Der Wirtschaftsjurist als gefragter Experte an der Schlüsselstelle zwischen Recht und Wirtschaft

von Prof. Dr. jur. habil. Christoph Schärtl, ist seit 2014 Professor für Bürgerliches Recht, dt. und europ. Handels- und Gesellschaftsrecht, IPR sowie dt. und int. Zivilverfahrensrecht an der SRH Hochschule Heidelberg und Studiengangsleiter des Masterstudiengangs „Internationales Wirtschafts- und Unternehmensrecht“ (LL.M.)

Die moderne Arbeitswelt sucht hochqualifizierte Mitarbeiter mit geschulter Persönlichkeit sowie ausgeprägten Fach-, Handlungs-, Sozial- und Selbstkompetenzen. Gefordert wird dabei einerseits eine immer weitere Spezialisierung und Fokussierung. Andererseits dürften gerade Führungskräfte nicht den Blick für inner-, aber auch interdisziplinäre Zusammenhänge verlieren. Wirtschaftsunternehmen, Beratungsgesellschaften, Kanzleien und Verbände suchen daher händeringend nach ökonomisch versierten Juristen, welche nicht nur in den zahlreichen rechtlichen und ökonomischen Fragestellungen bei den typischerweise anfallenden Querschnittsthemen (etwa im Bereich von Mergers & Acquisitions oder im Bereich Compliance) beraten, sondern zugleich interdisziplinäre Teams verantwortlich organisieren und leiten können.

Fundierte Ausbildung als Einstiegsvoraussetzung

Notwendiges Handwerkszeug hierfür sind einerseits methodisch fundierte Rechts- und Wirtschaftskenntnisse, andererseits eine in ihren „Softskills“ (u.a. Lern-, Lese-, Visualisierungs- und Präsentationstechniken, Kommunikations-, Zeit- und Selbstmanagement, Fremdsprachenkompetenzen und Interkulturelle Kompetenz) geschulte Persönlichkeit, welche möglichst ohne langes „training on the job“ sofort ins Berufsleben einsteigen und von Anfang an als vollwertiges Teammitglied agieren können.

Vertiefte Kenntnisse vor allem im Allgemeinen Zivilrecht und Öffentlichen (Wirtschaftsverwaltungs-) Recht, im Handels- und Gesellschaftsrecht, im Arbeitsrecht, im Finanz- und Kapitalmarktrecht, im Steuerrecht, im Gewerblichen Rechtsschutz, im Kartell- und Wettbewerbsrecht, im Internationalen Privatrecht, im Insolvenzrecht und im Bereich Konfliktmanagement gehören deshalb ebenso zum Standardrepertoire einer guten Wirtschaftsjuristenausbildung wie ein vertieftes Verständnis von ausländischen Rechtsordnungen, von Buchführung, Bilanzierung und Rechnungswesen, von Controlling und Compliance, von strategischer Unternehmensführung, von Projektmanagement und Führungstheorien oder von der Unternehmensfinanzierung.

Aufgaben, die den Wirtschaftsjuristen erwarten

Im Vordergrund der wirtschaftsjuristischen Tätigkeit steht die Konfliktvermeidung durch vorausschauende Rechts- („vorsorgende Rechtspflege“) und Organisations-/Prozessgestaltung, etwa durch vorausplanende Vertragsgestaltung, eine steueroptimierte Unternehmensorganisation oder die Errichtung und Überwachung funktionierender Compliance-Systeme, aber auch ein strategisches Konfliktmanagement.

Als gefragte Experten an der Schlüsselstelle zwischen Recht und Wirtschaft verstehen Wirtschaftsjuristen sowohl die ökonomische wie auch die juristische Bedeutung unternehmerischer Entscheidungen, können deren Chancen und Risiken bewerten sowie potenzielle Herausforderungen und Gefahren rechtzeitig identifizieren und geeignete Maßnahmen zu deren Abschirmung einleiten.

Dementsprechend sollte bereits bei der Ausbildung ein ganzheitlicher, kompetenz- und praxisproblemorientierter Blick auf wirtschaftsrechtliche Fragestellungen im Vordergrund stehen: Neben der Vermittlung der notwendigen theoretischen Grundlagen schärfen geeignete Case Studies, Planspiele, Fallsimulationen und Gestaltungsaufgaben das Verständnis für unternehmerische Prozesse und Gestaltungsoptionen, wobei eine praxisnahe Themensetzung als Aufhänger für das notwendig exemplarische Lernen dienen sollte. Dabei erleichtern interdisziplinäre Lehrteams aus Theorie und Praxis die notwendig ganzheitliche Betrachtung der unterschiedlichen Problemstellungen und bereiten damit zugleich optimal auf das spätere Berufsleben vor.

Weitere Internationale Abschlüsse: LL.M. und MBA

Angesichts der weitreichenden Globalisierung sollten Wirtschaftsjuristen zudem nicht nur ihre interkulturelle Handlungskompetenz und ihre fachspezifische Fremdsprachenkompetenzen entwickeln, sondern gerade im Recht auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen und innerhalb der verschiedenen Rechtskreise verstehen und daraus geeignete Rückschlüsse für unternehmerisches Handeln ziehen können. Idealiter sollten deshalb bereits während des Studiums wichtige Auslandserfahrungen und gegebenenfalls sogar ausländische Abschlüsse (z. B. ein internationaler LL.M. oder MBA) gesammelt werden, sei es durch Auslandssemester und -praktika, aber auch „vor Ort“ durch gemeinsame Veranstaltungen mit ausländischen Studierenden. Dadurch kann nicht nur wechselseitig von den unterschiedlichsten Erfahrungen profitiert, sondern zugleich der Grundstein für ein tragfähiges berufliches und privates Netzwerk gelegt werden.

Fazit

Insgesamt zeichnet sich die wirtschaftsjuristische Tätigkeit dadurch aus, dass neben der unverzichtbaren fachlich-methodischen Kompetenzen ein vertieftes Verständnis für interdisziplinäre, internationale und interkulturelle Zusammenhänge erforderlich ist. Hierauf sollte sich das Studium von Anfang an konzentrieren. Ein spezialisiertes wirtschaftsrechtliches Studium ist daher zwar fordernd. Lohn hierfür ist jedoch eine optimale Vorbereitung auf eine spannende, herausfordernde und interessante Praxistätigkeit in interdisziplinär und interkulturell zusammengesetzten Führungsteams mit kreativen, lösungsorientierten Gestaltungsaufgaben in einem globalen, dynamischen Umfeld.

Quelle NJW 33/2017