Gesetzes-Apps als vollwertige Alternativen zu gedruckten Textsammlungen

von Dipl.-Ök. Patrick Zugehör, Leiter der Gesetzesredaktion beim NWB Verlag, Herne

Bis vor Kurzem gab es für das juristische Arbeiten mit Gesetzestexten keine wirklich brauchbare digitale Alternative. Und das, obwohl sich gerade hier ein Feld bietet, auf dem die Vorteile der Digitalisierung besonders ins Gewicht (!) fallen. Denn gedruckte Gesetzestexte sind schwer und oft unhandlich, was Generationen von Jurastudenten am eigenen Leib erfahren haben und noch erfahren.

Seit einigen Monaten gibt es auf dem (deutschen) Markt erste Apps, welche die Vorteile der digitalen Aufbereitung bieten und gleichzeitig das bewährte juristische Arbeiten am Gesetzestext ermöglichen. Ein genauer Blick auf die technischen und inhaltlichen Standards der einzelnen Anwendungen zeigt, was aktuell möglich ist.

Ergonomie

Gute Gesetzes-Apps bieten eine schnelle Suchfunktion, die punktgenau zum gesuchten Paragraphen führt. Sie ermöglichen, mehrere Gesetze gleichzeitig „aufzuschlagen“ und bequem zwischen diesen zu wechseln. Nachschlagen, überprüfen, Querverweisen nachgehen ist ohne Weiteres möglich – genau wie am heimischen Schreibtisch, in der Uni oder Kanzlei.

Wichtige Funktionen sind auch das Markieren von Textpassagen und das Hinzufügen von Notizen. Da viele Apps regelmäßig aktualisiert werden, sollten Notizen und Markierungen idealerweise auch in neue Versionen übernommen werden. Gute Apps stellen dies sicher, denn Datenverlust würde für den Anwender erhebliche Mehrarbeit nach sich ziehen.

Wichtig – insbesondere bei der Nutzung mit Tablets, die oft nur über WLAN mit dem Internet verbunden werden können – ist die Möglichkeit, die Gesetzessammlungen auch offline zu nutzen. Auch Smartphone-Nutzer wissen diese Funktion zu schätzen, da dadurch ihr Datenverbrauch reduziert wird, was insbesondere bei Tarifen mit geringem Datenvolumen vorteilhaft ist.

Sicherheit

Oberstes Gebot bei der Arbeit mit Gesetzestexten ist neben der Aktualität sicherlich die Verlässlichkeit der Inhalte. Auf dem App-Markt tummeln sich viele Anbieter, die keine nachgewiesene inhaltliche Kompetenz in Bezug auf Gesetzestexte haben. Bei der Auswahl einer App sind daher Anbieter erste Wahl, die im Markt für Fachinformationen bekannt sind und einen guten Ruf genießen.

Das Thema Sicherheit betrifft natürlich auch die persönlichen Daten der Nutzer. Auch daher ist es empfehlenswert, Apps von  Anbietern den Vorzug zu geben, die als seriös eingestuft werden können.

Kosten

Bei den Preisen für Gesetzestexte-Apps gibt es die unterschiedlichsten Modelle. Relativ teuer können Apps werden, die Einzelgesetze per In-App-Kauf anbieten. Hier kommen schnell Summen zusammen, die weit über denen liegen, die für umfangreiche Gesetzespakete berechnet werden. Eine Sammlung der wichtigsten deutschen Bundesgesetze ist dagegen zurzeit für knapp 10,- € im Jahr erhältlich, was sicherlich auch für Studenten ein attraktives Angebot ist.

Von komplett werbefinanzierten Apps ist abzuraten. Darunter leidet die Konzentration des Nutzers und oft auch die Leistung der App; beides Faktoren, die im Beruf oder im Studium wichtig sind.

Zum Ausprobieren bieten sich Apps an, die zunächst kostenlos und in denen Gesetzestexte vorinstalliert sind. So kann der Nutzer sich selbst ein gutes Bild von der Leistungsfähigkeit der Anwendung machen und sie bei Nichtgefallen einfach wieder löschen.

Fazit

Gesetzes-Apps können die Schwerkraft der Gesetze aufheben und vollwertige Alternativen zu gedruckten Textsammlungen sein. Es gibt bereits Anwendungen, die alle inhaltlichen und technischen Voraussetzungen dafür erfüllen. Die Unterschiede zwischen den aktuell erhältlichen Angeboten sind jedoch sehr groß. Im Zweifel sollte der Nutzer daher zu Apps von Anbietern greifen, die er aus dem Studium oder Berufsalltag bereits kennt.

Der Einsatz von Gesetzes-Apps hat jedoch auch Grenzen: Obwohl die Displays vieler aktueller Smartphones recht groß sind, sind Tablets die Geräte der Wahl, um mit Gesetzestexte- Apps wirklich zu arbeiten. Für das schnelle Nachschlagen einzelner Normen eignen sich aber auch Smartphones.

Kombi-Angebote, die aus einer gedruckten Textausgabe und einer dazu passenden App bestehen, bieten das Beste aus beiden Welten. Sie sind insbesondere für diejenigen Nutzer empfehlenswert, die nicht auf das Printwerk verzichten können oder wollen.

Quelle NJW 25/2016