In der Marketingberatung von Kanzleien zeigt sich immer wieder: Hat eine Kanzlei keine Strategie, kann man die Kanzlei, ihre Leistungen und ihre Besonderheiten kaum gezielt vermarkten. Und tatsächlich haben viele Kanzleien keine Strategie oder die Partner sind sich über die Strategie nicht einig. Oft ist deswegen gezieltes Marketing kaum möglich und schlimmer noch: Kanzleien bleiben ökonomisch weit hinter dem zurück, was eigentlich möglich wäre.
Es gibt aber „Hilfe von außen“ für dieses Problem. Es gibt Berater, die sich auf Strategieberatung von Kanzleien spezialisiert haben, z. B. die Beratungsgesellschaft SIEBEN & PARTNER.
Herr Sieben, welche Bedeutung hatte das Thema Strategie für Kanzleien bisher?
Als wir vor fünf Jahren im Rahmen unseres Kanzleibarometers (Umfrage mit der Zeitschrift „Betriebsberater“) Kanzleien zum Thema Strategie befragt haben, gaben gut 85% der Befragten an, dass ihnen das Thema „Kanzleistrategie“ durchaus bewusst ist. Allerdings zeigte sich auch, dass das Wissen über die Bedeutung eine Kanzleistrategie nur theoretisch vorhanden war und kaum effektiv umgesetzt wurde. Kanzleistrategien waren meist nur abstrakt formuliert und ihre Umsetzung wurde nur sporadisch und wenig konsequent verfolgt. Obwohl eine Strategie von herausragender Bedeutung für den Kanzleierfolg ist, hatten oder lebten also nur wenige (mittelständische) Kanzleien eine Kanzleistrategie, dem Thema Strategie wurde schlichtweg zu wenig Beachtung geschenkt.
Hat sich an der Wahrnehmung des Themas „Kanzleistrategie“ etwas geändert?
Die Bedeutung einer strategischen Aufstellung für Kanzleien hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Der „Wettbewerbsdruck“ steigt, neue Anbieter formieren sich und auch Mandantenerwartungen verändern sich. Außerdem übernimmt zunehmend eine neue „Partnergeneration“ Verantwortung: Dinge werden hinterfragt, die zuvor „immer schon so gemacht wurden“. Das führt dazu, dass Vorstellungen jüngerer und älterer Kollegen über die Zukunft der Kanzlei oft auseinanderklaffen. Und nicht zuletzt ändert sich der Rechtsberatungsmarkt: Der DAV hat eine Zukunftsstudie zum Anwaltsmarkt 2030 veröffentlicht, international passieren spannende Dinge und technologische Entwicklungen setzen einiges in Bewegung. Vor allem deswegen kommen bei immer mehr Kanzleien Diskussionen über die strategische Aufstellung in Gang. Das merken wir an Anfragen, die uns erreichen.
Worum geht es bei der Strategiefindung für Kanzleien im Kern?
Im Kern geht es bei der Strategie um die Frage, wo die Kanzlei in fünf Jahren stehen will: Wie wollen wir am Markt wahrgenommen werden und mit welchen Mandanten und Themen verdienen wir unser Geld? Nur wenn diese Fragen klar beantwortet sind, können eine detaillierte Ausarbeitung der Strategie und die Festlegung konkreter Maßnahmen folgen. Alles andere wäre wenig zielführend, endet im Aktionismus, kann sogar kontraproduktiv sein.
Worauf kommt es im Rahmen des Strategieprozesses an?
Wichtig ist vor allem strukturiertes Vorgehen. Denn die Erfahrung zeigt, dass sich Anwälte bei der Strategieplanung alleine oft im Detail verlieren oder nur Befindlichkeiten austauschen.
Im Strategieprozess ist aber zunächst vor allem Folgendes wichtig: Eine ehrliche Bestandsaufnahme der Stärken und Schwächen der Kanzlei und der Chancen und Risiken am Markt (SWOT-Analyse). Dann brauchen Partner ein gemeinsames Bild davon, wo sie mit der Kanzlei hin wollen („Big Picture“). Zuletzt muss man sich mit einem Abgleich „Soll-Ist“ und mit der Planung konkreter Maßnahmen überlegen, wie man dieses Ziel erreicht. Vor allem bei der Maßnahmenplanung kommt es darauf an, Maßnahmen sehr konkret herunterzubrechen und systematisch aufzusetzen („Roadmap“).
Aber vor allem die Umsetzung bereitet Kanzleien häufig Probleme, weil sie hier meist vom Tagesgeschäft eingeholt werden. Außerdem haben Anwälte oft wenig Übung, Prozesse aufzusetzen und anzugehen. An dieser Stelle kann ein externer Berater mit dem ungetrübten Blick auf die Kanzlei von außen helfen: Er kennt den Markt, kann den Strategieprozess strukturieren und Diskussionen in der Partnerschaft zielorientiert moderieren.
Muss Strategieberatung „groß und teuer“ sein oder geht es auch eine Nummer kleiner?
Strategieberatung ist sehr unterschiedlich und individuell gestaltet: Vom Impulsvortrag in der Partnerrunde über eine Begleitung als „Sparringspartner“ bis hin zur vollumfänglichen Unterstützung der Strategieentwicklung und einer anschließenden aktiven operativen Mitarbeit in der Umsetzung ist alles denkbar.
Unsere Rolle ist dabei sehr unterschiedlich: Wir bringen den Blick vom Markt mit, wir sind Katalysator und manchmal auch Provokateur. Und hin und wieder haben wir auch die Rolle des „Familientherapeuten“, weil sich die Partnerschaft heillos verhakt hat und die Beziehung erst wieder geklärt werden muss, bevor man überhaupt über eine gemeinsame Zukunft nachdenken kann. Jede Kanzlei tickt anders – das muss man bedenken und eine passende Beratungsstrategie mit der Kanzlei entwickeln.
Das Interview führte Pia Löffler.