Wie die Corona-Pandemie die Kanzleiorganisation in den Fokus rückt

von Bernhard Lang

Bereits vor der Pandemie gab es gute Argumente für die Digitalisierung der Kanzleiorganisation. Doch Corona hat in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, wie wertvoll und oft dringlich eine moderne Kanzleiorganisation ist. Ein Beispiel dafür ist der verstärkte Einsatz des mobilen Arbeitens, auch in Steuerkanzleien: Hieraus ergeben sich neue Aufgaben und zugleich neue Anreize, Prozesse zu überdenken und zu digitalisieren.

Interne Kanzleiorganisation: Transparenz erreichen

Grundlage für die erfolgreiche Arbeit der Kanzlei sind ausreichende Einblicke in das Unternehmen und diese liefert nur eine leistungsfähige, digitale Kanzleiorganisation. Ein zentrales Beispiel ist die vernünftige Zeiterfassung auf Mandanten- und Tätigkeitsebene. Aufgrund der Pandemie sind viele Prozesse nicht mehr auf dem gleichen Niveau transparent, da Kanzleiinhaber die eigenen Mitarbeiter nicht im Zugriff haben. Zudem ist der Überblick über die Mandantschaft nicht mehr im selben Maß gegeben wie vor der Pandemie.

Eine leistungsfähige Kanzleiorganisation schafft hier Abhilfe, indem sie für Transparenz sorgt: Kanzleien können Zeiten für einzelne Tätigkeiten, wie zum Beispiel für das Führen der Finanzbuchhaltung, minutengenau erfassen und gegenüber dem Mandanten transparent darstellen sowie abrechnen. Außerdem haben sie stets den Bearbeitungsstand einzelner Tätigkeiten vor Augen und können die Lasten der Mitarbeiter flexibel verteilen, auch ohne den Schreibtisch des Mitarbeiters im Blick zu haben.

Diese Transparenz führt zu einer Änderung der kompletten Arbeitsweise, da sie Kanzleien ermöglicht, die Prozesse bis hin zum Mandanten zu strukturieren und zu überwachen. So können Steuerberater den Einsatz ihrer Mitarbeiter besser planen, die Rentabilität einzelner Mandate untersuchen und diese punktuell verbessern.

Die externen Prozesse: Die Zusammenarbeit mit dem Mandanten

Insbesondere die Zusammenarbeit mit Mandanten ist durch die Pandemie in Bewegung geraten und läuft auf eine neue Arbeitsteilung hinaus, die im Grunde im Interesse der Kanzlei ist. Bei dieser Arbeitsteilung bleiben Vorbehaltsaufgaben erhalten, während sich für Unternehmer Möglichkeiten ergeben, ihre administrativen Aufgaben zu vereinfachen und zu professionalisieren und durch digitalisierte Prozesse sicher und effizient zu gestalten.

Auffälligstes Beispiel: In der Vergangenheit kamen kostspielige ERP-Lösungen nur ab einer gewissen Unternehmensgröße zum Tragen, bei der entsprechend ausgebildetes Fachpersonal für Finanz- und Lohnbuchhaltungsleistungen vorhanden ist.

Inzwischen jedoch ermöglichen günstige Online-Applikationen, die als Software-as-a-Service (SaaS) dauerhaft ortsunabhängig zur Verfügung stehen, Hilfestellungen insbesondere für kleinere Betriebe. Der Einsatz dieser Applikationen macht den traditionellen „Belegtourismus“ hinfällig. Es gibt keinen klaren Zeitpunkt mehr, an dem der Mandant einen Pendelordner abgibt und die Kanzlei mit der Leistungserbringung beginnt. Der Mandant wird durch die Nutzung dieser Applikationen in den Belegprozess integriert oder liefert bereits strukturierte Daten, abschließend liefert die Kanzlei das Knowhow.

Moderne Lösungen für die Kanzleiorganisation müssen diese Arbeitsteilung und die Einbindung des Mandanten in die Prozessabläufe der Kanzlei leisten und diese transparent aufzeigen. Die Kanzleiorganisation wird dabei zum Steuerungsinstrument der Prozesse.

Digitale Zusammenarbeit, digitale Lösungen und neue Prozessabläufe

Durch die digitale Zusammenarbeit wird die Mandantenbeziehung enger, da man den Mandanten in die eigenen Prozesse integriert. Belege stehen digital zur Verfügung und werden kontinuierlich verarbeitet. Das wiederum erlaubt zum einen eine bessere Abstimmung und bedeutet in der Kanzlei eine besser verteilte Arbeitslast als der Ordner, der einmal im Monat aufläuft. Zum anderen kann der Mandant jederzeit aktuelle digitale Auswertungen erhalten und diese einsehen. So hat er in diesen ungewöhnlichen Zeiten stets einen Überblick über seine finanzielle Situation und kann, etwa in Hinblick auf etwaige Hilfen des Bundes, schnell reagieren.

All dies erfordert eine Neuausrichtung der Prozessabläufe, wofür wiederum die richtigen Werkzeuge im Rahmen der Kanzleiorganisation benötigt werden. So bietet es sich beispielsweise an, die bestehenden Möglichkeiten der Kanzleiorganisation um ein Online-Werkzeug zur Mandantenkollaboration zu ergänzen.

Fazit Die Digitalisierung bietet Kanzleien gerade derzeit klare Vorteile. Ein wichtiger Teil dieser Digitalisierung ist die Kanzleiorganisation. Wem verbesserte kanzleiinterne Prozesse als Anreiz für einen Umstieg auf digitale Module nicht genügen, der sollte die zunehmende Arbeitsteilung nicht aus dem Blick verlieren. Kanzleien, die den Anforderungen an Home-Office und Kontaktbeschränkungen gerecht werden wollen, müssen sich völlig neu organisieren und Prozesse effizient digital und transparent gestalten.

Für jüngere Unternehmer ist dies bereits eine klare Strategie und für alle anderen Mandate müssen neue Wege gefunden werden, um mit dem „New Normal“ umzugehen. Am Ende ist es die Kanzleiorganisation, die Prozesse zusammenfügt und die Kanzlei nicht nur heute, sondern auch morgen organisatorisch sicher aufstellt.

 

Über den Autor:

Bernhard Lang
Senior Technology Product Manager bei
Wolters Kluwer Tax & Accounting Deutschland.