Gewinner und Verlierer - ein Rückblick auf die einzelnen Fachbereiche von Anwaltskanzleien im Lichte der Finanzkrise und Ausblicke auf die Zukunft (Teil 2)

von Sven Laacks, LL.M., Schollmeyer & Steidl Legal Recruitment

Wie bereits im ersten Teil dieses Rückblicks in NJW 52/09 beschrieben, ist der Bereich Arbeitsrecht erwartungsgemäß stark ausgelastet; eine entsprechend gute Nachfrage herrscht auf dem Arbeitsmarkt. Dem gegenüber ist der Immobilienmarkt, einer der Motoren der zuletzt erlebten Boomphase, in sich zusammengebrochen. Einzelne Transaktionen hier sind bisher nur zarte Pflänzchen eines wirtschaft lichen Frühlings. Erstaunlich schnell erholt ist hingegen der Fachbereich Corporate/M&A. Nach zu Beginn starkem Einbruch zeigt er sich bereits seit dem Sommer 2009 wieder gestärkt und mit Wachstumstendenzen.

In den Bereichen Bank- und Finanz-, Kapitalmarkt- sowie Insolvenzrecht/ Restrukturierung ergaben sich auf dem deutschen Markt Folgen, wie sie jedermann erahnt hätte – zugleich zeigten sich aber auch unerwartete Entwicklungen.

Bank- und Finanzrecht

Im Fachbereich Bank- und Finanzrecht aktive Kolleginnen und Kollegen haben sicherlich mit dem Schlimmsten gerechnet. Blicke auf die juristischen Arbeitsmärkte in den Vereinigen Staaten und in Großbritannien mit Kartons packenden Associates, dem Ausschluss von Großkanzleipartnern und makabren, tagesaktuellen Kopfzahlen der Entlassungen einzelner Kanzleien in der juristischen Fachpresse sorgten dafür, dass die Stimmung am Boden lag und die Erwartungen gering waren. Dies spiegelte sich auch in der großen Anzahl von Associates wider, die sich Anfang 2009 – auch ohne konkrete Veranlassung – bereits vorsorglich nach einer neuen Tätigkeit bzw. einem neuen Arbeitgeber umschauten.

Dies war natürlich zum damaligen Zeitpunkt ein schwieriges Unterfangen, denn die Folgen des Beinahe-Zusammenbruchs des Finanzmarktes trafen Bereiche wie Akquisitionsfinanzierung oder die Beratung im Investmentbereich mit voller Wucht, so dass diese hierdurch fast vollständig zum Erliegen kamen.

Die erwartete Freisetzung von Mitarbeitern aus diesem Bereich blieb jedoch überraschend aus, denn die Beratung war dennoch, wenn auch mit anderem Schwerpunkt, auch weiterhin gefragt. Zahlreiche ausgefallene oder ausgelaufene Finanzierungen mussten restrukturiert werden, um fortbestehen zu können. Dies führte in einigen Kanzleien sogar zu einer steigenden Auslastung, zum Teil über das Niveau der Boomzeit hinaus. Auf der anderen Seite entstand ein hohes Maß an Beratungsbedarf in Bezug auf bankaufsichtsrechtliche Fragen und sorgte für anhaltende Auslastung.

Dabei war das Bild stets sehr gespalten. Während einzelne Kanzleien durch ein „Retooling“ schnell auf die veränderten Markt - bedingungen reagierten und, wie beschrieben, weiterhin auf hohem Auslastungsniveau operieren konnten, gelang anderen dieses Umrüsten nicht, so dass sich der bank- und finanzrechtliche Zweig bei ihnen im Laufe des Jahres 2009 nur schwer über Wasser halten konnte.

Als Fazit kann von durchaus positiven Aussichten gesprochen werden. Der Bedarf an Nachwuchskräften für diesen Fachbereich ist nie ganz zusammengebrochen und zeigt sich seit Herbst 2009 wieder ansteigend...

Kapitalmarktrecht

Die in Boomzeiten klassischen Themen im Equity-Kapitalmarkt - bereich wie Börsengänge sind schon länger gleichsam tot. Auch im Debt-Kapitalmarktrecht sind nicht mehr die zuletzt aktuellen Fragen wie z. B. Verbriefungen für den Beratungsalltag bestimmend. Stattdessen gibt es neue Felder, welche die Krise in den Mittelpunkt gerückt hat, z. B. die Debt-Equity-Swaps oder, mangels Finanzierungsmöglichkeiten durch Banken, die Unternehmensanleihen.

Im Kapitalmarktrecht zeigt sich wohl am deutlichsten, wie wandlungsfähig anwaltliche Berater sein müssen. Je nachdem, was die Mandantschaft krisenbedingt verlangt und braucht, muss man in der Lage sein, neue Produkte und dahinterstehende Probleme zu strukturieren und in kurzer Zeit anwendungsbereit präsentieren zu können.

Für die Zukunft ein Feld für all diejenigen, die einen Reiz darin sehen, mit rechtlicher Kreativität die nicht minder kreativen Man - daten bei deren Ideen zu begleiten.

Insolvenzrecht

Wenig überraschend spülen die hohen Wogen der Finanzkrise die - jenigen Anwälte und Kanzleien, die in der insolvenznahen Beratung bzw. der Insolvenzverwaltung aktiv sind, wieder weit nach vorne.

Während reine Insolvenzverwaltungskanzleien in 2007 noch eine rückläufige Auslastung beklagten, hat sich das Bild für das Jahr 2009 gewaltig geändert. Bekannte namhafte Verwalterkanzleien bauen weiter aus, aber auch kleinere Marktteilnehmer können sich zunehmend neben den großen Namen etablieren. Auch wenn die Insolvenzberatung bzw. insolvenznahe Beratung (bisher) bei weitem nicht bei allen Wirtschaftskanzleien zum typischen Beratungsangebot gehörte und gerade Großkanzleien diesen Bereich früher eher vernachlässigten, weil man hierin keine Zukunft sah, so rückt der Bereich doch auch hier deutlich in den Fokus. Dies ist vor allem eine Reaktion auf die aktuell veränderte Beratungsnachfrage der Mandantschaft. Wirkliche Krisengewinner sind die bekannten und am Markt etablierten Namen, auf die zurückgegriffen wird, wenn kompetente und langjährig erfahrene Beratung im Rahmen großer Insolvenzen oder der insolvenznahen Beratung benötigt wird.

Eine dauerhafte Prognose ist hier schwierig, da gerade hier die Verknüpfung mit dem Wohl und Wehe der wirtschaftlichen Entwicklung sehr eng ist. Aktuell und in naher Zukunft wird die starke Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sicherlich anhalten.

Restrukturierung

Im Rahmen der Wirtschaftskrise wuchs die Nachfrage der Unternehmen nach Restrukturierungsberatung deutlich an. Nicht nur in finanzrechtlicher Hinsicht (vgl. oben) war hier Rat gefragt, auch andere Fachbereiche wie das Gesellschaftsrecht waren und sind hier deutlich gefordert. Dies ist auch am personellen Bedarf zu spüren, wobei die Bedürfnisse des Marktes hier nur schwer erfüllt werden können, da Personal mit Erfahrung in der komplexen (insolvenz - nahen oder -abwendenden) Restrukturierung von ganzen Unternehmen sehr rar ist. Dieser Mangel ergibt sich daraus, dass sich in den Jahren vor der Krise nur Wenige mit derartigen Problemstellungen auseinandersetzen mussten und wirkliche Erfahrungswerte fehlen. Für einen erfahrenen Berater ergeben sich hier derzeit gute Entwicklungschancen.

(Fortsetzung des Artikels in NJW 6/10, Fachbereiche Steuer-, Kartell-, Prozessrecht, Gewerblicher Rechtsschutz und Technologie, öffentliches Wirtschaftsrecht sowie die handels- und vertriebsrechtliche Beratung).

Quelle NJW 3/2010