Künstlichen Intelligenz eingeführt. Auch diese Neuregelung wird sich maßgeblich auf die Lizenzierung von Daten aus KI­ Systemen auswirken. Summa Summarum wird der Datenhandel durch die Neuregelungen der EU in Teilen erleichtert, in weiten Teilen aber auch stärker eingeschränkt, als dies in anderen Rechts­ordnungen üblich ist.

Komplexe Herausforderungen für LL.M.- AbsolventInnen im Internationalen Lizenzrecht

Ein LL.M. Abschluss im Internationalen Lizenzrecht ist beson­ders geeignet, die – nach Einschätzung der Wissenschaft und der Datenschutzaufsicht – schwer kombinierbaren Vorgaben all dieser Rechtsetzungen zu interpretieren und passende Lösungen für digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln. Auch im Hinblick auf dieses neue europäische Datenrecht stellt sich der Arbeits­markt im Bereich des Internationalen Lizenzrechts ausgesprochen positiv dar. Neue Geschäftsmodelle im Bereich der KI, der In­dustrie 4.0 sowie der autonomen Systeme führen dazu, dass die Erhebung und Auswertung von Daten immer größere wirtschaft­liche Bedeutung erhalten werden. Dieser Herausforderung ge­recht zu werden erweist sich als ideales Betätigungsfeld für künf­tige internationale LizenzrechtlerInnen.

Der LL.M. Studiengang für Internationales Lizenzrecht der Hochschule Darmstadt richtet sich an Absolventinnen und Ab­solventen, die bereits einen juristischen Abschluss erlangt haben. Er vermittelt vertiefte Kenntnisse der Vertrags­ und Fallgestaltun­gen aus dem Medien­, IT­, Datenschutz­ und IP­Recht sowie den zugehörigen Fragen des internationalen, insbesondere anglo­ame­rikanischen Rechts. Darüber hinaus finden sich Internationalisie­rungsanteile, die den Bedürfnissen der internationalen Kommunikation und der Schnittstellenkommunikation zwischen Technik und Recht entsprechen.

Absolventen und Absolventinnen sind somit den Anforderungen des gehobenen Arbeitgebermarktes in international tätigen Unternehmen der IT-/IP- und Medienbranche, etwa in Rechtsabteilungen oder im gehobenen Projekt- und Lizenzmanagement gewachsen. Perspektivisch werden sie befähigt, Führungspositionen im Lizenzmanagement einzunehmen oder ihre wissenschaftlichen Fähigkeiten durch eine Promotion zu vertiefen.

Über den Autor:

Prof. Dr. Thomas Wilmer ist Direktor des Instituts für Informationsrecht der Hochschule Darmstadt und stellvertretender Leiter des Studiengangs Internationales Lizenzrecht LL.M. Er ist spezialisiert auf Fragen des Lizenz- und Datenschutzrechts und lehrt auch im Fachanwaltslehrgang für das Recht der Informationstechnologie.