Als Associate im Arbeitsrecht – Kein Tag gleicht dem anderen

von Nils-Frederik Wiehmann, Associate im Bereich Arbeitsrecht der Kanzlei Oppenhoff & Partner, Köln

Eine besondere Faszination übt das Arbeitsrecht dadurch aus, dass es neben seiner Bedeutung für die Wirtschaft unweigerlich auch Auswirkungen auf das soziale Leben in Deutschland hat. Viele Menschen werden sich an die Auswirkungen des Streiks der Lokführer oder Piloten erinnern, die den Verkehr vielerorts zum Erliegen brachten.

Die Einführung eines Mindestlohns in Deutschland wurde jahrelang diskutiert. Vor ein paar Jahren war „Emmely“, ein großes Gesprächsthema: Die Supermarktkassiererin hatte nach langjähriger Beschäftigung die fristlose Kündigung erhalten, weil sie eigenmächtig zwei gefundene Leergutbons im Wert von EUR 1,30 eingereicht hatte, statt sie dem Arbeitgeber auszuhändigen. Und das Bundesverfassungsgericht hatte vor nicht allzu langer Zeit zu entscheiden, ob Gewerkschaften zum Zwecke des Arbeitskampfes auch zu „Flashmobs“ in Drogeriefilialen aufrufen dürfen.

Hinzu kommt, dass die Rollen im Arbeitsrecht meist klar verteilt sind: Es gibt diejenigen, die die Interessen des Arbeitnehmers vertreten und diejenigen, die die Interessen des Arbeitgebers vertreten. Diese Zweiteilung lässt sich auch in der Beratungspraxis gut beobachten: In größeren Kanzleien erfolgt die Beratung primär aus Arbeitgebersicht; Mandanten sind hier oft Unternehmen. In kleineren Einheiten wird in der Regel mehr die Arbeitnehmersicht im Fokus stehen, weil überwiegend Arbeitnehmer oder Betriebsräte beraten werden.

Der Beginn meiner anwaltlichen Tätigkeit im Arbeitsrecht war ein Sprung ins kalte Wasser: Ich wurde sofort mit einem Gerichtsverfahrens betraut, in dem es um die Frage eines Jubiläumsanspruchs aus einer Betriebsvereinbarung ging. Aus der Sicht des Arbeitgebers (unserem Mandanten) war der Fall insofern prekär, als dass viele Mitarbeiter schon in den Startlöchern standen, um gleichlautende Ansprüche geltend zu machen, so dass für unseren Mandanten ein größeres finanzielles Risiko drohte.

Gemeinsam mit einem älteren Kollegen durfte ich das Verfahren von Beginn an mit betreuen. Vor meinem ersten Einsatz „in Robe“ vor dem Arbeitsgericht war ich ziemlich aufgeregt. Meine Nervosität legte sich jedoch, als absehbar wurde, dass sich der vorsitzende Richter unserer Argumentation anschließen würde. Nach dem Termin freute sich unser Mandant, dass ihm erhebliche Kosten erspart geblieben sind.

Die folgenden Wochen blieben ähnlich abwechslungsreich. Highlight in meinem zweiten Monat war eine arbeitsrechtliche Due Diligence. Unsere Mandantin wollte einen Hersteller von Fahrzeugteilen mit vier Produktionsstätten in Deutschland und Belgien kaufen.

Bei dieser grenzüberschreitenden Transaktion stand das Arbeitsrecht im Mittelpunkt, weil unsere Mandantin bereits ähnliche Betriebe in Deutschland unterhielt und im Falle des Erwerbs eine teilweise Zusammenlegung der Betriebe geplant wurde. Die Einbindung von Kolleginnen und Kollegen einer belgischen Kanzlei vermittelte erste Einblicke, wie eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene abläuft. Bereits unmittelbar zu Anfang meiner Tätigkeit wurde mir somit bewusst, wie spannend eine Tätigkeit im internationalen Umfeld sein kann. Neben den im Studium erlernten Sprachkenntnissen konnte ich nunmehr auch durch die im Ausland erworbenen Erfahrungen im Arbeitsalltag einsetzen.

Bereits jetzt dürfte klar geworden sein, dass eine Tätigkeit in der arbeitsrechtlichen Praxis einer Wirtschaftskanzlei viel mehr umfasst als das Führen von Kündigungsschutzprozessen: Zwar ist das Individualarbeitsrecht, welches sich mit der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer befasst, ein wichtiger Teilbereich des Arbeitsrechts. Wenn ein komplizierter Aufhebungsvertrag ausgehandelt oder ein Muster-Arbeitsvertrag gestaltet werden soll, kommt es neben guten juristischen Kenntnissen auch auf Fingerspitzengefühl an, um den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden. Und spätestens bei der Vorbereitung einer außerordentlichen Kündigung wird deutlich, welch spannende und zuweilen „bunte“ Sachverhalte das Arbeitsrecht bereithält!

In der Regel deutlich größere Bedeutung für die arbeitsrechtliche Praxis in einer Wirtschaftskanzlei hat jedoch das Kollektivarbeitsrecht, welches die Beziehung zwischen Arbeitgeber auf der einen Seite und kollektiven Interessenvertretungen der Arbeitnehmer (z. B. Betriebsrat oder Gewerkschaft) auf der anderen Seite regelt. Hier geht es beispielsweise darum, Betriebsvereinbarungen (z. B. zur Arbeitszeit) mit dem Betriebsrat zu verhandeln, Betriebsstrukturen umzugestalten oder Arbeitskampfmaßnahmen zu begleiten.

Dass darüber hinaus üblicherweise noch weitere Beratungsfelder wie das transaktionsbezogene Arbeitsrecht oder das Betriebsrentenrecht existieren, verdeutlicht die Bandbreite und Tiefe der arbeitsrechtlichen Beratungspraxis. Als Associate merkt man recht schnell, dass in vielen Mandaten gute Kenntnisse in allen diesen Bereichen gefragt sind, weil viele Verflechtungen bestehen.

So ist es möglich, dass bei einem Outsourcing-Projekt zunächst Verhandlungen mit dem Betriebsrat geführt, die Möglichkeiten der Fortführung eines Betriebsrenten-Modells geprüft, Unterrichtungsschreiben zu einem Betriebsübergang erstellt und Aufhebungsverträge verhandelt werden müssen. Dies macht die besondere Herausforderung, aber auch den besonderen Reiz einer Tätigkeit im Arbeitsrecht aus.

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Quelle JuS 7/2016