Zwischen Zürich-See und Uni-Bib

Louisa Wacht im BECK Stellenmarkt Interview

Die Auswahl an Universitätsstandorten für Jura-Studierende in Deutschland ist mit 43 Fakultäten groß. Viele junge Erwachsene wollen allerdings im Ausland studieren, dabei rücken Nachbarländer oft in den Fokus der Suche nach einem Studienplatz. So verfügt beispielsweise auch die Schweiz über neun juristische Fakultäten. Was spricht für den Standort Schweiz? Welche Hürden gilt es zu überwinden? Und macht es Sinn im Ausland Jura zu studieren? Louisa Wacht, 19, studiert seit 2022 Jura an der Universität Zürich. Im Interview mit dem BECK Stellenmarkt verrät sie, was sie dazu bewogen hat und warum sie sicher ist, für sich die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Louisa, du hast nach dem Abitur entschieden Jura zu studieren – allerdings nicht in Deutschland, sondern in der Schweiz. Wie kam es dazu?

Aufgrund meiner Beziehung habe ich die letzten Jahre viel Zeit in der Schweiz verbracht und mich wirklich in das Land verliebt. Ich habe zwar erst ein paar Regionen gesehen, aber es ist wunderschön dort. Mir war schnell klar, dass ich hier nicht nur studieren möchte, sondern mir auch vorstellen kann, dauerhaft zu bleiben und zu leben. Außerdem hat mich das Bachelor- und Mastersystem deutlich mehr angesprochen als das übliche Staatsexamen-Jurastudium in Deutschland. Ich war auch auf Anhieb von der Universität Zürich überzeugt.

Unabhängig vom Standort – warum hast du dich überhaupt für Jura entschieden?

Ich muss zugeben, dass ich vor einigen Jahren noch eine eher negative Sicht auf das Jura-Studium hatte. Man hört oft, dass das Studium trocken wäre und nur daraus bestehen würde, Gesetze auswendig zu lernen. Im Schulfach Wirtschaft und Recht hat mir dann aber der rechtliche Teil sehr gut gefallen, viel mehr als der wirtschaftliche. Deshalb habe ich mich im Kolloquium, also in der mündlichen Abiturprüfung, auch für den Schwerpunkt Strafrecht entschieden. Auch in den sozialen Medien kann man heutzutage ja ziemlich viel über verschiedene Berufe und Studiengänge erfahren, auch über Jura. Je intensiver ich mich damit beschäftigt habe, desto attraktiver erschienen mir das Studium und besonders der Beruf der Anwältin, bis ich mich schließlich in keinem anderen Beruf mehr sehen konnte.

Während wir in Deutschland noch immer die Diskussion führen, ob die Einführung eines integrierten LL.B. eine gute Idee ist oder nicht, wurde die juristische Ausbildung in der Schweiz komplett auf das Bologna-Modell angepasst. Inwiefern hat das bei deiner Entscheidung eine Rolle gespielt?

Vermutlich wäre ich so oder so in die Schweiz gegangen. Ich bin aber ehrlich gesagt sehr froh über das System dort. Das Staatsexamen erscheint mir persönlich reformbedürftig. Auch das Notensystem, bei dem die höheren Punktezahlen angeblich fast nie vergeben werden, ist meiner Meinung nach suboptimal.

Das erste Semester liegt bereits hinter dir. Wie sind deine ersten Eindrücke?

Bis jetzt liebe ich wirklich fast alles an meinem Studium. Natürlich gibt es auch Themen, die mich eher weniger interessieren, wie alles, was in die philosophische Richtung geht. Aber der Großteil ist super interessant. Die Dozierenden an der Universität Zürich sind sehr kompetent und sympathisch, sodass man sich wirklich auf die Vorlesungen freut. Auch die Uni an sich ist wunderschön, besonders das Hauptgebäude und die Rechtswissenschaftliche Bibliothek, die auch gerne von Mitgliedern anderer Fakultäten genutzt wird. Ein klarer Vorteil am Standort Zürich ist natürlich der See, an dem ich bei schönem Wetter sehr gerne meine Zeit verbringe. Man fühlt sich fast ein wenig, als wäre man im Urlaub.

Hast du schon andere Jura-Studierende getroffen, die aus Deutschland in die Schweiz gegangen sind?

Vor Beginn meines Studiums war ich mir ziemlich sicher, dass ich die einzige Deutsche in meinem Studiengang sein werde. Doch bereits am Einführungstag stellte sich das Gegenteil heraus. Wir wurden in Gruppen eingeteilt und mussten jeweils einige Minuten mit unserem Gegenüber reden. Nach jeder Runde wurde gewechselt, sodass man mehrere Leute kennenlernen konnte. Innerhalb dieser kurzen Zeit habe ich tatsächlich zwei Personen getroffen, die ebenfalls aus Deutschland kommen. Allgemein trifft man in Zürich viele Studierende aus dem Ausland.

Im Gegensatz zu Deutschland sind die Studiengebühren in der Schweiz deutlich höher. Als Student:in ist das oftmals nicht ganz einfach zu bewerkstelligen. Wie finanzierst du dein Studium momentan?

Ich habe das große Glück, dass mich meine Eltern finanziell unterstützen. Außerdem bekomme ich BAföG. Da ich Auslands-BAföG bekomme, werden die Studiengebühren der ersten beiden Semester übernommen. Auch Reisekosten, Kranken- und Pflegeversicherung werden bezuschusst.

Wo siehst du deine berufliche Zukunft bzw. inwieweit kann man mit einem Juraabschluss aus der Schweiz auch im Ausland arbeiten?

Mein Plan ist es nach dem Bachelor und dem Master die Anwaltsprüfung abzulegen und dann in der Schweiz, vorzugsweise in Zürich, zu arbeiten. Wenn ich aber doch nach Deutschland zurück gehen und dort arbeiten wollen würde, gibt es mehrere Möglichkeiten. Zum einen kann man mit dem Master-Abschluss eine sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung der erworbenen Diplome in Deutschland durchführen lassen. Wenn diese positiv ausfällt, gilt das wie ein 1. Staatsexamen und man kann anschließend in Deutschland das Referendariat und das Zweite Staatsexamen absolvieren. Ansonsten kann man auch eine Eignungsprüfung absolvieren, wenn die Gleichwertigkeitsprüfung negativ ausgefallen ist. Auch die gilt bei Bestehen wie ein 1. Staatsexamen. Zum anderen kann man auch mit einer in der Schweiz bereits erteilten Zulassung zur Anwältin nach Deutschland gehen und sich dann dort eine Zulassung als europäische Rechtsanwältin ausstellen lassen.

Was würdest du jemandem raten, der sich morgen in Zürich für Jura einschreiben möchte? Hast du konkrete Tipps bezüglich der Wohnungssuche, dem Einleben etc.?

Den Bewerbungsvorgang habe ich als unkompliziert empfunden. Man sollte jedoch beachten, dass die Bewerbungsfrist deutlich früher beginnt als in Deutschland, der Bewerbungszeitraum liegt zwischen Januar und April. Man kann fehlende Dokumente aber nachreichen, z.B. das Abiturzeugnis, wenn es nicht rechtzeitig erstellt beziehungsweise ausgehändigt worden ist. Was mir persönlich Sorgen bereitet hatte, war das Thema Wohnungssuche. Die Universität Zürich bietet keine eigenen Wohnheimplätze an, es gibt jedoch einige private Wohnheime in Zürich. Alternativ besteht auch die Möglichkeit, sich eine WG zu suchen. Dafür gibt es viele Websites und auch regelmäßig neue Angebote. Tatsächlich ist der Preisunterschied zur eigenen kleinen Wohnung aber gar nicht so groß, wenn man genug Zeit für die Suche hat – wie es bei mir der Fall war.

Glücklicherweise habe ich nach einiger Zeit eine schöne Wohnung gefunden, die meine Erwartungen sogar übertroffen hat. Hier fühle ich mich sehr wohl, kann mich beim Lernen gut konzentrieren und mich auch super entspannen. Dafür musste ich eines in Kauf nehmen: eine etwas längere Anreise. Da der öffentliche Nahverkehr in der Schweiz aber sehr gut ausgebaut und wirklich zuverlässig ist, ist das halb so schlimm. Deshalb würde ich immer raten, bei der Wohnungssuche nicht zu sehr auf das Zentrum fixiert zu sein, sondern auch das Umland in Betracht zu ziehen.

Egal für welche Art von Unterkunft man sich letztendlich entscheidet: Es ist wie gesagt wirklich wichtig, sich so früh wie möglich umzusehen und auch ein bisschen offen für Neues sein! Aber keine Angst, die meisten Leute sind wirklich sehr freundlich und hilfsbereit – und an die Sprache gewöhnt man sich auch recht schnell.

Vielen Dank für das Interview!

Über die Interviewpartnerinnen:

Louisa Wacht
Jura-Studentin
Universität Zürich

Franziska Vogl
Volontärin für Social Media-/ Online-Marketing
Verlag C.H.BECK

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